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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Friedenskirche in Swidnica (Schweidnitz)

Die evangelische Kirche „Zur heiligen Dreifaltigkeit“ in Swidnica (Schweidnitz) ist mit den Kirchen in Jawor (Jauer) und in Glogów (Glogau) eine der drei sogenannten Friedenskirchen in Schlesien. Sie ist die gösste Fachwerkkirche in Europa und – ebenso wie die Kirche in Jawor – UNESCO-Weltkulturerbe.

Der Name „Friedenskirchen“ resultiert aus den im Westfälischen Frieden von 1648 in Münster und Osnabrück getroffenen Festlegungen zugunsten der in Schlesien ansässigen Protestanten. Bekanntlich beendete der Friedensschluss den Dreissigjährigen Krieg. Das Vertragswerk wurde zwischen Ferdinand III. (1608-1657), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, und Frankreich, Schweden sowie den Reichsständen geschlossen. Ferdinand III. war es, der nach der Rekatholisierung des überwiegend protestantischen Schlesien auf Druck Schwedens in den drei genannten Städten die Errichtung jeweils einer Kirche erlaubte, in denen die protestantischen Schlesier ihren Gottesdienst feiern konnten.

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Jan van den Hoecke (1611–1651): Kaiser Ferdinand III., Ölgemälde aus dem Jahr 1643; Bildnachweis: wikimedia commons

Die Bedingen für den Bau der drei Kirchen waren indes äusserst restriktiv: weder Stein noch Ziegel durften verwendet werden, sondern nur Fachwerk, Glockentürme waren (zunächst) verboten; sie durften nur ausserhalb der Stadtmauern und mussten innerhalb nur eines Jahres errichtet werden. Die älteste dieser Kirchen (1652 in Glogów gebaut) brannte 1758 nieder; die Kirchen in Jawor (1655) und in Swidnica (Schweidnitz, 1657) überstanden wie durch ein Wunder alle weiteren Wirren und Kriege. Ihre Ausmasse sind gewaltig: Die Friedenskirche in Jawor fasst 5500 Personen, die in Swidnica gar 7500.

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↑ Friedenskirche Schweidnitz (aus: Friedrich Bernhard Werner, Schlesische Bethäuser (1748-1752); Bildnachweis: wikimedia commons / SchiDD / CC

↓ UNESCO-Weltkulturerbe Friedenskirche Swidnica (Schweidnitz); Bildnachweis: wikimedia commons / Wisniowy / GFDL

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↑↓ Innenraum, Bildnachweis: wikimedia commons / Barbara Maliszewska / CC

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Blick zur Orgel, Bildnachweis: wikimedia commons / Piotr Miernikiewicz / CC

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Die Friedenskirche im Winter; Bildnachweis: Kosciol Pokoju w Swidnicy, Foto: Bòzena Pytel

Seit längerem unterstützt eine Initiative unter Leitung von Jobst-Babo Graf von Harrach, Frankfurt am Main, die weitere Renovierung der Schweidnitzer Friedenskirche und insbesondere die Restaurierung der Orgel. Mit seiner freundlichen Genehmigung veröffentlichen wir seinen Aufruf:

Jobst-Babo Graf von Harrach

Die Friedenskirche in Schweidnitz wurde im Jahre 1655 als ungewöhnlich große Fachwerkkirche errichtet. Sie war eine der drei Kirchen, die, durch die Intervention der Schweden, nach dem Westfälischen Frieden (1648) nur unter höchst restriktiven Bedin­gungen für die evangelische Bevölkerung in Niederschlesien gebaut werden durften. Sie bietet 7.500 Gläubigen Platz, der damals auch tatsächlich, oft mehrmals am Wochenende, genutzt wurde.

Das bedeutende Bauwerk ist – so wie auch die Friedenskirche in Jauer – erhalten ge­blieben und im Jahre 2001 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen wor­den. Sie ist die größte Fachwerkkirche Europas. In den vergangenen Jahren ist die Kirche durch Mittel von öffentlichen Stellen und privaten Spendern an vielen Stellen renoviert worden. Sie wird nicht nur von der evangelischen Gemeinde zum Gottesdienst genutzt, sondern auch von vielen Touristen – letztes Jahr 60.000 – be­sucht. Regelmäßig finden dort kulturelle und der Völkerverständigung dienende Veranstaltungen statt. Hier fand der Gottesdienst statt, bei dem sich Bundeskanzler Helmut Kohl und der polnische Staatpräsident Tadeusz Mazowiecki die Hand reichten und der deutsch-polnische Freundschaftsvertrag geschlossen wurde.

