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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Rheingau-Musikpreis 2014 an Christoph Eschenbach

Ein fulminanter Musikabend mit dem Gustav Mahler-Jugendorchester

Von Renate Feyerbacher

Vor wenigen Tagen ist das diesjährige Rheingau Musik Festival zu Ende gegangen. Ein Höhepunkt am 4. September 2014 war die 21. Verleihung des Rheingau Musik Preises an den aussergewöhnlichen Musiker, Pianisten, Dirigenten und Mentor Christoph Eschenbach sowie das anschliessende Konzert in der Basilika Kloster Eberbach.

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Rheingau Musik Festival in der Basilika von Kloster Eberbach

In seiner Dankesrede wurde der Geehrte, der 1940 in Breslau geboren wurde, persönlich. Er erinnerte an seine „Mutter“, die nicht seine leibliche Mutter war, die er aber so nannte. Es war die Kusine seiner Mutter, die ihn adoptierte und bei der er aufwuchs. Die Mutter war bei der Geburt gestorben, der Vater, ein Musikwissenschaftler, während des Krieges. Als Gegner der Nazis hatte er seine Stellung an der Breslauer Universität verloren und wurde einem Strafbattaillon zugeteilt. Die Grossmutter floh mit dem Kind aus Schlesien und kam mit ihm im Flüchtslingslager unter. Dort brach Typhus aus. Der Fünfjährige war der einzige Überlebende. Auch die Großmutter starb, die vorher noch eine Postkarte – die war sechs Wochen unterwegs – an die Kusine der Mutter geschrieben hatte. Sie, die Klavierlehrerin, fand ein stummes Kind vor. Die Musik habe ihn wieder zur Sprache gebracht, erzählt Eschenbach.

Schon mit zehn Jahren gewinnt Christoph Eschenbach beim Hamburger Steinway-Wettbewerb den 1. Preis. An der Hamburger Hochschule für Musik und Theater studiert er Klavier und Dirigieren. 1965 gewinnt er den Concours Clara Haskil (1895-1960), der seit 1963 in Vevey/Schweiz ausgetragen wird. Die rumänisch-schweizerische Pianistin war der Inbegriff von Mozarts Interpretationen. Mit seinem ehemaligen Kommilitonen Justus Frantz (geboren 1944) und Tzsimon Barto (geboren 1963), einem aussergewöhnlichen amerikanischen Pianisten, Dirigenten und Autor, spielte er Klaviermusik zu vier Händen. Berühmt wurden seine Einspielungen der Konzerte auf mehreren Klavieren mit Justus Frantz und Helmut Schmidt, dem ehemaligen Bundeskanzler.

Seit 1972 ist Dirigieren Christoph Eschenbachs Schwerpunkt.

Die Nachwuchsförderung liegt dem hochdekorierten Dirigenten am Herzen. Jetzt dirigierte er erstmals das Gustav Mahler-Jugendorchester im Rahmen dessen Sommertournee 2014. Dieses – derzeit führende – Jugendorchester wurde vor bald 30 Jahren von dem renommierten italienischen Dirigenten Claudio Abbado (1933-2014) gegründet.

Aus 23 Ländern von A wie Armenien bis W wie Weißrussland kommen die 113 jungen Musikerinnen und Musiker, von denen derzeit 62 Frauen sind. Die 36 Geigen werden von 31 Frauen gestrichen, auch bei Bratschen und Celli sind es mehrheitlich Frauen. Die Streichinstrumente sind das A und O eines Orchesters. Bei den Blasinstrumenten (bis auf Flöte und Oboe) haben die Männer das „Sagen“. Die Konzertmeisterin ist eine Russin, die an der Hochschule für Musik Hanns Eisler studiert. In jedem Jahr wird beim Probenspiel aus 2000 Bewerberinnen und Bewerbern ausgewählt. Betreut werden sie von prominenten Orchestermitgliedern unter anderem der Wiener und Berliner Philharmoniker. Die Liste der Solisten, die mit dem Gustav Mahler-Jugendorchester konzertierten, ist angefüllt von prominenten Namen.

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Christoph Eschenbach mit dem Gustav Mahler-Jugendorchester

Diesmal war kein solistischer Künstler dabei. Auf dem Programm stand „Les offrandes oubliées“ (Die vergessenen Opfer) – eine sinfonische Meditation des französischen Komponisten Olivier Messiaen (1908-1992), die er 1930 schuf. Die Musik des Katholiken wurzelt im tiefen Glauben an Gott, so auch in den „Vergessenen Opfern“, einem musikalischen Tryptichon mit den Teilen „Das Kreuz“, „Die Sünde“ und „Die Eucharistie“. Ein kurzes, kontrastreiches Werk, bei dem die Streicher federführend sind.

Auch im katholischen Glauben tief verwurzelt war der Komponist Anton Bruckner (1824-1896), dessen 7. Sinfonie folgte. Es war ein musikalisches Erlebnis, das vom Publikum frenetisch gefeiert wurde.

Intendant Michael Herrmann, den der Hessische Ministerpräsident am 4. September 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse auszeichnete, umarmte den Dirigenten Christoph Eschenbach. Eine schöne Geste.

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Fotos: Renate Feyerbacher

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