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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Richtfest für das Historische Museum Frankfurt

Impressionen von der Grossbaustelle –
Ausblick auf das neue Museumsquartier:
Ein Bilderbogen

Von Erhard Metz

An Richtfesten im vor allem durch Abriss- und Umbauwut gekennzeichneten Zentrum von Frankfurt am Main fehlte es sicherlich nicht im zu Ende gegangenen Jahr 2014, aber zwei dieser Feierlichkeiten kommt eine besondere kultur- und stadtgeschichtliche Bedeutung zu: dem Richtfest für das Stadthaus in der „neuen Altstadt“ Mitte Oktober und insbesondere – kurz vor den Weihnachtsfeiertagen am 17. Dezember und damit genau ein Jahr nach der Grundsteinlegung – für den Erweiterungsbau des Historischen Museums der erstmals 794 in einer Urkunde Karls des Grossen namentlich erwähnten Stadt, für deren Kernfläche bereits eine jungsteinzeitliche Besiedelung nachgewiesen ist.

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Trotzten beim Richtfest Nässe und Kälte: Oberbürgermeister Peter Feldmann, Bürgermeister Olaf Cunitz, Kulturdezernent Professor Felix Semmelroth (verdeckt) und Museumschef Jan Gerchow

Mächtig schallte bei Regen und gefühlter 0-Grad-Temperatur der in Versform gesprochene Richtspruch über die Baustelle, vorgetragen von einem stimmgewaltigen Zimmerer- und Betonbaumeister in der traditionellen schwarzen Kluft: breitkrempiger Schlapphut und Staude (kragenloses weisses Hemd), Weste mit acht weissen Perlmuttknöpfen (für den achtstündigen Arbeitstag), Zunfthose und -jackett aus Manchester, letzteres mit sechs weissen Perlmuttknöpfen (für die 6 Tage-Arbeitswoche oder auch die jeweils drei Lehr- und Wanderjahre vor dem „Meister“), Zunftkette mit Zunft- und Städtewappen, Zimmererwappen auf dem Koppelschloss.

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Im Mittelpunkt des Medieninteresses standen Museumsdirektor Jan Gerchow und Professor Arno Lederer, Seniorchef von „Lederer+Ragnarsdóttir+Oei“, der mit dem Erweiterungsbau betrauten Architektengemeinschaft. Ein nach der Grundsteinlegung weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem modernen Stadtmuseum war erreicht.

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Jan Gerchow (oben) und Arno Lederer

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„Durch den Neubau erhält Frankfurt unmittelbar in seinem Herzen einen attraktiven und ausgesprochen zentralen Anziehungspunkt für Frankfurter und Frankfurterinnen, aber auch für Menschen aus aller Welt, die Auskunft über Frankfurts Geschichte erhalten möchten“, sagte Bürgermeister Olaf Cunitz. „In einem Gebäude, das sicher schon bald nach Fertigstellung an dieser Stelle als vertraut und geradezu selbstverständlich empfunden werden wird.“ Und Kulturdezernent Felix Semmelroth hob hervor: „Durch die inhaltliche Neukonzeption in Verbindung mit der Architektur, die sich am historischen Umfeld orientiert, entsteht ein einzigartiges kulturelles und bauliches Ensemble. Die Präsentation von Stadtgeschichte bis hin zu grossen europäischen Themen wird dazu führen, dass das Historische Museum bei den Besucherinnen und Besuchern zu einer Attraktion des Museumsufers wird“.

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Die staufische Kaimauer; Foto © Stadt Frankfurt am Main

Er sorgte im Sommer 2012 für Umplanungen und eine rund einjährige Bauverzögerung: der sensationelle Fund der auf eine Strecke von 20 Metern überaus gut erhaltenen staufischen Kaimauer. Untersuchungen wiesen aus, dass das Eichenholz des Balkens, an dem einst Schiffe der Händler wie auch von Königen und derem Gefolge festmachten, in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts gefällt wurde. Der auch im Blick auf die anderen europäischen Fluss-Städte einzigartige „Hafenfund“ wird in den Ausstellungsbereich des Museums integriert.