Zur Ausstattung der Kirche gehören zwei Orgeln, eine kleinere im Altarraum, die soge­nannte Altarorgel, und eine große auf der gegenüberliegenden Westempore, die sogenannte Schlag-Orgel.

Die Altarorgel stammt aus dem Jahre 1695 und wurde 1990/91 restau­riert. Sie hat auf zwei Manualen und Pedal 15 Regi­ster. Da in den vergangenen Jahren umfangreiche Sanierungsarbeiten in der Kirche stattgefunden haben, ist jetzt eine Reinigung erforderlich.

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Die große Schlag-Orgel auf der Westempore scheint – äußerlich betrachtet – aus dem 18. Jahr­hundert zu stammen, doch ist von dem 1776-1784 durch Peter Zeitzius aus Frankenstein unter Verwendung von Tei­len der Vorgängerorgel von 1666-1669 geschaffenen Instrument nur noch die Schauseite, der sogenannte Pro­spekt, erhalten geblieben. Das klingende Werk ist wesentlich jün­geren Datums. Es wurde 1880/82 durch die Firma Heinrich Schlag in Schweidnitz neu gebaut und 1909 in großem Umfang modernisiert. Es umfasst seitdem 60 Register, verteilt auf drei Ma­nuale und Pedal.

Die Orgel ist in ihrem heutigen Zustand eines der wenigen Instrumente in Europa, die noch komplett erhalten ist. Sie ist aber infolge von Verschleißschäden und langer Ver­nachlässigung zurzeit unbespielbar.

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Diese bemerkenswerte und besonders für die Orgelliteratur des 19. Jahrhunderts hervorragend geeigne­te Orgel soll im Rahmen von Restaurierungsarbeiten im Kircheninnenraum grundle­gend überholt werden. Die wegen der Größe der Orgel beträchtlichen Ko­sten werden rund 850.000 Euro betragen. Davon entfallen 250.000 Euro auf das Werk und 600.000 Euro für die Restaurierung der Gehäusefassung und neuer Zinnpfeifen im Prospekt. Die Restaurierung der Orgel soll in Zu­sammenarbeit deutscher und polnischer Werkstätten durch­geführt werden.

Weitere Restaurierungen betreffen die Bibliothek, deren 12.000 Bände unter katastrophalen Umständen gelagert sind. Für Wissenschaftler werden Arbeitsplätz geschaffen. Auch die Außenanlage mit dem historisch wertvollen Friedhof wird wieder hergestellt.

Der Norwegische Kulturfonds hat zugesagt, 85 Prozent der Kosten von 3,5 Mio Euro zu übernehmen. Der Rest muß als Eigenmittel, d.h. durch Spenden aufgebracht werden. Erfreulicherweise gibt es schon erste Zusagen, z.B. vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

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Die kleine Gemeinde in Schweidnitz hat 100 Mitglieder. Sie war und ist nicht allein in der Lage, die notwendigen Geldmittel für die Kirche und ihre Orgel aufzu­brin­gen. Wir bitten Sie zu helfen, dieses bedeutende europäische Kulturgut zu erhalten und dieser wunderbaren Kirche wieder ihre Stimme geben.

Bildnachweis: Friedenskirche zu Schweidnitz c/o Jobst-Babo Graf von Harrach

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↑ Der Friedhof
↓ Aus der Bibliothek
Bildnachweis: Friedenskirche zu Schweidnitz c/o Jobst-Babo Graf von Harrach

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Die Initiative um Jobst-Babo Graf von Harrach plant für das Jahr 2015 ein oder gegebenenfalls zwei Exkursionen zu den Friedenskirchen in Swidnica und Jawor; entsprechende Kontaktmöglichkeiten unter: Informationen und Spendenhinweise.

Weitere Quellen sowie Informationen und Spendenhinweise:

→ Das Wunder bewahren. Die Friedenskirche zu Schweidnitz
Kosciol Pokoju w Swidnicy / Evangelisch-Augsburgische Kirchengemeinde zu Schweidnitz
→ Bach Festival Swidnica (Schweidnitz)

Annex: Die Friedenskirche Jawor (Jauer)

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UNESCO-Weltkulturerbe Friedenskirche Jawor (Jauer); Bildnachweis: wikimedia commons /Danapass/CC
↓ Innenansicht; Bildnachweis: wikimedia commons /Adam Kumiszcza /GFDL

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→ Sphärisches Panorama Friedenskirche Jawor, Nachweis: wikimedia commons

→ Die Grosse Orgel in der Friedenskirche zu Schweidnitz/Świdnica

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