Italienische Landschaften in der Frankfurter Westend Galerie
Von Barbara Thurau
Mit einer Ausstellung italienischer Landschaften blickt die Frankfurter Westend Galerie auf eine lange Tradition zurück. In der Vergangenheit waren hier unter anderen die Werke der deutschen Maler Max Peiffer-Watenphul, Eduard Bargheer, Hans Purrmann und Heinrich Steiner zu sehen, die während des zweiten Weltkriegs in Florenz lebten. Unter dem Programmschwerpunkt „Deutsche Künstler und Italien“ wurden immer wieder „Italienbilder“ präsentiert, zuletzt 2012 die surrealen Landschaften Arnold Leisslers.
Die drei Künstler Hermann Leber, Gerhard Franz und Josef Mittlmeier verbindet ihre Liebe zu Italien, die Landschaft als Hauptthema der Malerei und ihre gemeinsame Zeit an der Universität Regensburg. Mit ihren Gemälden erforschen sie die Grenzen zwischen sichtbarer Landschaft und den Emotionen und Assoziationen, die diese im Betrachter auslöst.
Alle drei sind Wissenschaftler: Hermann Leber studierte Kunsterziehung, freie Plastik und Kunstgeschichte und war bis 2007 Lehrstuhlinhaber für Kunsterziehung an der Universität Regensburg. Er veröffentlichte unter anderem zu Albrecht Dürers Landschaftsaquarellen sowie zu Cézanne und Rodin. Josef Mittlmeier lehrt seit 1989 am Institut für Kunsterziehung der Universität Regensburg. Er arbeitet dort interdisziplinär, bezieht Erkenntnisse der Informations- und Neurowissenschaften ein und erforscht zum Beispiel die unterschiedlichen Sehgewohnheiten bei der Betrachtung von Originalgemälden und deren Abbildung auf dem Computerbildschirm. Gerhard Franz ist Chemiker, forschte als Professor für Pharmazeutische Biologie an der Universität Regensburg zu Naturstoffen in Pharmazie und Medizin. Neben seiner naturwissenschaftlichen Karriere genoss er eine künstlerische Ausbildung an der Kunstakademie Karlsruhe.
Gerhard Franz
↑ Bei Castellina in Chianti, 2012, Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm
↓ Bei Panzano, 2009, Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm
Gerhard Franz, Colli Euganei, 2005, Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm
Das Thema dieser Ausstellung ist „Landschaft“. In der Geschichte der abendländischen Kunst wurde sie erst spät zu einem autonomen Bildgegenstand. Zunächst war sie nur Bildhintergrund oder hatte allegorische und symbolische Bedeutung in biblischen oder mythologischen Darstellungen. Erst seit Claude Lorraines (1600-1682) groß angelegten Gemälden wurde die Landschaft, insbesondere die italienische zum Thema der Malerei. Bis in die heutige Zeit zieht es deutsche Maler in den Süden. Die italienische Landschaft wird dabei nicht nur wegen ihrer Harmonie, ihres Lichts und ihrer Farben zum geliebten Motiv, sondern weil jedes Stück von ihr kultivierte, bearbeitete, gepflegte Natur ist, also zugleich Kultur.
Im 19. und 20. Jahrhundert ging es längst nicht mehr um Abbildung der Wirklichkeit, das Interesse hatte sich vom Motiv auf die Malweise verlagert. Eine Schlüsselfigur in der Geschichte der Landschaftsmalerei ist Paul Cézanne (1839-1906), der das Bild nicht mehr als Fenster zur Welt auffasste. Er wollte keinen dreidimensionalen Raum vortäuschen, sondern verstand das Bild als zweidimensionales Feld, in dem eine Ordnung von Formen und Farben relevant ist. Das Bild – das Landschaftsbild – ist eine parallele Wirklichkeit zur Wirklichkeit der Welt und nicht deren Abbildung. Gerade Cézanne hat für die anwesenden Künstler eine besondere Bedeutung: als Gegenstand der Forschung, vor allem aber als seelenverwandter Künstler. Denn das Thema dieser Ausstellung ist auch „Pleinairmalerei“, also Freilichtmalerei unter natürlichen Lichtbedingungen. Begründet wurde die Freilichtmalerei in Abgrenzung zur Ateliermalerei am Anfang des 19. Jahrhunderts in England, unter anderem von John Constable, und etablierte sich mit den französischen Impressionisten.
