home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Kulturpreis der Ingrid zu Solms-Stiftung an die Dirigentin Eun Sun Kim

Feierliche Preisverleihung im Anschluss an die neunte Aufführung des Melodramma von Vincenzo Bellini „La Sonnambula“ in der Oper Frankfurt

eun_sun_kim_erhaelt_solms-kulturpreis_(wolfgang_runkel)_03-430

(v.l.) Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels, Vorsitzende der Ingrid zu Solms-Stiftung, Eun Sun Kim, Professorin Heike Allgayer, Vorsitzende des Ingrid zu Solms-Fellowship, Foto © Wolfgang Runkel

Von Erhard Metz

Es war ein in der Oper Frankfurt selten gesehenes und von Intendant Bernd Loebe ausnahmsweise gestattetes Ereignis: Zwei Herren trugen in den stürmischen Schlussapplaus zu „La Sonnambula“ von Vincenzo Bellini – Chor und Ensemble waren noch auf der Bühne versammelt – ein Stehpult nebst Mikrofon herein, und Eingeweihte wussten, was nun folgen sollte: Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels, Vorsitzende der nach ihrem Namen benannten Stiftung, überreichte der Dirigentin des Abends, Eun Sun Kim, den diesjährigen (mit 5000 Euro dotierten) Kulturpreis der ausschliesslich gemeinnützige und wissenschaftliche Zwecke verfolgenden Einrichtung.

Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre an hervorragende, von einer unabhängigen Jury gewählte Künstlerinnen verliehen, die Kriterien für den Preis sind „künstlerische Aussagekraft, die Hingabe an die Kunst und der Wille zur Vervollkommnung“.

Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels, promovierte Internistin und Psychotherapeutin, gründete die Stiftung 1993/1994 zunächst für Wissenschaftlerinnen in der Medizin. In den folgenden Jahren erweiterte sie den Stiftungszweck um die Auszeichnung berufstätiger, hochbegabter, hochleistungsfähiger, kreativer Frauen, die in für Frauen seltenen Berufen tätig sind, um deren Leistungen öffentlich zu machen und andere Frauen für Vergleichbares zu motivieren.

Heute verleiht die Stiftung Auszeichnungen in den Bereichen Wissenschaft (Medizin sowie Natur-, Lebens- und Ingenieurs-Wissenschaften), Menschenrechte (und Völkerverständigung), Jugend, Kinder und Frauen (Kinder- und Jugendfürsorge einschliesslich eines Förderstipendiums für junge Mädchen) und, wie bereits genannt, Kunst und Kultur (seit 2003 wird alle zwei Jahre an eine junge Cellistin ein Cello-Preis mittels der Kronberg Academy als Ingrid zu Solms-Kulturpreis im Wechsel mit dem Landgraf v. Hessen-Preis vergeben). Preisträgerinnen waren in diesem Bereich bislang die Cellistinnen Natalie Clein, Kaori Yamagami, Eun-Sun Hong und San-Eun Lee, die Komponistin Isabel Mundry, die Dirigentin Shi-Yeon Sung und die „Composer in Residence“ Belma Beslic-Gál.

„Sie haben sich“, so Gräfin zu Solms-Wildenfels in ihrer Laudatio, „in einem Berufszweig, der zu denen gehört, welche für Frauen selten sind und deren höhere Positionen schwer zu erobern sind, nicht nur bewiesen, sondern auch etabliert. Darin sind Sie wegweisend für andere Frauen! Ihre künstlerische und menschliche Ausstrahlung ist uns neben der hervorragenden musikalischen Arbeit und musikalischen Expertise zusätzlich ausschlaggebend gewesen“.

Im Anschluss an die Preisverleihung nahm Professorin Heike Allgayer, Vorsitzende des Ingrid zu Solms-Fellowship und 2003 selbst Trägerin des Preises für Medizin, Eun Sun Kim als Fellow in dieses berufs- und karriereorientierte Netzwerk von hochqualifizierten Frauen auf, die sämtlich Preisträgerin der Stiftung sind. Allgayer promovierte in München und ein weiteres Mal am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas. Nach ihrer Habilitation in experimenteller Chirurgie folgte sie 2004 dem Ruf der Universität Heidelberg auf eine Professur für translationale Forschung. Sie leitet zusätzlich die Kooperationseinheit „molekulare Onkologie solider Tumoren“ am Deutschen Krebsforschungszentrum.

