Caricatura zeigt Kurt Halbritters meisterliches Werk (2)
Mit feinem Strich und Biss gegen Spießbürgertum
Von Hans-Bernd Heier
Aus Anlass des 90. Geburtstags von Kurt Halbritter, einer der bedeutendsten deutschen Karikaturisten, ehrt das caricatura museum frankfurt – Museum für Komische Kunst, den Meister des feinen Strichs mit einer hervorragenden Werkschau, der bisher umfangreichsten und vielseitigsten. Präsentiert werden Zeichnungen und Aquarelle aus dem Bestand des Instituts für Stadtgeschichte, aus eigenen Beständen sowie von weiteren Leihgebern, darunter bisher noch nie gezeigte Werke.
Gleich zu Ausstellungsbeginn begegnet der Besucher der gezeichneten Kurzbiografie „Halbritters Ganzwelt“ aus dem Jahre 1970. Der Karikaturist mit Biss skizziert auf dem Blatt seine wichtigsten Lebensstationen in Comic-Manier. Er zeigt, dass er sich auch selbst gekonnt auf die Schippe nehmen konnte.
Der junge Halbritter wurde nach einer Ausbildung zum Chemigraphen mit gerade mal 18 Jahren zur Marine eingezogen. 1944 geriet er in englische Kriegsgefangenschaft und kehrte Ende 1947 wieder nach Deutschland zurück. Da er bereits als Schüler durch sein Zeichentalent auffiel, lag es für ihn nahe, an der Werkkunstschule Offenbach, der heutigen Hochschule für Gestaltung, Illustration und Gebrauchsgrafik zu studieren. Vorbilder für ihn waren Paul Klee, Honoré Daumier und George Grosz. Als er die Arbeiten von Saul Steinberg, dem weltbekannten amerikanischen Zeichner und Cartoonisten, sah, entschloss er sich, Karikaturist zu werden. „Spätestens hier wusste ich, dass das, was ich wollte, an dieser Schule nicht gelehrt wurde“, äußerte sich Halbritter rückblickend. Er verließ die Schule ohne Abschluss und arbeitete ab 1952 als freier Zeichner, Illustrator und Karikaturist in Frankfurt-Rödelheim. Bereits 1949 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau eine erste Zeichnung von ihm.
„Johannes“, unveröffentlicht; Copyright © Kurt Halbritter / Quelle: Institut für Stadtgeschichte
Sein erstes Buch „Disziplin ist alles“ erschien 1954
in der „Schmunzelbuch-Reihe“ bei Bärmeier&Nikel, zeitgleich zur Debatte um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Über ein Dutzend weitere Bücher von Halbritter folgten in dieser Reihe. Er wurde zum erfolgreichsten zeichnenden Autor dieses Kult-Verlags. Verständlicherweise arbeitete er auch von Anbeginn bei der 1962 gegründeten Satirezeitschrift „Pardon“ mit, die ebenfalls im Verlag Bärmeier&Nikel erschien. Neben Chlodwig Poth und Hans Traxler gehörte er dort zu den prägendsten Zeichnern. Die Qualität seiner Zeichnungen setzte einen neuen Standard.
„Venus im Tümpel“, unveröffentlicht; Copyright © Kurt Halbritter / Quelle: Institut für Stadtgeschichte
Kurt Halbritter war laut Hans Traxler „Vorbild“ der Gruppe von Zeichnern und Satirikern, die sich später die Bezeichnung „Neue Frankfurter Schule“ gegeben hat. Er hat diesen Kreis maßgeblich beeinflusst und wurde von seinen Kollegen bewundert. Dies bringt Traxler in dem informativen Video, das im caricatura zu sehen ist, deutlich zum Ausdruck. Denn Halbritter war bereits erfolgreich, etabliert und hatte eine Reihe seiner insgesamt rund 20 Bücher veröffentlicht, während seine im Schnitt rund 20 Jahre jüngeren Pardon-Kollegen noch unbekannt waren und ganz am Anfang ihrer Karriere standen.
„Beinhorn“ aus „Halbritters Tier-und Pflanzenwelt“; Copyright © Kurt Halbritter / Quelle: Institut für Stadtgeschichte
Ein weiteres Erfolgsbuch des geistreichen Zeichners ist das 1975 erstmals erschienene Buch „Halbritters Tier-und Pflanzenwelt“, das jetzt ebenfalls im Verlag VitoLibro neu aufgelegt wurde. Das Buch versammelt ein Panoptikum erstaunlicher Geschöpfe. Diese exzellenten Illustrationen sind gleichermaßen Karikatur und Kunst. In diesen skurrilen Arbeiten wird neben der politischen eine weitere Seite Halbritters Schaffens deutlich, die von seiner Einbildungskraft und seinem Ideenreichtum zeugen. Passend dazu sagt er von sich selbst: „Eine Karikatur zu verstehen, ist nicht immer leicht. Einen Karikaturisten zu verstehen, fast unmöglich“. Im Museum für Komische Kunst ist eine Reihe dieser fantasievollen und komischen Cartoons im Original zu sehen.
„Wollt ihr die totale Werbung?“; Copyright © Kurt Halbritter / Quelle: Institut für Stadtgeschichte
Die Meisterschaft seines Strichs und seine schöpferische Kraft weckten auch das Interesse der Werbebranche. Vielen Frankfurtern dürfte Kurt Halbritter dank seiner Gestaltung der Kampagne „Dir und mir – Binding-Bier“ noch bekannt sein. Unter anderem traten die Figuren „Schorsch und Schaa“ (hochdeutsch Georg und Jean) mit immer neuen Sketchen im Frankfurter Dialekt über die Freuden des Biergenusses auf Bierdeckeln, Plakaten und Postkarten auf. Gut drei Dutzend dieser humorvollen Bier-Filze aus den 1960er Jahren sind ausgestellt.
Halbritter hat etliche Frankfurter Impressionen gemalt wie den Frankfurter Osthafen; Copyright © Kurt Halbritter / Quelle: Institut für Stadtgeschichte
Auf der Galerie des Museums werden biographische Exponate aus der Zeit von Krieg und Gefangenschaft Kurt Halbritters sowie seiner Ausbildung präsentiert, unter anderem ein bisher völlig unbekanntes Poesiealbum eines Kriegskameraden des Zeichners. Darin hat Kurt Halbritter mehrere Ansichten von See- und Küstenlandschaften gezeichnet. Das caricatura hat dieses Album, das das frühe Zeichentalent des Künstlers belegt, als private Leihgabe erhalten.
Skizzenblatt zu dem „Tagebuch einer Minderjährigen“; Copyright © Kurt Halbritter / Quelle: Institut für Stadtgeschichte
Mit mehr als 10.000 Originalen beherbergt das caricatura museum frankfurt die größte Sammlung der legendären Neuen Frankfurter Schule. Die Arbeiten der fünf Zeichner: F.W. Bernstein, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, Hans Traxler und F.K. Waechter werden in der Dauerausstellung im ersten Stock des historischen Leinwandhauses präsentiert. Um möglichst viele Bilder der Öffentlichkeit zeigen zu können sowie aus konservatorischen Gründen werden die Zeichnungen alle sechs Monate ausgetauscht. Mit der Neuhängung der Werke der Künstler der Neuen Frankfurter Schule werden auch Arbeiten ihres Vorbilds Kurt Halbritter aus der gemeinsamen Pardon-Zeit gezeigt. Eine rundum gelungene Präsentation!
“Kurt Halbritter”, caricatura museum frankfurt, bis 16. November 2014
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