60 Jahre Deutsch-Ibero-Amerikanische Gesellschaft in Frankfurt am Main
Von Renate Feyerbacher
Derzeit feiert die Deutsch-Ibero-Amerikanische Gesellschaft e.V. (DIAG) in Frankfurt ihr 60-jähriges Bestehen mit den „Ibero-Amerikanischen Tagen“.
Zur Feierstunde Mitte Mai 2014 im Kaisersaal des Frankfurter Römer sprachen Stadtkämmerer Uwe Becker, Botschafter Thomas Neisinger, Regionalbeauftragter für Lateinamerika und Karibik, und Wolfgang Kuhn, seit 1993 Präsident der Gesellschaft.
Wolfgang Kuhn
Thomas Neisinger und Wolfgang Kuhn
Den Festvortrag hatte die Vorsitzende des Kölner Presseclubs, Lateinamerika-Kennerin und diplomatische Korrespondentin der „Welt“, Hildegard Stausberg, übernommen. „Lateinamerika: Chancen und Herausforderungen“ war sein Titel. Sie zeichnete ein fast durchgehend düsteres Bild von den südamerikanischen Ländern, ihren Regierungen, der Korruption, den Drogenkartellen und entfachte eine kontroverse Diskussion unter den Zuhörern.
Die DIAG ist nicht die einzige ibero-amerikanische Vereinigung dieser Art in Deutschland. Der Ibero-Amerika-Verein in Hamburg wurde bereits 1916 gegründet, der Ibero-Club in Bonn 1952. Sie alle engagieren sich kulturell und gesellschaftlich sowie handelspolitisch.
Frankfurt ist heute Sitz mehrerer ibero-amerikanischer General- und Honorarkonsulate, von Aussenhandelsvertretungen und Fremdenverkehrsämtern. Seit 2007 beheimatet die Stadt auch eines der sieben „Instituto Cervantes“ im deutschsprachigen Raum. Das ehemalige Amerika-Haus in der Staufenstrasse ist sein Domizil. Das Cervantes-Institut, 1991 in Madrid gegründet, ist das spanische Pendant zum deutschen Goethe-Institut, das seit 1951 besteht.
Die Förderung der jeweiligen Sprache ist eines der Hauptanliegen beider Kulturinstitute, aber auch die Förderung der Kultur.
Der imposante Bau in Madrid, in dem das Instituto Cervantes residiert
Als die DIAG 1954 gegründet wurde, hatte sie eine einmalige Stellung in Frankfurt. Auf die Idee, sie zu gründen, kam Otto Wilhelm Lange (1884 – 1975), der ehemalige Generalintendant der Deutschen Volksoper Berlin. Die Begeisterung für Spanien hatte den damals fast 70jährigen zu diesem Schritt motiviert. Im Geiste des Naturforschers Alexander von Humboldt (1769-1859), der zweimal langjährige Forschungsexpeditionen nach Südamerika unternahm und der bei den Menschen dieses Kontinents auch heute noch hohes Ansehen geniesst und verehrt wird, wollte Lange Menschen zusammenführen. Das war 1954, neun Jahre nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg, kein einfaches Vorhaben. Die iberischen (Spanien und Portugal) und die ibero-amerikanischen Länder Südamerikas sollten in dieser Gesellschaft vertreten sein. So geschah es auch.
Unterstützung fand Otto Wilhelm Lange bei dem damaligen Frankfurter Generalintendanten Harry Buckwitz (1904 – 1987), der ab 1951 siebzehn Jahre lang die Frankfurter Theaterszene prägte. Er brachte Brechts Theaterstücke auf die Bühne (Lektüre: „Ein Haus für das Theater“ – 50 Jahre Städtische Bühnen Frankfurt am Main, 2013). Auch der damalige Kulturdezernent Karl vom Rath unterstützte die Gründung der DIAG, deren Veranstaltungen zunächst in äusserst bescheidenem Rahmen stattfanden.
