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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Sehnsucht“: Rafael Herlich in der Frankfurter Heussenstamm-Galerie

Subtile Fotografien auf der Suche nach dem Schicksal der Familie

Von Erhard Metz

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Rafael Herlich, Foto: Erhard Metz

Es ist eine sehr persönliche Geschichte, die uns Rafael Herlich in den Fotografien seiner Ausstellung erzählt, eben seine Geschichte, die aber zugleich auch ein Stück die unsrige und die der Menschheit ist. Die Mitglieder seiner Familie wurden in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern in Polen ermordet, einzig sein Vater überlebte das Lager Auschwitz-Birkenau.

Herlich, 1954 in Tel Aviv geboren, zog es im Alter von 21 Jahren nach Europa, um die Geschichte seiner Familie und besonders seines Vaters zu ergründen. 1975 siedelte er sich in Frankfurt am Main an, er heiratete, ist Vater dreier Kinder und ein weit über die Stadt hinaus bekannter und angesehener Fotograf. Aber es blieb die Sehnsucht – die Sehnsucht aufzuklären und das Schicksal der Ermordeten zu erfahren. In drei Reisen begab er sich auf Spurensuche in Polen, auch in den Gedenkstätten des nationalsozialistischen Grauens. Und machte dort eine neue Erfahrung: Jüdisches Leben blüht wieder auf.

Auf diesen Reisen fotografierte Rafael Herlich Menschen jüdischen Glaubens sowie meist junge Besucher der heutigen Gedenkstätten. Der Intensität der grossformatigen Fotografien wird sich kaum ein Betrachter entziehen können. Wir lassen diese Bilder und die jeweiligen Texte, die Herlich zu ihnen formulierte, für sich selbst sprechen.

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↑ „Erinnern und nicht vergessen“, eine junge Frau blickt auf das Konzentrationslager Majdanek, einen Vorort von Lublin

↓ Vier Jugendliche sind erschüttert nach dem Besuch des Krematoriums im Konzentrationslager Majdanek. Im Hintergrund ist die Nähe zur Stadt Lublin zu erkennen

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↑ Ein erhaltenes Wohnhaus aus dem Warschauer Ghetto mit Porträtbildern von ehemaligen jüdischen Mitbürgern aus Warschau

↓ Das Denkmal von Papst Johannes Paul II. blickt auf eines der erhaltenen Wohnhäuser des Warschauer Ghettos

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„Während und in Folge des Nationalsozialismus wurde eine Reihe von Stiftungen jüdischer Stiftungsgründer in die Heussenstamm-Stiftung eingegliedert“, ruft Galerie-Chefin und Stiftungsgeschäftsführerin Dagmar Priepke in ihrer Begrüssungsansprache zur Eröffnung der Ausstellung in Erinnerung. „Die Heussenstamm-Stiftung ist somit auch die Dr. Med. Ernst-Asch-Stiftung, die Mary und Wilhelm-Hill-Stiftung, die Heimarbeiter-Stiftung der Eheleute Franziska und Georg Speyer und die Peter Wilhelm Müller-Stiftung. Wir sehen heute unsere Verantwortung, das geschehene Unrecht zu benennen, uns zu erinnern und Sorge zu tragen, dass die gerade in der Stadt Frankfurt so traditionsreiche jüdische Kultur in der Arbeit auch dieser Stiftung sichtbar gemacht und weitergetragen wird.“

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Ein Überlebender vom Warschauer Ghetto betet in der Synagoge von Beit Warszawa. Er trägt die Kippa, die jüdische Kopfbedeckung, und eine Davidsternkette, das Symbol für das Judentum

Uwe Becker, Stadtkämmerer und Dezernent für kirchliche Angelegenheiten, der am Eröffnungsabend die Laudatio hielt, führte unter anderem aus: „Zur Erinnerung trägt der Künstler Rafael Herlich auf einzigartige Weise bei. Seine Bilder aus Polen verbinden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie machen die Geschichte greifbar, auch für die Generationen, die selbst keine Verbindung mehr zu der schrecklichen Zeit des Nationalsozialismus haben.“

Eröffnung

Ausstellungseröffnung mit Rafael Herlich, Dagmar Priepke und Stadtkämmerer Uwe Becker, Fotos: FeuilletonFrankfurt

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↑ Ein Moment der Stille und Nachdenklichkeit am Bahngleis in das Konzentrationslager Auschwitz

↓ Anlässlich des „March of the Living 2014“ zündet eine junge Frau eine Gedenkkerze am Gleis an. Es ist ein jährliches Erziehungsprogramm, das Schüler und Studenten aus der ganzen Welt nach Polen bringt, um die Geschichte des Holocaust zu studieren und die Wurzeln von Vorurteilen, Intoleranz und Hass zu untersuchen. Der 3-Kilometer-Marsch von Auschwitz nach Birkenau stellt eine Erinnerung an alle Opfer des Holocaust und deren Nachkommen dar

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↑ Eine Auschwitz-Überlebende aus den USA wird von ihren Enkelinnen auf die Reise in ihre Vergangenheit begleitet. Die Verbundenheit über die Generationen hinweg ist stark und deutlich sichtbar

↓ Die jüdische Schule Lauder-Morasha in Warschau zeigt den Neubeginn in den polnisch-jüdischen Beziehungen. Neben den üblichen Unterrichtsfächern wie Mathematik und Polnisch findet der Hebräischunterricht statt. Ferner wird jüdische Geschichte und Kultur vermittelt und die jüdischen Feiertage werden eingehalten. Wegen der Schabbatruhe ist samstags schulfrei

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Rafael Herlich lebt sein 1975 als Fotojournalist und Dokumentarfotograf in Frankfurt am Main. Er arbeitet unter anderem für die Wochenzeitung Jüdische Allgemeine und für die Jüdische Gemeindezeitung Frankfurt. 2009 erschien sein erster Foto-Bildband „Weiterleben – Weitergeben: Jüdisches Leben in Deutschland“. Mit zahlreichen Projektveranstaltungen an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen setzt er sich für den Dialog der Religionen, für gegenseitige Achtung und Toleranz ein.

Zur Ausstellung erschien jetzt Rafael Herlichs neuer Bildband „SEHNSUCHT“ mit den Abbildungen der rund 40 Fotografien dieser eindringlichen Schau.

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Die Sehnsucht nach den ermordeten Familienngehörigen sitzt tief und bleibt über die Generationen hinweg bestehen. Die Erinnerung an sie schliesst Wunden. Zurück bleiben Narben

Rafael Herlich „Sehnsucht“, Heussenstamm-Galerie, bis 27. Februar 2015

Fotografische Werke und Bildtexte © Rafael Herlich




Gedenktag 27. Januar 2015:
70. Jahrestag der Befreiung des
Konzentrationslagers Auschwitz

 

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