Schweizer Nobelort Gstaad und alpine Echtheit im Saanenland
„Last paradise in a crazy world“
Von Elke Backert
„Last paradise in a crazy world“ hat einer der vielen Stammgäste über den international bekannten und mit Luxus und High-Society verknüpften Schweizer Nobelort Gstaad gesagt. Es war die Schauspielerin Julie Andrews. Gstaad ist der Magnet der Region Saanenland im Berner Oberland mit den Orten Saanen, Saanenmöser, Schönried, Lauenen, Gsteig, Turbach, Abländschen und Zweisimmen. In der verkehrsfreien Promenade, übrigens der ersten der Schweiz, reihen sich Luxus-Boutiquen, exklusive Restaurants und Bars aneinander. Der Bau der Montreux Oberland Bahn (MOB), der heutigen in edlem Gold und Blau gehaltenen Golden Pass Line, erleichterte Anfang des 20. Jahrhunderts die Erreichbarkeit und leistete somit einen zentralen Beitrag zur Entwicklung des Tourismus. Das Gstaad Palace, Flaggschiff unter den Schweizer Nobel-Hotels, gilt dank der extravaganten Architektur als weithin sichtbares Wahrzeichen der Destination.
↑ Unübersehbar – das Gstaad Palace
↓ Das Grand Hotel Bellevue in Gstaad
Einen ganz eigenen Weg geht das Grand Hotel Bellevue am Ortseingang von Gstaad. In Anlehnung an die Belle Epoque, in der das Gebäude errichtet wurde, gestaltet sich das Interieur mit klassischem zeitgenössischen Design. Mit der Eröffnung von The Alpina Gstaad im Dezember 2012 bereichern fünf weitere Sterne das Gstaader Hotel-Firmament. Es ist das erste Luxus-Hotel, das in den vergangenen 100 Jahren neu realisiert wurde.
Promenade Gstaad
Aber auch für die ist gesorgt, die unberührte Natur, einfaches, gutes Essen, gemütlichen Komfort, freundlichen Service und gute „alte“ Musik bevorzugen. Sie sind in der Saanewald Lodge in Saanenmöser bei Gstaad richtig, die sich selbst als „sportliche Lifestyle-Lodge“ bezeichnet und „aktives Slowlife“ zur Philosophie erhoben hat. Motorradfahrer mögen sie besonders wegen der engen kurvenreichen Straße, die zu ihr führt.
Der Flugplatz in Saanen ermöglicht die Anreise per Privat-Flugzeug. Hier starten Rundflüge über das Gletschergebiet. Oft kann man am Himmel Helikopter mit Skiern beobachten, die die Freunde des exklusiven Heliskiing auf den Glacier 3000 in Les Diablerets bringen. 24 Viertausender sind von Gstaads Gletschergipfel aus zu sehen, vom Mont-Blanc über das Matterhorn bis zu den Berner Alpen. Allein die von Star-Architekt Mario Botta konzipierte Bergstation mit dem Restaurant Botta lohnt einen Besuch.
Hotel Restaurant Olden Gstaad, das Haus gehört der Formel-1-Ikone Bernie Ecclestone
↑ Ein schönes Chalet in Gstaad
↓ Auch die neuen Chalets werden nach alter Tradition gebaut
Und dennoch wird in der Region Gstaad-Saanenland alpine Echtheit gelebt. Das bezeugen 200 Bauernhöfe, 80 noch betriebene Almen, über 7.000 Kühe und die blumengeschmückten Holzhäuser im Chalet-Baustil mit den heruntergezogenen Dächern aus dem 15., 16., 17. und 18. Jahrhundert – wunderschön im historischen Saanen, aber auch in Gstaad selbst. In Saanen ist das Heimatmuseum ein Muss, das anschaulich das Brauchtum darstellt: die Schule mit pickeligen Kindern und dass die Hühner im Winter im Haus wohnen durften, auf dass sie fleißig Eier legten, ohne zu erfrieren.
