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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Starke Stücke im Schauspiel Frankfurt (7)

Spielzeit 2014 / 2015

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Birgit Hupfeld/Schauspiel Frankfurt (8) und Renate Feyerbacher (2)

Glaube Liebe Hoffnung
Dogville
Kunst
Nora
Gefährliche Liebschaften

Oliver Reese

Oliver Reese, Intendant; Foto © Birgit Hupfeld

Glaube Liebe Hoffnung – ein kleiner Totentanz in fünf Bildern“

Die kleinen Paragrafen, die nicht bekannt sind, ruinieren. Individuum und Gesellschaft kämpfen gegeneinander.

Ein aufwühlender Abend

Die neue Spielzeit mit dem Motto „Über Leben – Zwischen Freiheit und Gefährdung“ wurde im Grossen Haus am 20. September 2014 mit „Glaube Liebe Hoffnung – ein kleiner Totentanz in fünf Bildern“ von Ödön von Horváth eröffnet.

Gaby Pochert Ensemble Lisa Stiegler

Gaby Pochert, Ensemble, Lisa Stiegler; Foto © Birgit Hupfeld

Faszination Bühnenbild: die Darstellung eines weiblichen, übergrossen, nackten, zusammengekrümmten Körpers mit nassen Haaren markiert den beweglichen Bühnenboden. Auf ihm liegt ganz klein eine Frau, vorne steht ihr Schuhpaar. In dieser Konstellation wird das Stück auch enden. Der Tod Elisabeths ist vorweggenommen.

Eine Gestalt nach der anderen positioniert sich hinten im Durchgang in Reih und Glied. Grotesk, gespensterhaft erscheinen diese Typen, die durch Auspolsterungen eckig aussehen (Kostüm: Katharina Kownatzki). Unter ihnen sind der Oberpräparator und der Präparator. Elisabeth sucht die Herren auf, um zu Lebzeiten, also im Voraus, ihren Körper dem Anatomischen Institut zu verkaufen. Sie braucht 150 Mark, um die Geldstrafe, zu der sie verurteilt wurde, zu bezahlen. Sie hatte ohne Wandergewerbeschein gearbeitet. Sie sieht sich gezwungen, sich zum Objekt der Wissenschaft zu degradieren.

Ihr Angebot wird abgelehnt. Der Präparator leiht ihr jedoch die 150 Mark, damit sie sich einen Wandergewerbeschein besorgen kann. Dass sie damit zunächst die Geldstrafe bezahlen wird, davon ahnt er nichts. Er hilft ihr nicht aus Mitleid, sondern weil Elisabeth vom Vater spricht, der ein Inspektor ist. Das nötigt dem Präparator Respekt ab. „Es dreht sich halt alles nach einer höheren Ordnung.“ Ist doch ein Inspektor etwas Besseres als ein Präparator. Der Vater ist aber nur ein Versicherungsinspektor, kein Zollinspektor, wie der Präparator angenommen hatte. Er zeigt Elisabeth wegen Betrugs an. Zwei Wochen Gefängnis sind die Folge. Danach werden sie und Schupo Alfons Klostermeyer, der ihr Vorleben nicht kennt, ein Liebespaar. Die Hoffnung auf ein unbeschwertes Leben zerrinnt, als Alfons von ihren kleinen Strafen erfährt. Karriere ist ihm wichtiger. Er ist ein Pflichtbessener. Elisabeth nimmt sich das Leben.

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Lisa Stiegler, Michael Benthin, Martin Rentzsch, Felix von Manteuffel, Josefin Platt, Gaby Pochert, Viktor Tremmel, Sascha Nathan, Maximilian Meyer-Bretschneider; Foto © Birgit Hupfeld

So wie Regisseur und Bühnenbildner Andreas Kriegenburg inszeniert, gewinnt das sogenannte Volksstück, das der österreichische Schriftsteller Ödön von Horváth (1901-1938) 1936 schrieb, an Brisanz und Aktualität. Ein modernes Volksstück, das die heutige Situation kennzeichnet. Die Figuren wortkarg, die Szenen kurz, pointiert, sie werden begleitet von Musik am Klavier und auf der Geige, mal locker, mal tiefgründig. Als Arbeiterfrau mischt sich die Musikerin Gaby Pochert unter die Typen. Maria, das arme Mensch, singt Bachs Kantate „Ich habe genug“. Deren Schlussätze: „Ich freue mich auf meinen Tod, Ach, hätt er sich schon eingefunden, Da entkomm ich aller Not, Die mich noch auf der Welt gebunden.“ Das geht an die Substanz. Franziska Junge spielt die Rolle der Maria mit grosser Intensität und körperlichem Einsatz und überrascht mit ihrem eindringlichen Gesang.

