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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

200 Jahre Städel (1) Das Paradiesgärtlein

Petra Kammann stellt ihre ganz persönlichen Schätze im Städel vor

Es ist ein kleines Bild, kaum größer als ein DIN A 4-Blatt, das mich wieder und wieder in seinen Bann zieht, wenn ich das Städel besuche. Es tröstet mich, wenn ich darüber sinniere, dass Nichts zu Nichts mehr in meinem Leben zu passen scheint. Es verkörpert in seiner Heiterkeit für mich die Anmut pur und das schiere irdische Glück, besonders vielleicht in diesen Tagen, wo der Friede an den verschiedensten Stellen der Erde eher bedroht ist. Es ist ein offenes Paradies, in dem sich Menschen in einer Mauerecke, geschützt gegen eine feindliche Außenwelt zusammenfinden. Nur der Baum mit den „Vögeln des Himmels“ überragt die hohe gezackte Mauer, die zu einer Seite hin nicht abgeschlossen ist. Das Gemälde zeigt eine lesende Gottesmutter samt Jesususkind, das auf einem Psalter spielt, umgeben von einem Engel und mehreren Heiligen in einem Garten, welcher durch eine detailreiche Tier- und Pflanzendarstellung belebt ist.

Paradiesgärtlein-650

Oberrheinischer Meister, Das Paradiesgärtlein, um 1410-1420, Mischtechnik auf Eichenholz, 26,3 x 33,4 cm, Städelsches Kunstinstitut in Frankfurt am Main, Foto: © Städel Museum – ARTOTHEK

Pflanzen, Tiere und Menschen sind lebendig hier auf kleinstem Raum versammelt in – so scheint’s – schierer Harmonie und wunderbar leuchtender Farbigkeit. Die Blumen blühen in vollster Pracht auf dem Rasen und entlang der Mauern: Lilien und Rosen, Schwertlilien, Nelken, Levkojen, Akelei, Pfingstrosen und Himmelsschlüsselchen. In diesem Schutzraum wird gelesen, gesungen und Zither gespielt. Eine weibliche Gestalt in wehendem Gewand pflückt Kirschen, eine andere schöpft Wasser aus dem klaren Brunnen. Alle sind beschäftigt, scheinen frei von irdischen Bedürfnissen, müssen nicht mühselige Arbeit verrichten. Die geneigte Kopfhaltung der meisten anwesenden Gestalten deutet aber darauf hin, dass sie Gedanken nachhängen. Die Vögel zwitschern, Libellen und Schmetterlinge flattern in federnder Leichtigkeit durch das Bild. Das fast unsichtbare kleine Teufelchen, der schwarze Affe, sitzt zu Füßen eines jungen Ritters und eines entspannt nachdenklichen Engels mit seinem farbig-schillernden Gefieder. Das Paradies ist erfüllt von den kleinen Freuden und wirkt auch ohne die religiösen Bezüge, die es – typisch für die Entstehungszeit – zweifellos gibt. Die unverfälschten Grundfarben rot, blau und gelb dominieren das Bild. Über der Szenerie strahlt ein wolkenlos blauer Himmel. Die feindliche Außenwelt ist ausgespart. Alles erscheint ganz irdisch und präzise, und doch liegt über dem Paradiesgärtlein eine entrückte Atmosphäre. “Wie schön es doch sein könnte …” Ausgang aus dem Paradies – offen.

→  200 Jahre Städel (2)
Petra Kammann stellt ihre ganz persönlichen Schätze im Städel vor

→  200 Jahre Städel-Stiftung – Städel Museum Frankfurt am Main

 

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