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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 8

Ein Reisebericht

8. Teil und Schluss: Granada (2)

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

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Blick in eine Geschäftsstraße mit Sonnensegeln

Unser ausgefallen eingerichtetes Hotel lag mitten in der Innenstadt – in der Calle de los Mesones, einer sehr belebten Einkaufsstrasse mit feinen Läden. Sehr freundlich wurden wir begrüsst – wie überhaupt in allen offiziellen Einrichtungen und im Tourismusgewerbe die Leute zuvorkommend waren. Ganz besonders, wenn man sich bemühte, die Unterhaltung auf Spanisch zu führen. Dagegen auf der Strasse zuweilen gleichgültiges Treiben und Verhalten. So war mache Gasse übersät mit Zigarrettenkippen. Es fiel geradezu auf. Ansonsten waren die Strassen, die nachts gereinigt wurden, sauber.

Auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel war uns die Stele der Busstation S 5 Beethoven aufgefallen.

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Vom Hotel waren es nur wenige Schritte zur Calle Reyes Catolicos mit dem Denkmal von Königin Isabella und herrlichen Prachtbauten. Von dort sind es wieder nur wenige Schritte zur Kathedrale und zur Capilla Real.

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Prachtbau in der Calle Reyes Catolicos

Zweihundert Jahre wurde an der Kathedrale gebaut, die inmitten dichter Bebauung, am Platz der ehemaligen Moschee liegt. Begonnen wurde sie unter gotischem Einfluss. Dann wurden die Pläne geändert und es wurde die erste spanische Katherdale im Stil der Renaissance gebaut. Der Maler, Bildhauer und Architekt Alonso Cano, dem ein Denkmal gesetzt wurde, schuf die monumentale Hauptfassade. Sie erinnert an römische Triumphbögen – Symbole für den Sieg der Christen über den Islam.

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Kathedrale

Die Fassade lässt ihre Grösse im Innern jedoch nicht erkennen, das monumental, fünfschiffig, sehr hoch und hell ist. Ein Prachtstück ist die Capilla Mayor.

Die gebildete, selbstbewusste Isabella war die Tochter von König Johann II. von Kastilien und Léon und seiner zweiten Frau, Isabella von Portugal. Nach dem Tod des Vaters, da war sie drei Jahre alt, wurde die Mutter mit ihren beiden Kindern vom Hof durch den Halbbruder vertrieben. Dieser Halbbruder aus Johanns erster Ehe versuchte schon früh Isabella, noch ein Kind, zu verheiraten. Zu ihrem Glück starben alle vorgesehenen Ehemänner, und als sie erwachsen war, wehrte sie sich erfolgreich gegen eine Zwangsverheiratung. Sie wollte selber entscheiden, und sie wählte zum Ehemann Ferdinand, den zukünftigen König von Aragón. Als ihr Halbbruder Heinrich IV. starb, musste sie zunächst um den Thron kämpfen, den sie sich 1476 sicherte. Zusammen mit ihrem Mann regierten sie als die „Katholischen Könige“ Isabella I. (1451-1504) und Ferdinand II. (1452- 1516). 1492 eroberten sie Granada. Im gleichen Jahr stach Christoph Kolumbus, den Isabella unterstützte, in See. Die Katholischen Könige führten die Inquisition ein. Muslime und Juden wurden gezwungen zu konvertieren oder auszuwandern oder wurden der Inquisition übergeben.

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Denkmal der Königin Isabella auf der Plaza Isabel la Católica (Christoph Kolumbus kniet vor der Königin)

Kein anderes Herrscherpaar hat Spanien so entscheidend geprägt und auch geeint. Aber ihre Vorgehensweise war von unglaublicher Brutalität geprägt. Das soll Papst Paul VI. nicht davon abgehalten haben, 1974 den Seligsprechungsprozess für Isabella einzuleiten. Isabella provoziert Bewunderung wie Ablehnung. „Jeder kennt ihren Mut, ihre Tatkraft, ihre Stärke und den Eifer, mit dem sie Böses rodete, um Gutes zu pflanzen“, wird der Erzieher ihrer Kinder zitiert.

Im „Palast der Vergessenen“, dem Anfang 2014 eröffneten sephardischem Museum, wird an die Vertreibung der Juden erinnert.

