Museum für Komische Kunst zeigt Cartoons von Gerhard Glück
Glücksmomente im caricatura
Von Hans-Bernd Heier
Anlässlich seines 70sten Geburtstags hat Kassel Gerhard Glück im letzten Jahr mit zwei Sonderausstellungen geehrt. „Das Museum für Komische Kunst durfte aus den beiden Ausstellungen das Beste für Frankfurt auswählen und kann die Arbeiten nun im allerschönsten Museum der Welt zeigen“, freut sich Achim Frenz, Leiter des caricatura museums frankfurt. Eigens für die unterhaltsame Schau im ehemaligen Leinwandhaus hat Glück ein farbiges Gemälde gefertigt, das den offensichtlich verdutzten Künstler am Museumsufer sitzend an einem Tisch mit einem Apfelweinglas und Bembel zeigt, umringt von einer fröhlichen asiatischen Reisegruppe. Im Hintergrund sind der Frankfurter Dom und der Eiserne Steg zu sehen. Dabei gehen dem von der unerwarteten Begegnung Überrumpelten die viel zitierten Zeilen des Frankfurt-Gedichts des bekannten Mundartdichters Friedrich Stoltze durch den Kopf:
„Un es will mer net in de Kopp enei, wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“, Copyright © Gerhard Glück; Foto: Hans-Bernd Heier
Das caricatura museum hat unter dem Titel „Glück im Museum. Cartoons von Gerhard Glück“ insgesamt rund 240 Cartoons versammelt, die ab den 1980er Jahren entstanden sind. Besucher der kurzweiligen Schau, die das Werk des Meisters der komischen Kunst umfassend zeigt, können sich an seinen humorvollen Cartoons erfreuen. Es sind subtile, kunstvolle Darstellungen, meist in leuchtender Farbigkeit in Tempera oder Acryl auf Karton ausgeführt. „Es sind Glücksmomente – jedes Bild für sich“, schwärmt Frenz. Bei der Hängung hat er weitgehend auf eine chronologische und thematische Gliederung verzichtet. Nur im ersten Stock bildet die „Welt der Kunst“ einen Themenschwerpunkt. Ansonsten hat Frenz die Arbeiten „vornehmlich nach Schönheit“ zusammengestellt.
„Der erste Frühlingsspaziergang langweilt Herrn Möller zutiefst!“, 1994; Copyright © Gerhard Glück
Gerhard Glück, 1944 in Bad Vilbel geboren, ist in Frankfurt aufgewachsen und ging auch dort zur Schule. Schon früh zeigte sich sein außerordentliches zeichnerisches Talent. Als er in den Unterricht ein Bild zum Märchen „Tischlein deck dich“ mitbrachte, das seine Lehrerin als Hausaufgabe gestellt hatte, bezweifelte die Pädagogin, dass der Schüler dieses selbst gemalt habe. Um sein Können zu zeigen, musste Glück das Bild noch einmal auf die Schultafel malen.
Achim Frenz und Gerhard Glück bei der Pressekonferenz; Foto: Hans-Bernd Heier
Nach dem Abitur studierte er Werbegrafik an der Werkkunstschule in Kassel und dann noch Kunsterziehung an der dortigen Kunsthochschule. Glück, der seitdem in Kassel lebt und arbeitet, ist also einer jener Künstler, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt haben. Er hat Werbegrafik nicht nur studiert, sondern auch praktisch betrieben: Namhafte Produkte wie 4711, Johnny Walker oder Ellen Betrix verdankten ihm Verpackungs- und Anzeigengestaltungen in den siebziger Jahren. Aber er war „wohl nicht für die Werbebranche geboren“, wie Glück es formuliert. Dies mag auch damit zu tun haben, dass der Künstler sich nie so recht auf einen Stil, eine Richtung, eine Thematik festlegen mochte. Er wechselte 1976 in den Schuldienst und gab dort bis 2003 Kunstunterricht. Nach allem, was darüber bekannt ist, tat er das mit Freude und großem Engagement. Die Doppelbelastung zwang den Meister der komischen Kunst allerdings, extrem intensiv zu arbeiten. So waren die Ferien stets mit Arbeit an seinen Blättern und Bildern ausgefüllt.
„Im Barocksaal gibt es manchmal kleine Probleme“, 2006; Copyright © Gerhard Glück
Seine ersten Zeichnungen veröffentlichte Glück bereits 1972 in der „Hessisch/Niedersächsische Allgemeine“. 1973 kam dann die „Süddeutsche Zeitung“ dazu. Später folgten „Die Zeit“, das „manager magazin“, die monatliche Hochglanzbeilage „Folio“ der „Neuen Zürcher Zeitung“, „Cicero“ und seit den 90ern publiziert er regelmäßig im Berliner „Eulenspiegel“. Kritiker rühmen, dass Glück sich heute als wohl „komplettester“ Künstler der komischen Kunst präsentiere. Das ist sicher das höchste Lob, das ein Künstler erhalten kann. Er zählt, wie caricatura-Leiter Frenz betont, „zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs“. Wenn er dennoch nicht so bekannt ist wie mancher seiner Kollegen, mag das damit zusammenhängen, dass Glück einer der Stillen im Lande ist, der sich zu seinem Einzelgängertum bekennt und von seinem Naturell eher zurückhaltend ist.
„Sonntagnachmittag“, 2011; Copyright © Gerhard Glück
Ursprünglich war der Cartoonist ein Verfechter der wortlosen Zeichnung. Im Laufe der Zeit begann ihm das Texten Spaß zu machen und er versah seine Arbeiten mit punktgenau formulierten Bildlegenden. „Zudem verlangten viele Auftraggeber das, vielleicht mag es auch das Publikum“, gibt sich Glück bescheiden. Neuerdings möchte er auch gerne wieder Cartoons „ohne die Einengung durch das Wort“ zeichnen.