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Modell des künftigen Museumsquartiers in der zum Richtfest illuminierten Rohbauhalle: (oben) im Vordergrund das renovierte Altbauensemble des Saalhofs am Mainufer (v.l.): Wach- und Zollgebäude (2. Hälfte 19. Jh.), Rententurm (1454-1456), Bernusbau (1714-1717) und Burnitzbau (1842-1843)

(unten) Freitreppe und Museumsplatz mit (links) dem doppelgiebeligen Ausstellungshaus und (rechts) dem den historischen Saalbaukomplex ergänzenden neuen Anbau; die beiden Hälften des Museumsquartiers werden unter dem erhöhten Museumsplatz mit einem darunter liegenden Hofgeschoss verbunden

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Der beidseitig von den Neubaufassaden begrenzte Museumsplatz erlaubt in der Ost-West-Achse einen Durchblick auf den Stauferbau mit der Saalhofkapelle, dem ältesten aufrecht stehenden Gebäude Frankfurts, und in umgekehrter Richtung auf das Haus Wertheym, dessen Ursprünge auf das 15. Jahrhundert zurückgehen und das als einziges Fachwerkhaus der Altstadt unbeschädigt erhalten blieb. Die Fassaden der Neubauten werden in dem für Frankfurt typischen Mainsandstein und in hoher handwerklicher Qualität ausgeführt und bilden mit ihren Nischen einen Teil des Ausstellungsraums; vorgesehen ist, sie mit grossformatigen Spolien auszustatten. Die Satteldächer schliesslich werden mit Naturschiefer eingedeckt und korrespondieren damit den Bedachungen der Umgebungsbebauung sowie der historischen Altstadt-Grossbauten wie Römer, Dom oder Karmeliterkloster.

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Die komplexe Konstruktion des Doppelgiebeldachs mit den Lichteintrittsflächen; aus einer langen Fensterreihe schaut der Besucher auf die historisierende Elemente aufgreifende Bebauung der Saalgasse

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Der Neubau des doppelgiebeligen Ausstellungshauses lässt den Blick vom Römerberg auf den Rententurm und das Mainufer frei; es wird mittig einen verglasten „Ausguck“ erhalten

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Künftig wird der Blick aus dem Ausstellungshaus auf das besagte Haus Wertheym wie auch auf den – hier noch mit Weihnachtsmarktbuden besetzten – Römerberg und das historische Rathaus Römer gehen

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14_Visualisierung Ausstellungshaus vom Römer kommend (c) Stadt Frankfurt-650

Visualisierung des Ausstellungshauses vom Römer aus gesehen; Foto © Stadt Frankfurt am Main

Mit den Neubauten verdoppelt das Historische Museum seine Ausstellungsfläche auf über 6.000 qm und kann somit seinen Sammlungsbestand vielfältiger und zeitgemässer präsentieren. Dieser Bestand – es handelt sich um Gemälde, Graphiken, Fotografien, historische Bücher, Skulpturen, Münzen, Textilien, Musikinstrumente, Kunsthandwerk (Glas, Keramik, edle und unedle Metalle), Möbel und Zunftaltertümer sowie um Gegenstände der Alltags- und Technikgeschichte – umfasst rund 630.000 Objekte aus zwei Jahrtausenden überwiegend Frankfurter Geschichte. In den Räumen werden das Stadtlabor und das Kindermuseum ebenso Platz finden wie zwei grosszügige Foyers in Verbindung mit einem Auditorium und einer ansprechenden Gastronomie. Die Gesamtkosten werden sich zusammen mit dem Abbruch des alten Betonbaus aus den 1960er Jahren und einschliesslich der Museugrafie auf rund 51 Millionen Euro belaufen. Seinen regulären Betrieb aufnehmen soll das Museum im Frühjahr 2017.

Unter der administrativen Leitung des Historischen Museums – es firmiert als „historisches museum frankfurt“ (hmf) – sind das „kinder museum frankfurt“, das „caricatura museum frankfurt“ (im historischen Leinwandhaus, einem der ältesten Profanbauten der Stadt) und das „porzellan museum frankfurt“ (im Kronberger Haus aus dem 16. Jahrhundert in Frankfurt-Höchst) als jeweils eigenständige Einrichtungen in einer Museumsfamilie vereint.

Fotos: Erhard Metz (12) und – besonders bezeichnet – Stadt Frankfurt am Main (2)

→ “Frankfurter Sammler und Stifter” im Historischen Museum
→ Aufbruch in die Zukunft: das Historische Museum Frankfurt

 

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