Zehn Kinder hatte Isabella geboren, von denen fünf starben. Eine ihrer Töchter, Johanna, genannt die Wahnsinnige, verheiratet mit Philipp I. (dem Schönen) von Habsburg, dem Sohn des späteren Kaisers Maximilian I., übernahm den Thron. Ihr gemeinsamer Sohn war Karl V.

Katharina, ihre jüngste Tochter, heiratete in zweiter Ehe den englischen König Heinrich VIII., von dem sie später geschieden wurde.

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Kathedrale, Portal

Direkt neben der Kathedrale liegt die Capilla Real, deren Bau Königin Isabella I. kurz vor ihrem Tod in Auftrag gab. Sie wurde erst 1521 fertiggestellt, und die sterblichen Überreste des Königspaares, die bis dahin im Konvent San Francisco auf der Alhambra bestattet waren, wurden dorthin überführt.

Neben ihren Marmorsarkophargen stehen dort auch die ihrer Tochter Johanna und derem Mann Philipp. Ein Prunkstück der Capilla ist der Renaissance-Hochaltar, überreich verziert mit Skulpturen. Die geschnitzten Holzfiguren sind erstaunlich realistisch. In der Sakristei, die als Museum und Schatzkammer dient, befindet sich ein prunkvoller Kirchenschatz und die Gemäldesammlung, die Isabella schuf, mit Bilden von Rogier van der Weyden, Hans Memling und anderen.

Gleich gegenüber der Capilla Real liegt die Madraza, die von Yusuf I. im 14.Jahrhundert gegründete Koranschule, die heute einige Dependancen der Universität beherbergt. In unmittelbarer Nähe liegen auch der ehemalige arabische Seidenmarkt und die ehemalige arabische Karawanserei.

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Blick auf die Alhambra

Das alte Granada wurde auf drei Hügeln erbaut: dem Burgberg Alhambra, dem Hügel auf dem Albaicin (Albayzin), wo Granadas ursprünglichstes „barrio“ liegt. Seine alten arabischen Häuser gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. Den dritten Hügel (Valpariso) bildet der Sacromonte, der Heilige Berg, in den die cuevas, die Höhlenwohnungen der Gitanos hineingeschlagen wurden. Sie gehören heute zum Museo de la cuevas del Sacromonte.

Wir haben uns entschlossen, die beiden Hügel zu Fuss zu erwandern. Es war sehr anstrengend, weil zum Teil sehr steil, aber faszinierend und lohnenswert.

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Weg am Rio Darro entlang

Wir starten an der Plaza Nueva, rechts und links bedeutende Monumente, gehen am Rio Darro entlang, einem kleinen Fluss zwischen dem Alhambra- und dem Albaicin-Hügel, und gelangen in eines der ältesten maurischen Bäder Andalusiens aus dem 11. Jahrhundert, El Bañuelo. Tonnengewölbe mit ihren sternförmigen Lichtquellen werden von verschieden verzierten Säulen getragen, die aus römischer und westgotischer Zeit stammen. In kaltem, warmem und heissem Wasser sollen die Bewohner des Viertels sich hier erfrischt haben.

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↑↓ El Bañuelo

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Mit hübschen kleinen, weiss getünchten Landhäusern, dahinter Gärtchen, lockt Albaicin, das im 13.Jahrhundert zum Zufluchtsort von Muslimen wurde. Sie flohen vor den Christen aus der Stadt Baeza, nördlich von Granada (Albayyasin bedeutet: der den Menschen aus Baeza gehört). Bis 1568 wurde das Viertel von Mauren bewohnt. Heute hat sich wieder eine moslemische Gemeinde angesiedelt.

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Gasse in Albaicin

Fast auf dem höchsten Punkt des Barrio Albaicin steht die Iglesia de San Nicolás aus dem 15.Jahrhundert und gleich dahinter Granadas neue Moschee. Es ist der erste Moscheebau seit 1492. Der Islam ist in die Stadt zurückgekehrt. Etwa 15000 Muslime, viele kommen aus Nordafrika, wohnen hier wieder. Und es gibt spanische Konvertiten. Unten und oben in der Stadt werden in den Kirchen Kerzen angezündet, im Viertel Albaicin erschallt jedoch auch der Ruf „Allahu akbar“.

Vor der Kirche vom Aussichtspunkt Miradór San Nicolás kann man sich am prachtvollen Blick auf die Alhambra und den Generalife erfreuen. Um diesen meistbesuchten Platz herum liegt eine Vielzahl von historischen Monumenten.