Sehr anschaulich wird im Heimatmuseum das Brauchtum dargestellt, die Schule und dass die Hühner im Haus wohnen durften, damit sie auch im Winter Eier legen konnten und nicht erfroren
Beschaulich wie anno dazumal – Kutschfahrt in Gstaad
Vom Kapälliplatz in Gstaad entlang der Saane bis zur Mauritiuskirche in Saanen führt der „Yehudi-Menuhin-Philosophenweg“ mit zwölf Tafeln und Zitaten von Lord Yehudi Menuhin (1916–1999). Der Musiker, Violinist, Humanist und Ehrenbürger der Gemeinde Saanen hat 1957 das inzwischen weltbekannte Menuhin-Festival ins Leben gerufen, das jedes Jahr von Mitte Juli bis Anfang September stattfindet.
Vom Kapälliplatz in Gstaad entlang der Saane bis zur Mauritiuskirche in Saanen führt der „Yehudi-Menuhin-Philosophenweg“ mit zwölf Tafeln und Zitaten von Lord Yehudi Menuhin (1916–1999). Der Musiker, Violinist, Humanist und Ehrenbürger der Gemeinde Saanen hat 1957 das inzwischen weltbekannte Menuhin-Festival ins Leben gerufen, das jedes Jahr von Mitte Juli bis Anfang September stattfindet
Der Kranich der Greyerzer im Wappen des Saanenlandes
Das Saanenland, das einst zum Hoheitsgebiet der Grafen von Greyerz gehörte und deren Wappentier Kranich heute noch das Wappen der Gemeinde Saanen ziert, ist eine Hochburg des Scherenschnitts. Der Brauch, geschnittenes Papier zu bildnerischen oder dekorativen Zwecken zu verwenden, stammt aus dem Orient und wurde in Mitteleuropa nach 1600 bekannt. Man begeisterte sich damals für das Schattenspiel-Theater aus Persien und der Türkei und übernahm die Technik, Figuren und Szenerien aus Papier herauszuarbeiten. Daraus entwickelte sich eine Liebhaberkunst, die zunächst nur in gesellschaftlich anspruchsvollen Kreisen der Städte Anklang fand. Mit Hilfe von Falt- und Dekorschnitten bezeugte man sich in familiärer Atmosphäre Zuneigung und Freundschaft. Wichtig wurden im 18. Jahrhundert die Schattenrisse aus schwarzem Papier.
Gute Eigenwerbung: das Auto der Scherenschnitt-Künstlerin Beatrice Straubhaar; Beatrice Straubhaar zeigt ihre gefertigten Scherenschnitte
Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich in der Schweiz ein eigener, wenn auch regional unterschiedlicher Scherenschnitt-Stil entwickelt. Besonders geprägt wurde dieser Stil durch Johann Jakob Hauswirth, der 1809 in Saanen geboren wurde. Einige bedeutende Werke sind im Heimatmuseum Saanen zu bewundern. Die Künstlerin Beatrice Straubhaar bevorzugt traditionelle Alpaufzüge, das Alpleben, Sport-, Alltags- und Festtagsszenen, Kinder, Jagdmotive oder die Jahreszeiten. Kein Haus im Saanenland ohne einen solchen Scherenschnitt.
Der Milchkannen-Parcours in Michel’s Stallbeizli in Gstaad; Kegeln im Freien, eben Alpenkegeln
Damit der Spaß nicht zu kurz kommt, veranstaltet Michel’s Stallbeizli am Dorfrand von Gstaad neben Fondue und Raclette eine lustige Bauernhof-Olympiade, gern auch wahrgenommen von Firmen. Zunächst werden Bärner Züpfe (Berner Zöpfe) aus Teig geflochten. Während die im Backofen backen, wetteifern die Gäste im Hufeisen-Werfen, im Milchkannen-Parcours, im Alpenkegeln, im Nägel-Einschlagen und im Kuh-Melken.
Hufeisen-Werfen in Michel’s Stallbeizli Gstaad
Nägel einschlagen will gekonnt sein; Lachend melkt Vivienne die „Kuh“
Die Zeit wird jeweils gestoppt, und die Gewinner erhalten Alpkäse und andere Spezialitäten. Zum Abschluss dürfen die Teigwaren mit Mostbröckli – gepökeltem, geräucherten und getrocknetem Rinderschinken – und Salami verzehrt werden.
Fotos: Elke Backert