Kriegenburg nimmt den Untertitel vom kleinen Totentanz ernst, den Lisa Stiegler als Elisabeth vorzüglich zelebriert.

Der Kreislauf der Krise, damals wie heute, ruiniert einzelne Menschen, ihre berufliche Existenz, ihr Privatleben. Unverhältnismäßig sind die Strafen bei kleinen Vergehen, die wie ein Strudel in den existentiellen Abgrund ziehen. Elisabeth: „Das sehe ich schon ein, dass es ungerecht zugehen muss, weil halt die Menschen keine Menschen sind.“

Felix von Manteuffel als Präparator, ein Schuft mit Herz, macht aus dieser Rolle ein Kabinettstück. Josefin Platt als Frau Amtsgerichtsrat und Sascha Nathan als Arbeitgeberin Irene Prantl machen aus ihren Figuren herrliche Typen. Auch die anderen Ensemblemitglieder, die in mehrere Rollen schlüpfen, begeistern.

Manchmal erinnern die bedrückenden Bilder an Slapstick, meist aber an jetzige Realität. Belebt werden sie durch verrückte Einfälle: Taschen, Schuhe, Klamotten, Gerümpel werden mit Wucht auf die Bühne geworfen und später wieder brav eingesammelt.

Andreas Kriegenburg (geboren 1963), der zunächst das Handwerk des Modelltischlers erlernte und in der Theaterwerkstatt des Maxim-Gorki Theaters Magdeburg arbeitete, erhielt früh die Chance, seine Theaterleidenschaft zu verwirklichen, erst an Theatern in Zittau und Frankfurt /Oder, dann nach der Wende an der Berliner Volksbühne, Burgtheater Wien, Deutsches Theater Berlin, Thalia Theater Hamburg, Münchner Kammerspiele. Das sind einige seiner Stationen. Die Liste der Auszeichnungen, die er für seine Regiearbeiten erhielt, ist lang.

Am Frankfurter Schauspiel inszenierte er „Stella“ von Goethe und „Die Möwe“ von Tschechow und in der Oper „Tosca“. Mehr und mehr Opern stehen auf seiner Inszenierungsliste.

Ein nachdenklicher, dem Thema überzeugend verpflichteter Theaterabend.Jeder verdient es, nicht nur zu überleben, sondern zu leben“ (Filmregisseur Steve McQueen).

Weitere Aufführungen am 17., 23., 29. und 30. Oktober, jeweils um 19.30 Uhr, sowie im November.

 

Wiederaufnahmen von Stücken

„Dogville“ – verlogener Gemeinsinn

Das Stück nach dem Film von Lars von Trier, dramatisiert von Christian Lollike, hatte am 11. April 2014 Premiere im Grossen Haus.

Es ist ein Experiment, einen Film zur Bühnenvorlage zu nehmen. Aber Regisseurin Karin Henkel (Jahrgang 1970), gebürtige Kölnerin, ist es mit exzellenten Schauspielrinnen und Schauspielern gelungen.

Mit Vergeltung fängt das Stück an, dann wird erzählt, wie es dazu kam. Wir geben uns zwar zivilisiert, aber der Wunsch nach Rache steckt in uns allen“ (Lars von Trier).

Grace (Gnade) findet Zuflucht vor angeblich kriminellen Verfolgern in der Kleinstadt Dogville, wo sie sich voll einbringt und dafür Unterhalt und ein Gefühl der Sicherheit und des Dazugehörens vermittelt bekommt. Es geht um Macht – Macht des Vaters, dessen Stimme ertönt – und um Vergeltung. Zunächst scheint das Leben in Dogville beschaulich und funktioniert, bis Grace kommt. Die Einwohner sind fromm, fleißig und gesellig, jeder geht einer Tätigkeit nach. Grace, die Fremde, tut alles, sich der Gemeinschaft, die sich seit ihrer Ankunft bereits verändert, zu unterwerfen.

Als die Polizei auf den Plan tritt, kippt die Stimmung. Grace wird gedemütigt, tyrannisiert und sexuell missbraucht. Sie wird zum Racheengel.

Lars von Trier geht es nicht um Schuld und Unschuld einzelner Figuren, sondern um die Gemeinschaft und deren Gemeinsinn, den Tom Edison mit Grace beweisen will. Er predigt Moral, hält sich selbst aber nicht daran und wird sogar zum Verräter seiner Ideen. Es gibt keine Antworten, keine Lösungen, wie Gesellschaft funktionieren kann, sondern nur Fragen. Alles bleibt offen.

