13. Integrationspreis der Stadt Frankfurt am Main
Einsatz für Vielfalt und Chancengleichheit, Menschlichkeit und Menschenrechte
Von Renate Feyerbacher
Die Europastadt Frankfurt am Main leistet sich einen eigenen Integrationspreis, der zwei Monate nach dem vom Land Hessen in Wiesbaden verliehenen Integrationspreis vergeben wurde. Das war Mitte Dezember 2014 – zum 13. Mal. Der Kaisersaal im Römer platzte aus den Nähten. Unter dem Publikum waren die 93-jährige Trude Simonsohn, Jazzlegende Emil Mangelsdorff und Bettina von Bethmann, Gründerin der Lazarus Wohnsitzlosenhilfe.
Bettina von Bethmann und Emil Mangelsdorff
Der mit insgesamt 15.000 Euro dotierte Preis wurden zu gleichen Teilen an drei Organisationen verteilt, und zusätzlich gab es einige Ehrungen. Zum siebten Mal übergab Stadträtin Nargess Eskandari-Grünberg, ehrenamtliche Integrations-Dezernentin, den Preis. Die Rede der promovierten Psychologin – sie leitet die DRK-Beratungsstelle für ältere Migrantinnen und Migranten – war engagiert und geradezu aufrüttelnd. Sie weiss, wovon sie redet. Sie selbst ist ein Flüchtling. Die in Teheran Geborene wurde mit 17 Jahren als Schülerin verhaftet und sass anderthalb Jahre im berüchtigten Evin-Gefängnis. 1985 konnte sie mit gefälschten Papieren im Alter von 20 Jahren schliesslich fliehen und gelangte nach Deutschland. „Ich bin Politikerin geworden, um für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie zu kämpfen“, sagte sie vor zwei Jahren in einem Gespräch mit der FAS. „Grenzen beginnen in unseren Köpfen … Integration ist ein Menschenrecht.“ Menschen aus 180 Nationen mit doppelt so vielen Sprachen leben in Frankfurt. Einwanderer gehören zu Frankfurt. Die internationale Stadt stellt sich dieser Realität.
Die FIM-Frauen
Ausgezeichnet wurde zum einen der Verein „FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht“. Er unterstützt seit 1980 Migrantinnen und ihre Familien aus Asien, Lateinamerika, Mittel- und Osteuropa in schwierigen Lebenssituationen. Wenn es die Frau will, wird auch der Mann eingebunden. FIM hilft Frauen, sich aus Gewaltbeziehungen zu befreien und eine eigenständige Lebensplanung aufzubauen, damit eine gesellschaftliche Eingliederung erfolgen kann. Das Team schützt und berät die Opfer von Menschenhandel. Es gibt Sprach- und Bildungsangebote für die Frauen. Seit 30 Jahren hat FIM das Vertrauen von Migrantinnen. Das interkulturelle Team ist fachlich und sprachlich kompetent: seine Beraterinnen sprechen neben Deutsch noch weitere zehn Sprachen.
Der zweite Preisträger, „Ora da!“ (zu deutsch: „dort“ oder „da“), ist ein Verein, der 2001 gegründet wurde, und zwar von der Migranten-Theatergruppe Günes. Er bietet Wissenschaftlern, Künstlern, Pädagogen und anderen Interessierten eine Plattform der gemeinsamen Zusammenarbeit im Gallusviertel, das einen hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund hat. Ein wichtiges Ziel ist, Kindern und Jugendlichen aus diesen Familien einen Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen sowie Berufsvorbereitungskurse für Jugendliche ab 14 Jahren anzubieten. Erwachsene und Senioren kommen im Bereich Bildung und Kultur auch auf ihre Kosten. Die Theater- und Musikproduktionen des Günes-Theaters und des Ensembles „Sonnige Lieder“ sind begehrt, werden auf Europa-Ebene gefördert und sind international unterwegs.
Die dritte Auszeichnung ging an die „Initiative Bildungspaten Fechenheim“, die Schülern mit ausländischen Wurzeln durch Sprachförderung hilft, ihre beruflichen Chancen zu verbessern. Die ehrenamtlichen Bildungspaten haben in den zwei Jahren ihrer Tätigkeit bereits 30 Kinder und Jugendliche unterstützt. Derzeit werden 50 Kinder nachmittags ausserschulisch gefördert. „Die Arbeit der Bildungspaten wird als ein gelungener Ansatz der Integrationsarbeit empfunden, da er Menschen verschiedener Hintergründe zueinander bringt“, heisst es in einem Presse-Papier der Stadt.
Kadim Tas
Zu den Empfängern der Ehrungen zählt Kadim Tas, der in Frankfurt die gemeinnützige Arbeitsgemeinschaft „Joblinge“ leitet. Deren Ziel ist es, sozial benachteiligte Jugendliche, deren Schulabschluss mässig oder sogar schlecht war und die folglich meist keinen Ausbildungsplatz finden, doch noch fit zu machen für einen Ausbildungsplatz. Das gelingt durch ein besonderes Schulungs-Konzept. Nicht nur den Jugendlichen, sondern auch den Unternehmen, die Fachkräfte suchen, wird dabei geholfen. „Indem er (Kadim Tas) systematisch Klischees und Diskriminierung entgegenarbeitet, fördert er die Integration Jugendlicher in die Frankfurter Stadtgemeinschaft.“
Eine Lobende Erwähnung und eine Ehrenurkunde erhielten auch Elisabeth Abendroth und Herbert Kramm-Abendroth, zwei stadtbekannte Persönlichkeiten.
Elisabeth Abendroth und Herbert Kramm-Abendroth am Rednerpult
Seit Jahrzehnten widmet sich das Ehepaar der Aufarbeitung der Nationalsozialistischen Geschichte. Die Sozialwissenschaftlerin, die viele Jahre im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst tätig war, und ihr Mann, Lehrer an der Liebigschule, engagieren sich gegen Diskriminierung jeglicher Art und unterstützen viele Projekte. Eng verbunden sind sie mit Amnesty International, deren Feier zum 50jährigen Bestehen Elisabeth Abendroth 2011 organisierte. Unermüdlich verschickt sie Mails, in denen sie auf weltweites Unrecht aufmerksam macht. Leidenschaftlich waren die Dankesreden der Eheleute, die zu mehr Engagement für Migranten und Flüchtlinge aufriefen.
Schriftstellerin Gila Lustiger (Tochter von Arno Lustiger, die aus Paris angereist war) und Trude Simonsohn; im Hintergrund Nargess Eskandari-Grünberg
Fremdenhass, Vorurteile gegenüber Flüchtlingen, Diskriminierung und Rassismus haben in den letzten Wochen in Deutschland zugenommen. Umso wichtiger ist der ehrenamtliche Einsatz von Menschen, die sich dagegen stemmen wie die Frauen von FIM, die Mitglieder von „Ora da“ aus dem Gallusviertel, die „Bildungspaten Fechenheim“ und die Empfänger der Ehrungen, Kadim Tas und das Ehepaar Abendroth-Kramm. Sie alle stärken das Zusammenleben der Bürger.
Fotos: Renate Feyerbacher
→ 14 Jahre Frankfurter Integrationspreis