Die in Seoul geborene Dirigentin Eun Sun Kim studierte Komposition und Dirigieren in ihrer Heimatstadt und ab 2005 Dirigieren in Stuttgart. 2007 wurde sie in das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats aufgenommen. Sie war Erste Preisträgerin des Internationalen Jesús López Cobos Opera Conducting-Wettbewerbs. Von 2008 bis 2010 arbeitete sie am Teatro Real Madrid als Assistant conductor.

002-2-Eun Sun Kim-400

Eun Sun Kim bei „Oper extra“ in Frankfurt am Main; Foto Renate Feyerbacher

In der Saison 2014/2015 leitet Eun Sun Kim an der Oper Frankfurt neben „La Sonnambula“ von Vincenzo Bellini auch „Die Csárdásfürstin“ (konzertant) von Emmerich Kálmán sowie die diesjährigen Aufführungen von Giacomo Puccinis „La Bohème“: am 7. und 28. Februar, 19. März und 4. April 2015.

Mit „La Bohème“ gab sie auch 2012 ihr hiesiges Debüt. Im Sommer 2014 leitete sie zuletzt bei den Festspielen von Macerata „Tosca“; dem ging ihr Debüt mit „Die Fledermaus“ an der English National Opera London und die musikalische Leitung von „La Traviata“ an der Wiener Volksoper sowie an der Opéra Marseille voraus. Sie dirigierte im Auditorio Nacional Madrid das Orquesta Sinfónica de Madrid, am Teatro Real Gioachino Rossinis „Il viaggio a Reims“, an der Oper Graz „La Bohème“ und an der Wiener Volksoper „Carmen“. Zudem gastierte Eun Sun Kim beim Tongyeong International Music Festival in Korea und arbeitete in Konzerten mit den Philharmonischen Orchestern von Graz, Jena, Stuttgart und Ulm zusammen sowie in Marseille, Palermo und Nancy.

eun_sun_kim_erhaelt_solms-kulturpreis_(wolfgang_runkel)_02-600

Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels, Vorsitzende der Ingrid zu Solms-Stiftung, und Eun Sun Kim, Foto © Wolfgang Runkel

Nun ist Eun Sun Kim nicht die erste Dirigentin an der Oper Frankfurt: Die Britin Julia Jones, seit mehr als einem Jahrzehnt Gast an dem mehrfach als “Oper des Jahres” und “Orchester des Jahres” in Deutschland ausgezeichneten Haus, Träger des “International Opera Award” als international bestes Opernhaus 2013, dirigierte hier Opern und Singspiele von Wolfgang Amadeus Mozart wie „Così fan tutte“, „Idomeneo“, „Die Entführung aus dem Serail“, „La finta semplice“ und „Le nozze di Figaro“ ebenso wie „La damnation de Faust“ von Hector Berlioz.

Ein Wort noch zur (neunten) Aufführung des Melodramma „La Sonnambula“ an jenem 11. Januar 2015: Der Begeisterungssturm des Publikums über Brenda Raes „Amina“ wollte wieder einmal kaum ein Ende nehmen (einschliesslich des aus der Spielstätte Bockenheimer Depot bekannten Füssetrampelns). Überzeugend und gefeiert auch Louise Alder als gesanglich glänzende und schauspielerisch präsent-agile Lisa, die zur Premiere Ende November 2014 erkrankt war und an deren Stelle damals kurzfristig Catriona Smith einsprang. Nicht das einhundertprozentige Glück scheint die Oper indes mit der Besetzung der Rolle des Elvino zu haben: Konnte in der Premiere schon Stefan Pop nicht voll überzeugen (zu wenig Belcanto-Schmelz, etwas hölzern im Spiel), so wirkte jetzt Luciano Botelhos Tenor ein wenig eng, und auch er liess jenen „Schmelz“ vermissen, um in dieser ausgeprägten Belcanto-Oper ein gesanglich voll ebenbürtiger Partner von Brenda Rae, Louise Alder und dem erneut brillianten Kihwan Sim (Rodolfo) zu sein.

→ Preis für Menschenrechte der Ingrid zu Solms-Stiftung und Sonderpreis der Berner Stiftung

Comments are closed.