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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

200 Jahre Städel (4) – Ein Juwel auf Zeit im Städel: Ein Bild, das Geschichte machte

Ein Juwel auf Zeit im Städel: Ein Bild, das Geschichte machte

Von Petra Kammann

Eine Leihgabe aus dem Pariser Museum der Impressionisten, dem Musée d’Orsay, empfinde ich in der Städel-Jubiläumsausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ als ganz besonderes Geburtstagsgeschenk: „Das Hôtel des Roches Noires in Trouville“ von Claude Monet. Ein Hauch von Sommer weht durch das unbeschwert-heitere Bild, das Monet am Strand von Trouville gemalt hat. Das Haus selbst war ein beliebter Treffpunkt der „besseren“ Pariser Gesellschaft.

Der französische Maler gibt uns in seinem Plein Air-Gemälde einen Einblick in das, was die moderne Freizeitgesellschaft ausmacht. Die Pariser Hautevolee hatte das idyllische Fischerdorf und beliebte Künstlermotiv zu Beginn des Zweiten Kaiserreichs entdeckt. Mit dem technischen Fortschritt brachten die dampfenden Züge die Touristen aus der Großstadt Paris an die Côte Fleurie der Normandie.

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Claude Monet: Das Hôtel des Roches Noires in Trouville, 1870; Musée d`Orsay, Paris. Foto: bpk | RMN – Grand Palais | Hervé Lewandowski © Musée d`Orsay, Paris, donation de Jacques Laroche, 1947; in der Ausstellung des Städel Museums „Monet und die Geburt des Impressionismus“

Die pompös neoklassizistische Fassade des 1865 erbauten „Hôtel des Roches Noires“ im mondänen Badeort scheint lediglich aus besonnten Paneelen zu bestehen. In heller Sommerkleidung flanieren die Menschen sorglos am Strand entlang. Hier verbringt der frischverheiratete Claude Monet die Flitterwochen mit seiner jungen Frau Camille Doncieux. Auch wenn die französische Trikolore weht, so spüren wir nichts von der nationalgestimmten politischen Lage, in der sich Frankreich befindet. Monets kühn und schnell dahingepinseltes Gemälde suggeriert vielmehr den Eindruck, dass sich die Fahnen bewegen und der Himmel von den verschwommenen Umrissen der ziehenden Wolken belebt wird.

Mit dem Hochformat, das für eine Landschaftsdarstellung höchst ungewöhnlich ist, betont Monet den „Kontrast zwischen der Standfestigkeit der Figuren auf der unteren Bildhälfte“ und der „Unbeständigkeit der Elemente im oberen Teil“ (Musée d’Orsay), während die Fahne im Vordergrund durch den freien Duktus der rot-weißen Streifen eine ganz besondere Dynamik entwickelt. Alles ist in Bewegung. Im Juli 1870 bricht dann der Deutsch-Französische Krieg aus. Doch nichts deutet konkret darauf hin. Stattdessen malten Claude Monet und Eugène Boudin an der Côte Fleurie und begründeten damit den Impressionismus.

Monets Gemälde vom „Hôtel des Roches noires in Trouville“ blieb auch nicht ohne Wirkung auf die Dichter. Aus dem Grandhotel wurde ein Kultort. So wird es häufig mit Marcel Proust in Verbindung gebracht, selbst wenn die von Monet dargestellte Gesellschaft um eine Generation älter war als die des Schriftstellers. Proust weilte 1893 hier mit seiner Mutter. Aber es diente in seinem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ als eines der Vorbilder für das berühmte Hotel in Prousts „Balbec“.

1939 wurde das einstige Prachthotel als Hospital der französischen Armee benutzt und von der deutschen Armee besetzt. Nach dem Krieg diente es bis 1959 dann wieder als Hotel und wurde dann in Appartements umgewandelt. Die französische Schriftstellerin Marguerite Duras, die das Appartement 105, in dem auch einst Proust gewohnt hatte, 1963 kaufte, wohnte dort bis zu ihrem Tod. Sie verwendete es als Motiv in ihren Filmen. Von ihrem Balkon aus konnte sie das Meer sehen. An die berühmte Besitzerin erinnert heute nur noch eine Gedenktafel auf der Straßenseite des ehemaligen Hotels: „Das Meer betrachten heißt das Leben betrachten“.

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