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Mit diesem Blick vom Miradór entspannten wir erst einmal nach unserem mühsamen Aufstieg zum Stadtviertel Sacromonte, der uns über einen anderen Weg geführt hatte. Steil steigt der Camino del Sacromonte, es fahren aber auch Busse, zu Granadas Höhlenviertel.

Seit dem 15./16.Jahrhundert siedelten sich die Gitanos, Roma und Sinti, hier an. Die Mühe des Aufstiegs lohnt sich. Im Museo wird von der Lebensweise dieser Menschen erzählt und auch von der Natur des Hügels Valparaiso. Auf seiner Spitze thront die Abtei Sacromonte, die im 17.Jahrhundert an der Stätte errichtet wurde, an der Granadas Stadtpatron Cecilio den Märtyrertod erlitt.

Beim sehr steilen Aufstieg zu den Gitano-Cuevas, der gutes Schuhwerk erfordert, sehen wir einige elende Bretterverschläge, zeltähnliche Behausungen, wo Menschen zu leben scheinen. Ein Schild mahnt: „Bitte nicht fotografieren“. Von Weitem ist der trostlose, ausgedörrte Hügel zu erkennen. Noch nicht einmal ein bescheidener Gartenanbau ist hier möglich.

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Gleich am Eingang des Museumsbereichs begrüssen uns Frösche. Schautafeln klären über die im Botanischen Garten existierende Tier- und Pflanzenwelt auf.

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Blick ins Tal des Río Darro – links auf dem Hügel die Alhambra

Das Museo Cuevas del Sacromonte rekonstruiert vor allem das Leben seiner Bewohner, der Gitano-Familien. Handwerker schmiedeten Silber, schufen Gefässe aus Kupfer und flochten Körbe, die Frauen nähten Kleider.

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Der Küchenbereich

Das Museo informiert auch über ihre Musik, den Flamenco, dessen maurischer Einfluss im traditionellen Tanz Zambra zu sehen ist. Er hat Bauchtanzelemente und wurde in Granada geboren. Die Grundlage für den Flamenco bildet der Gesang, der oft durch Händeklatschen unterstützt wird. Wichtig ist der Tanz und natürlich die alles begleitende Gitarrenmusik.

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Ahnengalerie der Flamenco-Künstler

Wir sind erstaunt, kaum Besucher im Museo Cuevas del Sacromonte anzutreffen, während es in Albaicin von Touristen wimmelt. Abends jedoch werden sie heraufströmen, um in den Tablaos, den Musikkneipen, einen Flamencoabend zu erleben. Er gibt einen Eindruck, auch wenn touristisch aufbereitet, von der hohen Kunst des Flamencos. Wenn die Meldung stimmt, soll ab kommendem Schuljahr in andalusischen Schulen Flamenco neben Musik und Sport als Wahlfach auf dem Lehrplan stehen.

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Impression im Viertel Sacromonte

Besonderes Interesse hatten wir noch für das Monasterio de la Cartuja, der Kartause, eines der bedeutendsten spanischen Barockschöpfungen. Es liegt ausserhalb Granadas umgeben von Feldern und ist problemlos mit dem Stadtbus zu erreichen.

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Monasterio de la Cartuja, Portal

Das Kartäuserkloster wurde 1516 mit der Spende von Gonzalo Fernández de Córdoba y Aguilar, genannt Gran Capitán (1453-1515) finanziert. Der Feldherr im Dienst der „Katholischen Könige“, der in Süditalien gegen die Franzosen siegreich war, vermittelte bei den Verhandlungen zwischen ihnen und dem letzten Nasriden-König, Muhammad XI., Boabdil genannt. Das war 1492 – das Ende der Reconquista. Der Gran Capitán begründete Spaniens ehemals militärische Grösse. Er starb in Granada.

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Gedenkplatte an den Gran Capitán

Erst im 18. Jahrhundert wurde der gesamte Klosterkomplex fertiggestellt. Er ist gekennzeichnet durch verschiedene Bauepochen von der Gotik bis zum Barock.

Glanzstück dieses Monumentes ist die spätbarocke Sakristei, die der Architekt und Bildhauer Francisco Hurtado Izquierdo Anfang des 18. Jahrhunderts gestaltete. Das vielfach aufgebrochene Dekor aus weissem Stuck, die marmornen Sockel, überspannt von einem Tonnengewölbe, macht die Sakristei zu einem aussergewöhnlichen Kleinod. Der Künstler schuf auch die Kapelle El Sagrario (Sakramentshaus) und den Hochaltar der einschiffigen Klosterkirche.

