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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Kunstmesse Frankfurt 2015 – nicht Top, nicht Flop

Von Erhard Metz

Hallo hergehört und hergesehen, Multimillionäre und Playboys, hier gibt’s Spielzeug für euch und eure Mädels zu kaufen, neben anderen automobilistischen Leckereien sogar den „Dienstwagen“ der unglücklichen Frankfurter Halbwelt-Ikone Rosemarie Nitribitt, einen 190 SL alter Tage! Was diese Fahrzeuge auf einer nach Jahren von Tristesse, Siechtum und schliesslichem Tod neu aus der Taufe gehobenen „Kunstmesse Frankfurt“ zu suchen haben, wird sich kaum jemandem erschliessen, vielleicht noch nicht einmal dem anvisierten Käuferkreis, der geneigt ist, für solch ein Fahrzeug hoch Sechsstelliges auf den Grossgeld gewohnten Tisch des Händlers Bechtel Classic Motors hinzublättern. Denn Hand aufs Herz: Wer seiner Begierde nach derartigen Luxus-Oldtimern erliegt, reist doch im ernst nicht zur Frankfurter Kunstmesse, sondern gleich zum automobilen Glückstempel in Böblingen!

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Nicht der Nitribitt-Wagen, aber genauso schön

Ebenso wenig braucht eine „Kunstmesse“ Möbel-, Orientteppich-, Porzellangeschirr- oder Kristallgläser-Präsentationen, denn „Kunst“ sollte hier – allein schon in Abgrenzung zur schieren Unzahl der rund ums Jahr allgegenwärtigen „Kunst- und Antikmärkte“ wie zum einschlägigen Rundumkomplettangebot der Auktionshäuser – doch immer noch als „bildende Kunst“ verstanden werden.

Das diesjährige, sozusagen ganzheitliche Konzept der Messechefs – aus Antike, Alter Kunst, Klassischer Moderne, aussereuropäischer und zeitgenössischer Kunst einschliesslich des soeben benannten Unzugehörigem – sah das anders und erntete dafür Prügel und Häme der Frankfurter Presse. „Gehobener Trödelmarkt“ titelte es am Montag in der FAZ. Bereits in der FAS vom Vortag („Flohmarkt für den gehobenen … Geschmack“) setzte sich der gleiche Autor bei vielen Ausstellern in die Nesseln, die sich fragten: War er denn überhaupt in der Messehalle? Sollte ihm dabei entgangen sein, dass es sich bei der „Hundertschaft“ ausgestellter Skulpturen des Künstlers und Mitglieds von Jury und Beirat Ottmar Hörl um Goethe- und eben nicht, wie fälschlich geschrieben stand, um Wagner-Figuren handelt? Und heisst nicht jener prominente Künstler Roy Lichtenstein und nicht – wie in dem Beitrag wiederholt zu lesen war – „Roy Liechtenstein“? Und wie steht es um den Artikel einer nicht minder bekannten Autorin in der FR, wenn sie in ihrem Totalverriss – auch sie sah übrigens statt Goethe- nur „bunte Richard-Wagner-Figuren“ (!) – meint präpotent feststellen zu können: „Eine Ahnung hat man bereits nach wenigen Minuten. Nach spätestens einer halben Stunde weiss man: Die Sache ist missglückt“? Bei rund 60 Ausstellern und weit über 300 Künstlerinnen und Künstlern? Die Verärgerung vieler Aussteller und Galeristen über solch Oberflächlichkeit und Schmähkritik war verständlicher Weise gross.

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Merkwürdig: FAZ und Frankfurter Rundschau sahen in der Messehalle nur „Wagners“ statt „Goethes“! © VG Bild-Kunst, Bonn

Frankfurt am Main ist – wenngleich nicht gerade „die“ weltweite Kunstmetropole – so doch eine im internationalen Konzert gewichtig mitspielende Stadt der Kunst. Liegt es deshalb fern, hier die Idee einer Kunstmesse zu reanimieren? Sicher nicht! Und gerade eine solche Messe – in Nachbarschaft zu den allfällig gelobten Künstlerschmieden Städelschule und Hochschule für Gestaltung Offenbach HfG – könnte insoweit einen besonderen Akzent setzen: als ein angemessenes Forum eben gerade auch für die Absolventen jener Hochschulen.

Einen solchen willkommenen Akzent auf der Messe setzte deren Ko-Direktor und Künstler Eric Beuerle de Castro vom Kunstraum Dreieich (in Partnerschaft mit der Galerie Younique in Paris): Neben eigenen und Arbeiten von Margret Wibmer fanden wir dort grosszügig präsentiert Werke von Nicola Barth (Goethe-Universität), Sandra Mann (HfG Offenbach), Manfred Peckl (Städelschule) und Marcus Sendlinger (HfG).