Vor dem Hintergrund dieser kunstgeschichtlichen Tradition und insbesondere der vielen Zeugnisse der Auseinandersetzung mit italienischer Landschaft durch deutsche Künstler muss man sich die Frage stellen: Kann man heute noch Landschaftsbilder malen und wie kann man sie malen? Verschiedene Techniken und Ergebnisse der Auseinandersetzung mit Natur können wir in dieser Ausstellung betrachten.
Vernissage, (v.l.) Josef Mittlmeier, Barbara Thurau, Salvatore A. Sanna (Leiter der Westend Galerie), Gerhard Franz, Hermann Leber
Gerhard Franz geht als experimentierender Naturwissenschaftler von der Beobachtung aus. Aber er hat den Blick nicht nur für die kleinen Teile der Natur, sondern auch für ihr Ganzes. Sein Wunsch ist es, das Gewöhnliche und Alltägliche der Landschaft festzuhalten, die Veränderung von Farbe und Licht im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten, Atmosphären und Stimmungen. Die Malerei ist für ihn der Gegenpol zur wissenschaftlichen Arbeit, eine ganz andere Form der Auseinandersetzung mit der Natur.
Hermann Leber
↑ Toskanische Landschaft bei Figline, 1985, Aquarell, 35 x 49 cm
↓ Monte Amiata, 2007, Aquarell, 27 x 38 cm
Hermann Leber, Crete – Landschaft unterhalb von Chiusure, 2003, Öl auf Malpappe, 57 x 75 cm
Wie Cézanne – der ja bekanntlich den Berg Sainte-Victoire immer wieder malte – hat auch Hermann Leber seine Lieblingsberge, zum Beispiel den Monte Amiata in der Toscana. Er nähert sich diesem Berg ganz bewusst mit den Techniken Cézannes, die er ausgiebig studiert hat. Strich für Strich entsteht auf der Leinwand eine von den eigenen Empfindungen getragene Wirklichkeit. Hermann Leber realisiert „seinen“ Berg nicht naturalistisch, aber dennoch wiedererkennbar durch spezifische Formen und Strukturen und durch Farben, die die Beschaffenheit von Erde, Vegetation und Klima widerspiegeln.
Josef Mittlmeier experimentiert mit den Farben der Landschaft und spielt mit der optischen Wahrnehmung. Er schafft im Freien kleinere und schneller ausgeführte Arbeiten auf Papier, die er „Partituren“ nennt. Im Atelier entwickelt er das Motiv dann weiter, indem er es farblich variiert, stärker abstrahiert und in ein größeres Format überträgt. Ein scheinbar banaler Landschaftsausschnitt wird zu einer einzigartigen Komposition. Die verschiedenen Variationen des Motivs muten wie verschiedene Netzhauteindrücke an, sie wecken Assoziationen mit Fotografien und Farbnegativen, sie scheinen durch Farbfilter verändert oder wirken wie Scherenschnitte.
Josef Mittlmeier
↑ Der blaue Hang III, 2012, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm
↓ Ein Abend mit JB, 2014, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm
Josef Mittlmeier, Gut gelaunt den Hang hinunter II, 2013, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm
In der aktuellen Malerei kann man im Allgemeinen eine Tendenz zum Gegenständlichen beobachten und im Besonderen zu Darstellungen von Natur, von Landschaften und Bäumen. Die Natur bildet einen Gegenpol zur modernen virtuellen Welt. Und sicher lässt sich das große Interesse für Landschaft, stellvertretend für die Natur, auch mit ihrer Gefährdung in unserer Zeit erklären.
Italienische Landschaften – Hermann Leber • Gerhard Franz • Josef Mittlmeier, Frankfurter Westend Galerie, bis 16. Januar 2015
Abgebildete Werke © jeweilige Künstler; Bildnachweis: Frankfurter Westend Galerie, Fotos: Erhard Metz