Im Mönchtrakt sind Bilder vom heiligen Bruno, geboren in Köln, dem Begründer des Ordens, und dem heiligen Hugo, Bischof von Grenoble (selbst kein Kartäuser, der Bruno aber unterstützte) erhalten. In einem anderen Raum befinden sich Gemälde, die vom Martyrium der Kartäuser in England berichten. Der englische König Heinrich VIII. liess die Mönche verfolgen. 1836 mussten die Mönche aufgrund des Gesetzes zur Enteignung von Kirchengütern das Monasterio de la Cartuja verlassen.

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Pflasterung vor dem Monastero

Als wir das Monastero besichtigten, wurden wir gebeten, vorzeitig die Kirche zu verlassen. Der Grund: eine Hochzeit. Es scheint viel geheiratet zu werden. Zumindest wurden wir Zeuge von einigen.

Einen ganzen Tag lang müsste man sich den Spuren des Schriftstellers und Dichters Federico García Lorca (1898-1936) widmen. Geboren und ermordet in der Nähe von Granada, ist er die Symbolfigur für den Widerstand gegen den Faschismus. Etwa 20 Kilometer ausserhalb der Stadt liegt sein Geburtshaus. Ebenfalls ausserhalb befinden sich auch seine Hinrichtungsstätte sowie das Casa Museo de Federico García Lorca. In der Ruhe des ehemaligen Sommerhauses der Familie, Huerta de San Vicente, schrieb er einige seiner wichtigsten Theaterstücke: „Yerma“ und „Bluthochzeit“.

Detail aus der Skulptur Lorca in der Avenida de la Constitucío:

Stadt, o Stadt du der Zigeuner!
Wer wohl deiner nicht gedächte,
der dich jemals hat gesehn?“

aus „Romanze von der spanischen Guardia Civil“ („Zigeunerromanzen“, 1924-1927, Übersetzung Enrique Beck).

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Skulptur des Federico García Lorca in der Avenida de La Constitucion

Befreundet war Lorca mit dem Komponisten Manuel de Falla (1876-1946), der 18 Jahre in Granada wohnte. Er emigrierte 1939 nach Argentinien und kehrte nicht mehr in sein Heimatland zurück. Auch an ihn erinnert eine Skulptur in der Avenida de la Constitucion.

In Granada komponierte er einige seiner besten Werke: Opern und Zarzuelas (spanische Operetten). Persönliche Dinge, Noten und Bücher sind in dem Casa Museo Manuel de Falla zu sehen. In unmittelbarer Nähe wurde das nach ihm benannte Auditorio mit einem grossen Konzertsaal, Ende der 1970er Jahre gebaut.

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Hauseingang

Granada, die alte Palaststadt der Nasriden und der Katholischen Könige, hat heute über 230.000 Einwohner und mit etwa 60.000 Studenten eine der grössten Universitäten Spaniens. Es ist eine moderne, lebendige Stadt mit schönen Geschäften. Die vielen historischen Gebäude, die kostbaren Kirchen und Klöster nehmen viel Zeit in Anspruch, um sie halbwegs kennenzulernen.

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Ein Nachwort des Herausgebers: Renate Feyerbacher gibt uns einen erzählenden, anschaulichen, vor allem sehr persönlichen, subjektiven, individuellen Bericht von ihrer Reise (mit einer ihrer Töchter) durch Andalusien – fernab jeder Reiseführer-Stilistik. Auch jenseits des Kanons der weltbekannten Sehenswürdigkeiten in den sechs von ihr besuchten Städten geht ihr Blick dabei auf vom allgemeinen Touristikbetrieb weniger Beachtetes. Ihre Fotografien zeigen entsprechende individuelle Perspektiven und Einstellungen. Wir freuen uns, dieses kleine „Kompendium“ einer Andalusien-Reise in FeuilletonFrankfurt veröffentlichen zu können.

 

Die komplette Serie Andalusien – ein Reisebericht:

→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 1 (Málaga)
→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 2 (Ronda)
→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 3 (Cádiz)
→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 4 (Sevilla 1)
→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 5 (Sevilla 2)
→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 6 (Cordoba)
→ Andalusien – christlich-islamischer Kulturschatz / 7 (Granada 1)

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