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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Panta Rhei“: Fotografien von Meike Fischer in der Frankfurter Heussenstamm-Galerie

Es ist an der Zeit, auf eine Fotografie-Ausstellung in der Frankfurter Heussenstamm-Galerie zurückzukommen. Die Galerie-Chefin und auch Kuratorin der Ausstellung Dagmar Priepke präsentiert dort unter dem Titel „Panta Rhei“ Fotografien von Meike Fischer. „Panta rhei“, der bekannte Platonsche, jedoch auf Heraklit zurückzufühende Aphorismus kann gemeinhin mit „alles befindet sich im Fluss“ – nach Platon etwa: „alles bewegt sich fort und nichts bleibt“ – sinngemäss übersetzt werden. Dass alles im Fluss ist, entspricht der geschichtlichen Entwicklung ebenso wie individueller Lebenserfahrung. Allein wohin fliesst denn nun „alles“ – und zu welchem Zweck, Sinn oder Ziel?

Sich durch die Stadt – vornehmlich die Innenstadt – Frankfurt am Main zu bewegen, sei es per Kraftfahrzeug, Fahrrad oder zu Fuss, bereitet verstärkt seit vielen Monaten, ja seit über einem Jahr wenig bis keine Freude. Das allseits wahrzunehmende Stadtbild wird signifikant bestimmt durch eine schier kein Ende nehmen wollende Kette von insbesondere Grossbaustellen. Das Mass an Behinderungen der oft schlicht von gewohnten Wegen weggesperrten Stadt- und Pendlerbevölkerung ist nach allgemeiner Einschätzung „voll“, übervoll. Und vor dem Bauen steht zunächst in aller Regel der Abriss von vorhandenen Baulichkeiten, mit allem Lärm und Dreck; Abriss von Bausubstanz vor allem im Bereich der Gewerbe-, aber auch Wohnimmobilien, die sich übrigens im Grunde vielfältig noch als funktionstüchtig und auch ästhetisch durchaus befriedigend darstellt. Nur hat solche Altsubstanz in der Regel den Schönheitsfehler, dass sie steuerlich abgeschrieben ist, als Neukapitalanlage nicht hinreichend Gewinn verspricht und somit die Lebensdauer von heutzutage kaum mehr als einer Menschengeneration – will heissen von etwa 30 Jahren – erreicht hat. Also weg damit!

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Windeckstrasse/Sonnemannstrasse

Bei alledem ergibt sich bei Passanten wie Verkehrsteilnehmern das Bild von ziemlicher Unkoordiniertheit und Planungslosigkeit

: Die entsprechenden Baugenehmigungen scheinen offenbar vom Himmel zu regnen, und Immobilieneigentümer können anscheinend nach Gutdünken abreissen, um- und neu bauen, wann immer es ihnen beliebt, insbesondere wenn sie die entsprechenden Investitionsmillionen auf den Tisch blättern – und sei es drum, dass dabei ganze Strassenzüge fast lahmgelegt werden.

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Güterplatz

Hinzu kommen nun die bei der Stadtbevölkerung demgegenüber eher mit Wohlwollen und Verständnis aufgenommenen Grossbaustellen etwa für die „neue Altstadt“ mit dem (wenn auch hier und da noch umstrittenen) Stadthaus oder den Um- und Neubau des Historischen Museums – Vorhaben „für alle“ also, denen zweifellos eine besondere kulturpolitische und gesellschaftliche Wertigkeit zukommt ebenso wie den (zwar genauso lästigen) Baumassnahmen für den öffentlichen Personennahverkehr, wir erinnern an die Friedberger oder die Eckenheimer Landstrasse.

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Baustelle ehemaliges Technisches Rathaus

Nun verkennen wir keineswegs, dass – jenseits mittelalterlicher Brandkatastrophen oder Zerstörung durch Bombenkrieg – Abriss und Neubau städtischer Baustruktur in einem vernünftigen, wohldosierten Ausmass seit jeher unabdingbare Voraussetzungen für eine zukunftsgerichtete städtebauliche Entwicklung sind. Und es gibt jenseits der allzuoft gleichförmig erscheinenden „Investorenarchitektur“ mit ihren schier endlosen, stupiden Fensterreihungen und den immer gleichen, mit viereckigen Säulen versehenen, hoch-rechteckigen wie zumeist trostlos-toten „Arkaden“-Gängen durchaus auch optisch-ästhetische Lichtblicke, Fassaden, die man gerne ansieht und die das Strassenpanorama sehr wohl im „menschlichen Mass“ gestalten und bereichern.

Kehren wir zu der Eingangsfrage zurück, wohin denn nun „alles“ fliesst, so kommen wir an der Frage der zunehmenden Gentrifizierung – vulgo Strukturwandel bei Abwanderung ärmerer und Zuzug wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen – ganzer Strassenzüge und in deren Folge ganzer Stadtquartiere nicht vorbei.

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Mainzer Landstrasse

Es lag nun sicherlich nicht in Meike Fischers – einer studierten Reportage- und künstlerischen Fotografin – Intention, mit ihrer über Jahre währenden fotografischen Langzeitdokumentation über den rapiden baulichen Umstrukturierungsprozess in Frankfurt am Main mehr oder weniger allein die damit verbundenen gesellschaftspolitischen Fragwürdigkeiten und Probleme unter dem bereits genannten Stichwort der Gentrifizierung in den Fokus zu nehmen. Ebenso wenig beschränkt sie sich auf eine rein dokumentarische Fotografie. Vielmehr geht es ihr zunächst einmal und in erster Linie darum, die aufgesuchten wie vielleicht auch überraschend vorgefundenen Motive weit über ein fotografisches „Abbild“ hinaus einer künstlerischen Gestaltung zu unterziehen. So sind ihre Aufnahmen, wenngleich sie den Betrachter zuweilen erschauern lassen – erinnern sie doch in manchem an aus den Medien bekannte aktuelle Bilder zerbombter Häuser in syrischen Städten oder im Gaza-Streifen – von suggestiver Dynamik, überzeugender kompositorischer Bildstilistik und grosser formaler Ästhetik. Es gelingen zugleich Bilder von feiner und bewegender Poesie, etwa wenn frisches, nach Leben und Fortbestand strebendes Grün die zu bebauende Brache überwuchert und in den Zustand anscheinend unschuldiger Natur zurückführt, wenn eine Stadttaube nach Abriss ihres gewohnten Schlafplatzes verstört einen winzigen Unterschlupf zum Überleben sucht.

