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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Auf Thomas Manns Spuren in ehemaligen Davoser Luxussanatorien

Liegestühle mit Kamelhaardecken auf sonnigen Loggien

Von Elke Backert

„Man lag ganz ungewöhnlich bequem, das stellte Hans Castorp sogleich mit Vergnügen fest. – Er erinnerte sich nicht, dass ihm je ein so angenehmer Liegestuhl vorgekommen sei … Er schlug die Kamelhaardecke zuerst von links der Länge nach bis unter die Achsel über sich, hierauf von unten über die Füße und dann von rechts, so dass er endlich ein vollkommen ebenmäßiges und glattes Paket bildete, aus dem nur Kopf, Schultern und Arme hervorsahen.“ Was Thomas Mann in seinem „Zauberberg“ vor knapp 100 Jahren über den hanseatischen Patriziersohn Hans Castorp schreibt, kann man noch heute nachvollziehen. Das Waldhotel im Schweizer Kurort Davos belegt seine Balkon-Liegen mit einem Schild und obigem Roman-Auszug samt der Anmerkung: „Unsere Davoser Liegestühle wurden im Sommer 2006 von der Behindertenwerkstätte ARGO Davor/Chur restauriert. Sie können die Waldhotel-Decke für 42 Schweizer Franken an der Rezeption käuflich erwerben.“

Davos Waldhotel (2)

Waldhotel; restaurierter Liegestuhl auf dem Balkon des Waldhotel, ehemals Waldsanatorium

Davos Waldhotel Liegestuhl

Zu Manns Zeiten war das Waldhotel das „Waldsanatorium“, in dem Ehefrau Katia Mann ihre Tuberkulose heilen sollte. Ihr original erhaltenes Krankenzimmer darf jeder durch eine Glastür ansehen. Thomas Mann besuchte sie dort im Frühjahr 1912 und logierte in der Dependance Haus am Stein an der Buolstrasse 10, gleich unterhalb der Klinik. Zuvor hatten dort unter anderem die Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle, bekannt durch seine Sherlock-Holmes-Geschichten, und Robert Louis Stevenson gewohnt. Letzterer schloss hier im Winter 1881 seinen Abenteuerroman „Die Schatzinsel“ ab. Das Waldhotel ist seit der Eröffnung 1911 im Besitz der deutschen Adelsfamilie von Gemmingen. Mit 16 GaultMillau-Punkten darf sich das Restaurant „Mann und Co.“ schmücken und fand Eingang in die „Besten GaultMillau-Hotels“ der Schweiz.

Am Abend finden die Hotelgäste die „Abendpost“ auf ihrem Bett und unter „Was ist los in Davos und im Waldhotel“ den Hinweis auf eine Jugendstil-Führung durch das ehemalige Luxussanatorium Schatzalp aus dem Jahre 1900, in dem Thomas Mann seinen Hans Castorp sieben Jahre lang nach Heilung von seiner Tuberkulose suchen ließ. Ein Kraft- und Energieort, wo man dank der Messmethode des Physikers Alfred Bovis bis zu 26.000 Bovis-Einheiten nachweisen kann. Was über dem Mittelwert von 6500 Bovis-Einheiten liegt, soll starke Energie geben.

Davos Schatzalpbahn

Mit der Schatzalp-Bahn in vier Minuten auf 1861 Meter

Der Initiator Willem Jan Holsboer erkannte 1898 die positive Ausstrahlung der Schatzalp und beauftragte die Zürcher Architekten Otto Pfleghard & Max Haefeli mit dem Bau, einem der ersten Stahlbetonbauten in Graubünden. Musste man damals die 300 Meter von Davos zu Fuß hinauf, bringt einen heute die computergesteuerte Standseilbahn – die Schatzalp ist autofrei – in vier Minuten von 1560 Meter auf 1861 Meter. 1954 wurde aus dem Sanatorium das Hotel Schatzalp, das zu den „Swiss Historic Hotels“ zählt.

Davos Schatzalp Kunst

Neue Kunst vor altem Hotel. Das Schatzalp-Sanatorium wurde zum historischen Hotel Schatzalp

Floraler und venezianischer Jugendstil und Terrazza-Fußboden prägen die Lobby. Das Mobiliar, vor allem Stühle und Sessel, wurden nach Originalen nachgearbeitet. Die Zimmer – hinter schweren Eisentüren – brauchen keinen Fernseher, sie haben Fernsicht. Die legendären, gelben Davoser Liegen auf den übergroßen Loggien bekommen zwei Stunden mehr Sonne als unten im Tal. Für Tbc-Kranke, die bis zu acht Stunden in Decken gehüllt auf den Balkonen ruhen mussten, war das also optimal. Die über hundert Meter lange, nach Süden ausgerichtete Fassade besitzt eine Aufreihung windgeschützter Terrassen: in Bergluft und Sonne erhofften die Patienten aus aller Welt Heilung für ihr Leiden.

Davos Hotel Schatzalp Liegestuehle (1)

↑ Auf der Loggia des Hotels Schatzalp, früher Luxussanatorium Schatzalp: Liegestühle für Sonnenhungrige. Hier, auf 1900 Meter über dem Meer, scheint die Sonne zwei Stunden länger
↓ Floraler Jugendstil in der Lobby des Hotel Schatzalp

Davos Schatzalp Interieur (1)B

Auf den breiten Korridoren sind schön gestaltete Spuckbecken erhalten. Bei der Umgestaltung zum Hotel blieben Sanatoriums-Charakter und Zauberberg-Romantik spür- und sichtbar. Die originale Liftanlage mit dem Gitterfahrstuhl, die großen Gesellschaftsräume im authentischen Jugendstil-Ambiente und die Badezimmer mit den luxuriösen Armaturen aus der Zeit um 1900 versetzen die Gäste in die Welt des berühmten Romans.

Davos Schatzalp Spuckbecken (1)

Das Spuckbecken für ehemalige Tbc-Kranke bleibt im Hotel Schatzalp erhalten

Der ehemalige Röntgenraum wird heute für Veranstaltungen genutzt und heißt X-Ray, die Lichtkästen für die Röntgenbilder leuchten in gedämpftem Rot, aus dem Operationssaal entstand ein Hallenbad. Selbst der Zugang zum Hotel mutet an wie eine – blumenberankte – Wandelhalle. Weiteres Kuriosum: Zehn Jahre lang hatte Kaiser Wilhelm II. ein Zimmer gemietet, falls er erkranken sollte. Aber er besuchte die Schatzalp nie.

ICOMOS, der Internationale Rat für Denkmalpflege, hat in Zusammenarbeit mit GastroSuisse, hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus das Hotel Schatzalp zum „Historischen Hotel des Jahres 2008“ gewählt.

Angelehnt an Thomas Manns „Zauberberg“ haben die fünf Skigebiete auf zwei Talseiten zwar Namen, nämlich Jakobshorn, Parsenn, Pischa, Madrisa und Rinerhorn, letztere drei ideal für Familien, aber für die Einheimischen sind es „unsere Zauberberge“.

Davos Flachdaecher (1)

Aus Sicherheitsgründen wegen der Lawinengefahr ist Davos seit 1900 geprägt von Flachdach-Bauten

Der Shuttle-Bus „Graubünden-Express“ transportiert Gäste bequem und schnell (2 Stunden) vom Flughafen/Bahnhof Friedrichshafen bis vor die Hoteltür in Davos und wieder zurück.

Fotos: Elke Backert

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