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Andreas Uhse, Torben Kessler, Kate Strong, Wiebke Mollenhauer, Isaak Dentler, Thomas Huber, Heidi Ecks, Manuel Harder, Katharina Bach; Foto © Birgit Hupfeld

Nicht so minimalistisch wie im Film ist die Bühne: ein Haus mit Stockwerk und mehreren Zimmern, ein Mini-Garten (Bühne Jens Kilian, Kostüme Klaus Bruns, Licht Johan Delaere). Es herrscht immer dichtes Gedränge: zwölf erwachsene Agierende und zehn Kinder und auch noch Musiker (Musik: Jörg Gollasch). Aber diese Enge zeigt die Bedrohung der Dorfgemeinschaft in ihrem brüchigen Gemeinsinn.

Eine Glanzrolle für die ausgezeichnete Schauspielerin Claude de Demo, die im Frankfurter Ensemble bereits in vielen Rollen beeindruckte – zuletzt als Melanija in „Kinder der Sonne“. Das Stück steht auch in dieser Spielzeit wieder im Programm.

Ihr Partykleid legt sie nie ab. Torsten Kessler ist ein einfühlsamer, gespaltener und sogar gewaltsamer Tom. Ein bedrückendes Stück, in dem jeder Aktivist seine Rolle überzeugend spielt.

Nur noch zwei Aufführungen gibt es in dieser Saison: am 12. und 26. Oktober 2014 (Theatertag), jeweils um 18 Uhr.

 

Kunst“ – ein herrlich-nachdenklicher Spass für drei Schauspieler und die Zuschauer.

Das Stück der Pariserin Yasmina Reza (geboren 1959 ) mit kosmopolitisch gemischtem Blut – jüdisch, persisch, russisch -, eine der meistgespielten Theaterautorinnen der Gegenwart, hatte am 24. Mai 2014 Premiere. Durch die Absage der Premiere „Die Blechtrommel“ aufgrund eines Unfalls des Regisseurs kommt das Frankfurter Publikum in den Genuss mehrere Aufführungen im Oktober und November – ein Gegenstück zu den sehr kopflastigen Bühnenwerken, die derzeit das Programm beherrschen.

Marc, Serge, Yvan sind Freunde. Ihre Charaktere sind sehr unterschiedlich, aber das kann eine Freundschaft ja nur beflügeln. Die Schriftstellerin verteidigt das Lachen unter Freunden auch bei differenzierter Meinung: „Lachen rettet uns“ ist ihre Devise. „Wenn man nicht lachen kann (unter Freunden), gewinnt die Meinung die Oberhand, und es gibt nichts mehr jenseits von ihr“, schreibt Yasmina Reza (Programmheft). Das Geschehen des Stückes soll einen persönlichen Hintergrund haben. Eine meisterhafte Komödie ist ihr 1994 gelungen, die weltweit gespielt wird und in 40 Sprachen vorliegt.

Serge hat für 200.000 Franc ein weisses Bild gekauft, dass nur durch schwer erkennbare Streifen Profil gewinnt. Marc nennt es „Scheisse“. Das Stück richtet sich nicht gegen die Moderne, wohl aber kategorisch gegen die „Diktatur der Modernität“ (Reza). Vielmehr ist es ein Lehrstück über die Freundschaft. Was kann und soll sie aushalten? Yvan, der dritte im Freundschaftsbund, versucht zu vermitteln, schlägt sich – jedoch meinungslos, was den Kauf betrifft – zunächst auf Serges Seite, um dann auch sein Unverständnis einzugestehen.

Marc hängt dem Alten an, fürchtet die Veränderung. Serge nennt ihn ein Fossil, das abstirbt. Marc verkraftet das nicht, für ihn bedeutet Freundschaft doch, denselben Standpunkt zu haben.

Martin Rentzsch Wolfgang Michael Sascha Nathan

Martin Rentzsch, Wolfgang Michael, Sascha Nathan; Foto © Birgit Hupfeld

Reza ist eine Meisterin dialektischer Sprache, die ihre Deutschen-Fans angeblich missverstehen, wie Maxim Biller in seinem ZEIT-Artikel vom 18. Juni 2014 „Der Gott des Geheuchels“ schmäht. Sicher, Heuchelei steckt in jedem, vor allem bei den gesellschaftlichen Small-Talks, aber darf man dafür Rezas Arbeiten nicht bewundern und für gut befinden? Ihre Figuren, das sind wir.