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Hanauer Landstrasse/gegenüber EZB

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Es muss jedoch auffallen, dass die Mehrzahl ihrer Fotografien Abrissszenerien oder übergrosse, wie riesige Wunden im Stadtbild klaffende Baugruben zum Gegenstand haben, hingegen es entschieden weniger Motive eines – wie auch immer gearteten, mehr oder weniger konstruktiven – Aufbaus gibt. Wo immer sich die Künstlerin mit der Thematik des Abbruchs befasst, drängt sich doch letztlich und unweigerlich die Frage nach dem auf, was einmal an die Stelle des Beseitigten – und vielfach muss man von „Zerstörtem“ sprechen – nun treten wird, welche Gestalt, Nutzen und Zweck und welchen Bestand dieses Neue für uns selbst wie für unsere nachfolgenden Generationen denn haben wird.

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Neue Mainzer Strasse

Wo nun aber bleibt der Mensch? Nicht selten scheint er sich auf der Verliererseite wiederzufinden, wenn Wohnraum und damit Häuslichkeit und Heimat im altangestammten Quartier verloren gehen. Meike Fischers Fotografien legen beredtes Zeugnis davon ab. Der Stadtbewohner wird nicht gefragt, er ist auf die Rolle des hilflosen Zuschauers beschränkt – Kommunalwahlen hin, Kommunalwahlen her. Parteienverdruss und Wahlmüdigkeit finden, wo Boden- und Immobilienspekulation blühen und auf willfährige Hilfe der Stadtpolitiker und Ämterbürokraten rechnen können, reichlichen Nährboden.

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↑ Alte Oper
↓ Alte Oper/Hochstrasse

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In unmittelbarer Nähe zur Alten Oper, abgeschirmt von steilen Wänden aufeinander gestapelter Baucontainer (in denen hoffentlich nur sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer hausen), entsteht ein Super-Luxus-Hotel der Kategorie „5 Sterne plus“ – cui bono? Nicht nur zahlreiche alte Bäume in den doch eigentlich geschützen Wallanlagen fielen ihm zum Opfer.

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Alte Oper/Hochstrasse

Von dem 140 Meter hohen „neuen Henningerturm“ mit 200 Luxuswohnungen einschliesslich allem erdenklichen “Lifestyle”- und “Premium”-Komfort handelten wir bereits.

Im Westend wird ein Hochhaus in einen Luxus-Wohnturm namens „Onyx“ umgebaut; unlängst erliess die Stadt einen Baustopp wegen unzumutbarem, alle Grenzwerte überschreitendem Baulärm – so etwas gibt es, man höre und staune, tatsächlich.

Im neuen Europa-Viertel soll ein weiterer Luxus-Wohnturm entstehen, man höre und staune ein weiteres Mal: im „Porsche-Design“. In Presseberichten ist von vollmöblierten Boutique-Appartements, Pent- und Townhouses die Rede, kaufen sollen sie „Kapitalanleger aus dem In- und Ausland“. Nichts also für die normale, die eigentliche Stadtgesellschaft bildende Einwohnerschaft. Und: Möchte man hier wirklich gerne wohnen? Wir ganz sicher nicht.

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Europaallee

Frankfurt am Main wächst, und das ist im Grunde erfreulich. Ob auch stets erfreulich ist, wohin es wächst, bleibt die Frage. Am Erfreulichsten aber ist es, dass es Journalisten und Köpfe wie Dieter Bartetzko gibt. Vor wenigen Tagen, am 13. September 2014, titelte er im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Profit kennt keine Geschichte – Frankfurt opfert die letzen Reste seiner Altstadt dem Bau von Luxuswohnungen. Für modische Effekte werden Geschichte und Atmosphäre ausgemerzt“.

Was sagt der gar nicht mehr so neue Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann zu diesen Entwicklungen – hat er den ganzseitigen Artikel gelesen? Seine Beamten und Bediensteten im Planungs- und Baudezernat? Die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Stadtverordneten? Werden sie alle in diese wichtige Ausstellung der Frankfurter Heussenstamm-Galerie kommen? Werden sie Lehren daraus ziehen? Wünschenswert, gar notwendig, aber kaum anzunehmen.

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Christian Kaufmann, Studienleiter „Kunst & Stadt“ der Evangelischen Akademie Frankfurt, Galerie-Leiterin Dagmar Priepke und Meike Fischer in der Vernissage; Foto: FeuilletonFrankfurt

„Meike Fischer. Panta Rhei“, eine fotografische Langzeitdokumentation; Heussenstamm-Galerie, bis 2. Oktober 2014

Meike Fischer, 1970 in Hanau geboren, studierte an der Hochschule für Gestaltung HfG in Offenbach Visuelle Kommunikation mit den Schwerpunkten Reportagefotografie bei Abisag Tüllmann und Künstlerische Fotografie bei Norbert Miguletz. Sie arbeitet unter anderem für zahlreiche Pressemedien sowie als Freie Fotografin.

Abgebildete Fotografien © Meike Fischer

 

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