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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Abschied von der Berger Bücherstube

Monika Steinkopf schliesst Frankfurter Traditionsbuchhandlung und Literatentreffpunkt

„Un es will merr net in mein Kopp enei:
wie kann die Berger Bücherstubb net mehr sei!“
(Friedrich Stoltze / Michael Quast)

Von Renate Feyerbacher

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Monika Steinkopf

Bis zuletzt hatten Monika Steinkopf, ihre Freunde und Berger Bürger gehofft, dass sich jemand findet, der die Traditionsbuchhandlung in Frankfurt Bergen-Enkheim übernimmt. Selbst der Kulturdezernent versprach, sich um eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu kümmern. Sollte sich niemand für das buchhändlerische Kleinod interessiert haben?

Zum Abschied hatten sich Freunde, Freundinnen, zu denen auch ich mich zähle, Mitarbeiterinnen und Leser eingefunden. Unter ihnen war Professor Heiner Boehncke, Autor, Literaturwissenschaftler, Hochschullehrer, ehemals Literaturredakteur im Hessischen Rundfunk,

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Heiner Boehncke und Monika Steinkopf

und der Germanist Adolf Fink, ehemals Literaturredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der 37 Mal seine Buchempfehlungen in der Berger Bücherstube verkündete. Auch die Architekturhistorikerin Almut Gehebe-Gernhardt, Robert Gernhardts zweite Frau, war gekommen, deren Mann eine enge Verbindung zur Bücherstube hatte. Gernhardt (1937-2006) verewigte sich 1992 in einer Laudatio mit der „Ballade vom Berger Fratzenstein und seinen fatalen Folgen“.

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Monika Steinkopf mit Almut Gehebe-Gernhardt

Ein Hauch von Wehmut begleiteten die Abschiedsworte von Monika Steinkopf. Sie erzählt, wie sehr sie sich über die Briefe von Thomas Rosenlöcher und Reinhard Jirgl, über die Postkarte von Wilhelm Genazino, die Mails von Marcel Beyer, Thomas Lehr und Eva Demski und den Anruf von Arnold Stadler gefreut hat.

Die Berger Bücherstube war eine Buchhandlung mit besonderem Flair – für Leser und Stadtschreiber ein zweites Wohnzimmer. Die Regale waren nicht vollgepfropft mit Büchern. Manchmal machte nur ein einziges Buch auf sich aufmerksam. Eine Ecke war den Werken von Keramikkünstlern gewidmet. An dem Tisch mit der ausgefallenen Lampe, an der schon Max Frisch 1981 seinen Kopf gestossen hatte, signierten die Schriftsteller, die Stadtschreiber, ihre Bücher. Hier wurden sie mit Kaffee, Tee und Kuchen gestärkt. Nun diente der edle Nussbaumtisch zum letzten Mal beim Bücherstuben-Café, das eine feste Einrichtung war, und zuletzt als Abschieds-Geschenke-Tisch.

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Tisch mit Lampe, an der Max Frisch seinen Kopf stieß

Eine liebevoll gestaltete Ecke gab es für Kinder. Ein Mädchen nahm Abschied vom grossen Bären, der sicher noch nicht weiss, wo er bleiben wird.

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Monika Steinkopf hat sich entschlossen, sich nach 57 Jahren im Beruf, davon 36 Jahren in der Berger Bücherstube, aus dem Geschäftsbetrieb zurückzuziehen. Der Arbeitsalltag von Selbständigen kennt keine geregelte Arbeitszeit. Siebeneinhalb Stunden war ihr Buchladen geöffnet, am Abend und an Wochenenden folgten die notwendigen Schreib- und Verwaltungsarbeiten und die Gespräche mit den Autoren, mit den Künstlern, die die „Poetischen Blätter“, die Künstlergrafiken schufen. Ausserdem war sie Dozentin an der Buchhändlerschule in Frankfurt-Seckbach und ist Mitglied der Jury, die die Stadtschreiber(innen) kürt. Jemand nannte sie einmal „das Scharnier zwischen Bürgern und ‚ihren‘ Schriftstellern“. Wenig Urlaub konnte sie sich gönnen. Das wird sie nun nachholen. Sie freut sich zunächst auf Berlin, wo sie Freunde und Schriftsteller treffen wird.

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Die gebürtige Hamburgerin, die bald 77 Jahre alt wird, kam 1976 nach Frankfurt und eröffnete 1978 in Bergen-Enkheim, das ein Jahr zuvor nach Frankfurt eingemeindet worden war, die Berger Bücherstube. Bereits 1974 war der Stadtschreiberpreis ins Leben gerufen worden, der erste seiner Art in Deutschland. Monika Steinkopf wurde zum Motor der Berger Stadtschreiber-Aktivitäten und regte 2009 die Gründung eines Stadtschreiberarchivs an.

„Lest, um zu leben“: Flauberts Satz, den der zweite Stadtschreiber Karl Krolow 1976 den Berger Bürgern im Festzelt zurief, war das Motto der Berger Bücherstube. Nun schliesst sie für immer, aber ihr Motto wird weiterhin beherzigt werden.

Allerdings: Das „Scharnier zwischen Bürgern und ‚ihren‘ Schriftstellern“ wird fehlen.

Fotos: Renate Feyerbacher

→ “Der Schönste Preis”: 40 Jahre Stadtschreiber von Bergen

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