Absolventenausstellung 2014 der Städelschule “Pashmina” im MMK-Zollamt (7)
Von Erhard Metz
Margarethe Kollmer: „exhibit“
Unsere Reihe der Ausstellungsberichte schliessen wir mit einer Arbeit, die – über die aktuelle Absolventenausstellung der nunmehr die Hochschule verlassenden Studierenden hinaus – von grundsätzlicher Bedeutung ist, ja aus unserer Sicht in gewisser Weise ein „Schlüsselwerk“ darstellt und deshalb, wie wir meinen, ebenso den Absolventenpreis verdient hätte.
Der eine oder andere Besucher der Absolventenausstellung nun wird „exhibit“, die grossformatige Videoarbeit der Frankfurter Künstlerin Margarethe Kollmer, womöglich gar nicht wahrgenommen haben, befindet sich die Projektion doch an der rückwärtigen Wand über dem Treppenaufgang zum Zollamtssaal, und wer sich nach erfolgtem Aufstieg nicht Raphaela Vogels imposantem Saurier von allen Seiten genähert und dabei das filmische Geschehen auf besagter Wand entdeckt hat, wird am Ende gar erst spät bei Verlassen des Saals darauf aufmerksam werden.
Die nach Art der Künstlerin wiederum ruhige, unaufdringliche, vom Betrachter aufmerksame Zuwendung wie auch Geduld eher ersuchende als verlangende Arbeit zeigt – nichts, und doch so vieles, das den Betrachter zu Kopfarbeit fordert: langsame Kamerafahrten wie durch einen Weichzeichner durch den leeren Zollamtssaal, über den grauen Boden und die rötlichen Fliesen, die Wände entlang, hier und da länger innehaltend, gerichtet auf das saaltypische Klinkerwerk oder weisse Wandflächen. Einiges verzerrte Stimmengewirr im Hintergrund, man geht auf Schuhabsätzen klackend hin und her, scheint aus der Nähe wie aus der Ferne über dies und jenes zu diskutieren, ohne dass wir es genauer verstehen können. Doch es wird uns vieles klar.
Ausstellungsansicht mit der Arbeit „exhibit“ der Künstlerin über dem Treppenaufgang der MMK-Dependance Zollamt
Ausführungen von Künstlerinnen und Künstlern zu ihren Arbeiten dokumentieren wir in aller Regel zwar nicht, heute jedoch tun wir es und überlassen Margarethe Kollmer gern das Wort:
Beim Gang durch eine Ausstellung sieht man die präsentierten Werke in einer akribisch geplanten Anordnung und Ausführung, so wie es Künstler und Kuratoren entschieden haben. Nichts lässt daran zweifeln, dass alles genau so ist, wie es sein soll.
Die Arbeit ‚exhibit‘ zeigt eine Videoaufnahme aus dem Zeitraum vor dem Ausstellungsaufbau im MMK Zollamt. Darin sieht man eine Raumbegehung des noch unbespielten Hauses durch die Künstlerin. Alle Wände sind noch leer und bieten Platz für potentielle Arbeiten, die noch nicht ausgewählt oder hergestellt sind. Man hört im Hintergrund, wie während der Begehung über die Raumsituation beraten wird. Alles ist noch unentschieden. Der Weg führt von Wand zu Wand. Dabei werden die noch leeren weißen Hängflächen im Ausstellungsraum in das Videobild eingepasst. Dadurch wird ein Werkformat definiert – die Größe einer angenommenen Arbeit, die daran Platz finden würde. Gleichzeitig wird ein solches Format in der Kamera durch das Abfilmen hergestellt – ein Videobild entsteht. Das Abtasten und Ausloten der Raummöglichkeiten stellt somit selbst schon die Arbeit her, indem sich diese Bilder ansammeln und zum Video werden.
Die Arbeit zeigt nicht nur die Suche nach ihrem eigenen Platz, sondern auch den Raum an Möglichkeiten, den es zu Beginn der Planungsphase einer Ausstellung gibt, und zu dem der Ausstellungsbesucher normalerweise keinen Zugang hat, weil im Moment der Präsentation alle Entscheidungen schon getroffen und alle Werke platziert sind. Gleichzeitig generiert sich die Arbeit aus einer Anzahl an Möglichkeiten für ihre eigene Präsentation.
Sie fällt mit dem Prozess der Durchführung der Ausstellung zusammen und ist in ihrer Form darauf bezogen. So entspricht der Zeitraum, in dem die Arbeit entstanden ist, genau dem der Ausstellungsdauer.
Bitte auf das Foto klicken und einen Preview sehen:
Wir sehen uns das Video wiederholt und immer wieder neu an. Gibt es noch etwas anzumerken?
Ja, vielleicht dies: Wir sehen in dieser Arbeit auch ein Symbol, ein Sinnbild für die Suche schlechthin, die Suche eines Künstlers in der Welt und in sich selbst, nach seinen anfänglich noch tastenden und zum Ende hin gültigen Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten, nach seiner Kunst, nach seinem vollendeten Werk eben.
Fotos und Videoarbeit © Margarethe Kollmer
“Pashmina. Absolventen der Städelschule 2014″; MMK-Zollamt; bis 10. August 2014
→ Absolventenausstellung 2014 der Städelschule “Pashmina” im MMK-Zollamt (1)
→ Margarethe Kollmer: nicht nur Videokünstlerin