Für den Schweizer Filmemacher, Autor und Schauspieler Dani Levy (geboren 1957) ist Yasmina Reza, die er persönlich nicht kennt, eine der wenigen Schriftstellerinnen, die das „Humor-Kompliment“ verdient und „auch den Humor besitzt … Humor ist keine Frage der Kultur, Humor ist Kultur“ (zitiert Programmheft).

Wolfgang Michael verkörpert den nuschelnd sprechenden, nörgelnden Marc, dessen Freundschaft mit Serge, dem Käufer des Bildes, nur dann funktioniert, wenn sie denselben Standpunkt teilen. Eine Paraderolle für Wolfgang Michael. Martin Rentzsch spielt den kühlen Serge und Sascha Nathan den verunsicherten, weichen Typ, der von den Gesprächen mit Mutter, Schwiegermutter und Verlobten das Publikum zum Applaus provoziert. Wieder ein gelungener Theaterabend, den Regisseur Oliver Reese zu verantworten hat.

Aufführungen am 20. und 31. Oktober 2014, jeweils um 19.30 Uhr, und im November.

 

„Nora“ – von der Unfähigkeit, ehrlich zu kommunizieren

Henrik Ibsens Beziehungsdrama mit dem ursprünglichen Originaltitel „Ein Puppenheim“ hatte am 9. Mai 2014 Premiere.

Mit Matrosenkleidchen und weisser Schleife steht Nora Helmer etwa eine Stunde und zwanzig Minuten fast unverändert am rechten Bühnenrand auf einer Stelle. Ein Spot strahlt sie an. Am Deutschen Theater in Berlin hatte Regisseur Michael Thalheimer die Johanna von Orleans auch auf einer Stelle stehen lassen. Ein neuer Einfall des Regisseurs der hochgelobten „Medea“. Die Festnagelung auf eine Position hat etwas für sich: Konzentration auf die Hauptfigur. Die schwarze, leere, spitz zulaufende Bühne, an deren Ende eine überdimensional hohe, schmale Türe ist, durch die sich die anderen vier Akteure zwängen, der Ehemann Adovokat Helmer, der Freund Dr. Rank, der Rechtsanwalt Krogstadt und ihre Freundin Christine Linde, wirkt bedrohlich. Ihr Weg zu Nora ist lang. Weit weg sind sie von ihr. Kein Puppenheim. Verlogen ist die Atmosphäre.

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Marc Oliver Schulze, Bettina Hoppe; Foto © Birgit Hupfeld

Als Helmer seinen Mitarbeiter Krogstadt entlässt, bittet dieser Nora, ein gutes Wort bei ihrem Ehemann einzulegen. Krogstadt hat ein Druckmittel: die gefälschte Unterschrift von Nora unter einem Schuldschein. Nora hatte, als ihr Mann nach der Hochzeit schwer erkrankte, von ihm Geld geliehen, um Helmer den Kuraufenthalt zu ermöglichen. Sie kann es nicht zurückzahlen und Krogstadt erpresst sie. Nora hatte das aus Liebe getan und ist stolz, ihrem Mann das Leben gerettet zu haben. Der Betrug fliegt auf und anstatt, dass ihr Mann zu ihr steht, macht er Vorwürfe, pocht auf das Gesetz, sieht seinen Ruf geschädigt, rastet aus. Nora verlässt Mann und Kinder. Sein verzweifelter Ruf „Nora, Nora …“ verhallt.

Eine ganze Weile zwitschert Nora zu Beginn wie ein Vögelchen, damit es dem Herrn Gemahl gefällt, abwesend ist sie jedoch dabei. Wenn der zukünftige Bankdirektor Helmer sie aufsucht, keucht er ihren Namen und rudert mit den Armen. Nichts Herzliches geht von diesem Mann aus, auch wenn er liebliche Worte wählt. Unglaubwürdig sein und ihr Getue.

Bettina Hoppe Marc Oliver Schulze

Marc Oliver Schulze, Bettina Hoppe; Foto © Birgit Hupfeld

Bettina Hoppe als Nora ist virtuos. Diese exzellente Schauspielerin hat das Ensemble des Schauspiels Frankfurt verlassen und arbeitet nun frei. 2011 war sie nominiert für den Theaterpreis „DER FAUST“ für ihre Rolle der Cäcilie in Goethes „Stella“. Das Solostück „Die Frau, die gegen Türen rannte“ aus der Spielzeit 2010/2011 gehört nach wie vor zum Repertoire.

Marc Oliver Schulze, grossartig als Ödipus und Jason in „Medea“, gibt den Advokaten Helmer – ein blasierter, widerlicher Typ, eine Spottfigur.