„Manchmal erkennt man Paarprobleme auf den ersten Blick“; Copyright © Gerhard Glück
„Cartoons sind etwas für Menschen mit hungrigen Augen. Schön zum Anschauen und dabei voller Widerhaken“, schreibt Peter Baumann in dem Begleitbuch „Meister der komischen Kunst“. Das trifft „in ganz besonderem Maße für die Arbeiten des Meisterwerkers Gerhard Glück“ zu. Dabei kommen ihm seine scharfe Beobachtungsgabe der menschlichen Natur und Verhaltensweisen gepaart mit Einfallsreichtum sowie ausgereifter Mal- und Zeichentechnik zugute. So hat er mit Stift und Pinsel erstaunliche Werke kreiert – quer durch die Kunstgeschichte – und immer wieder dem Alltag bizarre Seiten abgewinnend.
„Frauengruppe unterwegs zu irgendeinem Kulturevent“, 2008; Copyright © Gerhard Glück
Viele seiner Blätter strahlen eine sanfte Melancholie aus. Seine Figuren gehören häufig der Generation 50+ an – das war schon beim jungen Glück so. Sie sind weder hektisch noch hyperaktiv – eher verschlossen, dabei durchaus verschroben und selten glücklich. Sie wirken häufig gar ein wenig spießig. In vielen von Glücks Bildern findet sich als Protagonist ein glatzköpfiger Herr mit großen Augen und dicker Nase. Er ist, wie Glück in einem Interview sagte (mit der Bitte, es niemandem zu erzählen!) – sein „alter Ego“. „Diese Figur ist ein kleiner, bornierter Spießbürger, dem dauernd Sachen passieren, die auch mir passieren; er stolpert übers Stuhlbein, fällt über den Tisch, ist dabei überzeugt, ‚eigentlich‘ alles richtig zu machen …“ Deswegen sei sein Name Glück auch nicht angemessen.
„Wie soll ich Ihnen das Handy erklären, wenn Sie ständig behaupten, die Sterntaste heisse eigentlich Schneeflöckchentaste?“, 2010/2012; Copyright © Gerhard Glück
Der mit vielen Kunstpreisen und Sonderausstellungen Geehrte sieht sich nicht als Satiriker, weil „Satire“ ein höheres Aggressionspotential habe, sondern als Cartoonisten – nicht als politischen, obwohl er „immer wieder Themen aufgreift, an denen sich Gesellschaft reibt“, so Baumann. Erstaunlich ist die Liebe des Nichtschwimmers Glück zum Meer, der viele seiner Motive zu verdanken sind.
„Westwind“, 2012; Copyright © Gerhard Glück
Der avancierte Vertreter der Komischen Kunst hat eine Fülle von Büchern veröffentlicht, bei denen es häufig um das Thema Humor und Kunst geht, das in Glücks Arbeiten eine enge Verbindung eingeht. Vor rund dreißig Jahren hat Glück angefangen, die Kunst und ihre Schöpfer zu thematisieren: Auf dem ersten Bild „William Turner auf dem Weg zur Arbeit“ von 1984 kämpft der Maler, ganz winzig klein dargestellt, gegen die Furcht einflößende Gewalt von Sturm und Wellen. Glück gibt nicht nur Turners großartiges Gemälde perfekt wieder, sondern beleuchtet auch, wie das Kunstwerk entstanden sein mag. Oder er lässt die Mona Lisa im großen Saal des Louvre auf die riesige Schar ihrer Bewunderer blicken.
„Wilfried zeigte seinen neuen Schuhen den grauen Alltag“, 2007; Copyright © Gerhard Glück
Den ersten Kunst-Cartoons folgten viele mehr. So widmet er sich immer wieder den Merkwürdigkeiten des Kunstbetriebs: mit Parodien auf bekannte Meisterwerke wie „Der Schrei“ von Edvard Munch oder auf einzelne Künstler, zum Beispiel Georg Baselitz am Südpol – natürlich auf dem Kopf stehend. Glück nutzt den Kunstkosmos als Inspiration für seine Arbeiten und setzt diesen in pointierte „Bild-Geschichten“ um.
„Mein schönstes Urlaubsfoto: Gerlinde inmitten ihrer geliebten Antike“; Copyright © Gerhard Glück
Angesichts des Einfallsreichtums und der Kreativität des Künstlers mag sich mancher Betrachter fragen: Wie kommt der Mann auf diese Ideen? Darauf weiß Glück eine ganz einfache Antwort: „Ach, wissen Sie, die kommen mir ganz plötzlich! Mal urplötzlich, mal ganz plötzlich, mal weniger plötzlich, aber auf jeden Fall plötzlich!“ In Glücks plötzlicher, stets witziger Ideenwelt einzutauchen dürfte den Besuchern der sehenswerten Schau größtes Vergnügen bereiten.
„Geahnt hatte er es schon lange“, 2008; Copyright © Gerhard Glück
Die Ausstellung wird begleitet von den Büchern: „Auch das noch! Komische Kunst von Gerhard Glück“, Lappan Verlag und „Meister der komischen Kunst: Gerhard Glück“, Verlag Antje Kunstmann (je 16 Euro).
„Aus dem Leben der Mona Lisa“, 1996; Copyright © Gerhard Glück
„Glück im Museum. Cartoons von Gerhard Glück“, caricatura museum frankfurt – Museum für Komische Kunst, bis 13. September 2015
Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): caricatura museum frankfurt – Museum für Komische Kunst