Ein ästhetischer Leckerbissen war die reduzierte, ja minimalistische „White Cube“-Präsentation von Jürgen Georg Wolfstädter / Galerie WOLFSTÆDTER mit neuesten Arbeiten unter anderem von Xue Liu (HfG und Städelschule).

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Xue Liu, Hugging, 2014, Öl auf Leinwand, 100 x 100 cm

Andreas Greulich von der Galerie Greulich wartete mit bemerkenswerten Arbeiten von Tjark Ihmels (HGB Leipzig, Professor an der Hochschule Mainz) auf – die sehenswerte Ausstellung in der Fahrgasse läuft noch bis zum 19. Februar 2015.

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Der Künstler vor seiner Arbeit „Mondspaziergang“ aus dem Jahr 2014; Werk © VG Bild-Kunst, Bonn

Aus dem Kreis der rund vierzig Frankfurter Galerien der „bildenden Kunst“ waren darüber hinaus nur wenige vertreten, unter ihnen Arte Giani, Ulrich Gering oder der KunstRaum Bernusstrasse. Katalogverzeichnis und Realpräsenz stimmten ohnehin nicht überein.

Weit mehr als ein „Knüller“ und „Hammer“ war der grossflächige Auftritt des „Off space“-Kunstvereins Familie Montez, den die Messeleitung ausdrücklich eingeladen hatte. Hoffentlich geschah dies nicht nur, um „die Halle voll[zu]kriegen“ (um den schmähenden O-Ton der FR aufzugreifen). Vielleicht ist zumindest einigen wenigen, über den Tellerrand des reinen Messe-Kommerzes Hinausblickenden hoffentlich klar geworden, wie sehr in ein neues Frankfurter Kunstmesse-Konzept die regionalen Eigen- und Besonderheiten und damit auch die „Off space“-Kunst gerade des Rhein-Main-Gebietes einbezogen gehören. Wo – bitteschön – finden sich denn die spannenden, innovativen wie zu Kontroversen herausfordernden Arbeiten der Städel- und HfG-Schüler – etwa in der sinnlos überbewerteten wie überbezahlten „Kunsthandelskunst“?

Ebenso wichtig war die Präsentation des Frankfurter Vereins für Künstlerhilfe auf der Messe, dessen Vorstand, Kuratorium und Ehrenmitgliedschaft um die Förderung der Kunst bemühte, namhafte Frankfurter Persönlichkeiten angehören wie unter anderen die Professoren Jean-Christoph Ammann, Klaus Gallwitz oder Hilmar Hoffmann.

Ammann und Gallwitz gehören Beirat und Jury der diesjährigen neuen Frankfurter Kunstmesse an. Die pauschale Presseschelte, die auch sie bezogen, war zwar gegenüber Auto-Oldtimern, Auktionshausware und „Kunsthandelskunst“ durchaus berechtigt, was Montez, Künstlerhilfe und die wenigen engagiert ausstellenden Frankfurter Galerien anbetrifft jedoch allzu undifferenziert und deshalb unqualifiziert.

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(v.l.) Familie Montez-Chef Mirek Macke mit den Montez-Künstlern Christoph von Loew und Sascha Boldt

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Immer – auch am tristen Montagnachmittag der Messe – mit Leben gefüllt: Familie Montez-Stand

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Montez-Künstlerin Mrs. Velvet G. Oldmine mit ihrem Strickkunstwerk „433 – Was geschieht, wenn nichts geschieht. All art is equal“ aus den Jahren 2011 bis 2014, zum Teil in den Räumen des New Yorker MoMa entstanden

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Die Präsentation des Frankfurter Vereins für Künstlerhilfe auf der Messe – links deren Vorstandsvorsitzender Harald Meyer, rechts Vorstandsmitglied Professor Andreas Bee, im Hintergrund ein Werk von HfG-Professor Martin Liebscher

Am Montag, dem vorletzten Ausstellungstag, machte sich am Nachmittag viel Enttäuschung breit mit dem flapsigen Spruch „die Messe ist gelesen“. Die Messeleitung – an deren Spitze Geschäftsführer Manfred Möller mit den Direktoren Wolf Krey und Eric Beuerle de Castro – will indes nicht resignieren und im nächsten Jahr einen neuen Anlauf unternehmen.

Und das ist gut so!

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Freude (oben) und und Enttäuschung (unten) bei den Ausstellern

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Schöne Hallen-Szenerien, aber wenig Publikum

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Fotos: Erhard Metz

→ Kunstmesse „Discovery Art Fair“ in Frankfurt am Main

 

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