Sein Bein nachziehend, schwer japsend, bewegt sich Michael Benthin als Dr. Rank über die gesamte Bühne – was für eine Leistung. Ihm und Frau Linde, einfühlsam von Verena Bukal gespielt, die sich verloren fühlt, gilt die Sympathie des Regisseurs. Viktor Tremmel als Erpresser, der den Schuldschein schliesslich vernichtet, ist ein Gehetzter.

Ein starker Theater-Abend, den es am 24. und 25. Oktober 2014 und an mehreren Novemberabenden wieder gibt.

 

Gefährliche Liebschaften“ – Intrigenspiel aufgrund innerer Leere

Das Schauspiel hatte am 14. Juni 2014 Premiere.

Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos (1741-1803) war Offizier und Privatsekretär des Herzogs Louis Philippe von Orléans, also jemand, der das Hofleben kannte. 1782, sieben Jahre vor der Französischen Revolution, schrieb er den Briefroman „Gefährliche Liebschaften“. Er zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Darstellungen der moralisch verdorbenen Aristokratie, die im 19. und 20. Jahrhundert die Literatur über das Böse beeinflusste. Während der Französischen Revolution war Laclos Jakobiner.

Sabine Waibel Gaby Pochert Schauspiel-Studenten des 1. Jahrgangs der HfMDK FFM

Sabine Waibel, Gaby Pochert, Schauspiel-Studenten des 1. Jahrgangs der HfMDK FFM; Foto © Birgit Hupfeld

Christopher Hampton (geboren 1946), mehrfach ausgezeichneter britischer Dramatiker, Drehbuchautor und Regisseur, formte den Text zu dem Bühnenstück „Les Liaisons Dangereuses“, das 1988 verfilmt wurde. Für das Drehbuch erhielt er einen Oscar. Nun kam das Stück in der Übersetzung von Alissa und Martin Walser auf die Frankfurter Bühne.

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Christopher Hampton, Foto: Renate Feyerbacher

Liebe ist etwas, was man benutzt, nicht etwas, dem man verfällt“, das ist das Credo der Meisterin der Intrigen, Marquise de Merteuil.

Das Spektakel, das durchaus Bezüge zur modernen Gesellschaft hat, ist ein Fest fürs Auge, da die Damen und Herren in den grossen Roben des 18. Jahrhunderts auftreten, die Kirsten Dephoff schuf. Stéphane Laimé hat die opulent-lukullische Bühne kreiert mit aufwändigen Kronleuchtern.

Die Marquise verlangt vom Vicomte de Valmont, dass er Cécile, die junge Klosterschülerin, die Marquise de Merteuils ehemaligen Geliebten heiraten will, vor der Hochzeit verführt, sprich entjungfert. Valmont will als Gegenleistung eine Nacht mit der Marquise. Sie verspricht es. Valmont gelingt es auch noch, die verheiratete Madame de Trouvel (Katharina Bach) zu verführen. Sein Lohn für die Schurkereien bleibt jedoch aus.

Amélie Niermeyer, Regisseurin, Intendantin und derzeit Professorin am Mozarteum in Salzburg, war Hausregisseurin am Schaupiel Frankfurt und inszenierte zuletzt (2010) George Taboris „Mein Kampf“ – toll!

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Amélie Niermeyer, Foto: Renate Feyerbacher

Das Schurkenpaar – Marquise gespielt von Sabine Waibel, Valmont von Manuel Harder, der seit der letzten Spielzeit zum Ensemble gehört – lässt die Regisseurin mehr herumpoltern als fein die intriganten Netze spinnen. Lisa Stiegler lässt sich als Cécile verführen. Es knistert nicht. Nico Holonics, auch seit 2012 Ensemblemitglied, grossartig in „Kleiner Mann, was nun?“ und als Hagen Tronje in „Die Nibelungen“, fechtet mit Valmont – eine Szene, die atemlos macht. Valmont ist brutal gegenüber seinen Dienern. Es macht Spass, dem Pagen-Team, dargestellt von Studenten der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt, zuzusehen. Der Menschenverachter und -schinder verliert das Intrigenspiel, das Manuel Harder perfekt beherrscht.

Ein Theater-Spektakel im wahrsten Sinne des Wortes, das dennoch nicht zu enthusiastischer Begeisterung hinzog.

Weitere Aufführungen am 20. und 28. November 2014 jeweils um 19.30 Uhr.

→  Starke Stücke im Schauspiel Frankfurt / 1
→  Starke Stücke im Schauspiel Frankfurt / 8

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