Botschafter, Generalkonsuln, Konsuln, Politiker, Künstler, Literaten, Historiker waren ständige Gäste bei der DIAG und sind es auch heute noch. Eine Hauptaufgabe waren die Sprachkurse in Spanisch und Portugiesisch. Damals in den 1950er Jahren gab es „Herrenessen“ für Wirtschaftsspezialisten, es wurde gefeiert, gereist. Es gab politische, wirtschaftspolitische, kunsthistorische Vorträge, Filmabende, Dia-Schauen und Kunstausstellungen. Einiges von dem bietet die DIAG auch heute noch, aber keine Sprachkurse mehr.
Die Präsidenten der DIAG kamen aus Bankhäusern, aus Welt-Firmen, Frankfurts Oberbürgermeister waren Ehrenpräsidenten. Vierzehn Jahre lang – ab 1965 bis zu seinem frühen Tod 1979 – leitete der Politiker Hermann Schmitt-Vockenhausen, Jurist, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, die Gesellschaft. Dann folgten Carl Theodor Steidle, Direktor der Frankfurter Messe und Präsident des internationalen Messeverbandes, Günter Wohlenberg, Vorstandsvorsitzender der DEGUSSA, und seit 1993 der Jurist Wolfgang Kuhn, ehemals Direktor einer weltweit operierenden Versicherung und Generalkonsul von Peru und später von Ecuador.
Herrat Zeinecke mit Stadtrat Eugenio Muñoz del Rio; Bildnachweis: Archiv DIAG
Motor und die Seele der DIAG war über Jahrzehnte Herrat Zeinecke, geborene Lange (1926-2013), die Tochter des Gründers. Schon sehr früh hatte sie die Arbeit des Vaters, der bis ins hohe Alter geschäftsführender Vizepräsident war, unterstützt. Sie war die resolute geschäftsführende Vizepräsidentin – hochausgezeichnet vom spanischen König 1977. Es folgte 2005 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Herrat Zeinecke kannte Spanien und Portugal ausgezeichnet, sie hatte ebenso fast alle ibero-amerikanischen Länder bereist.
Mehrfach war die DIAG in Frankfurt umgezogen. Zuletzt hatte sie ihr Domizil in der Bockenheimer Gräfstrasse – in Universitätsnähe. Sehr familiär war dort die Atmosphäre. Manch heisse, auch kontroverse Diskussion war hier zu erleben. In die elitäre Gesellschaft verirrte sich natürlich kein sogenannter Gastarbeiter.
Die ehrenamtliche Geschäftsführung nimmt heute Honora von Hase-Koehler wahr, die unermüdlich die deutsch-ibero-amerikanischen Zusammenarbeit unterstützt.
Stadtkämmerer Uwe Becker mit dem Ehepaar Kuhn am 15. Mai 2014 im Kaisersaal des Frankfurter Römer
Die DIAG hatte einmal 700 Privat- und Firmenmitglieder – so steht es im Jubiläumsheft zum 40jährigen Bestehen 1994. Heute gibt es weniger Mitglieder, aber die DIAG stützt sich auf viele Sympathisanten. Seitdem Frankfurt ein Zentrum der Hispanophonie (spanischsprachiger Raum) ist, gruppieren sich Bürger um die Vertretungen ihrer jeweiligen Herkunftsländer. Das Besondere an der DIAG – und das zeigen immer wieder die „Ibero-Amerikanischen Tage“: Sie verbindet grenzenübergreifend die spanisch- und portugiesischsprachigen Länder beziehungsweise alle Menschen dieses Kulturkreises, für die die DIAG eine Instanz ist.
Präsident Wolfgang Kuhn gelingt es immer wieder, kompetente Redner zu verpflichten. Im letzten Jahr war es der Botschafter von Ecuador, Jorge Jurado, der in deutscher Sprache mit dem Vortrag „Ecuador, Wege aus der Krise“ sein Land kritisch-wohlwollend vorstellte – ein hoch interessanter Beitrag.
Botschafter Jorge Jurado im Gespräch mit Jorge Antonio Garcia, Vizekonsul der Dominikanischen Republik, am 14. Mai 2013 im Frankfurter Römer
Am 8. Juli 2014 werden die Festwochen zum DIAG-Jubiläum mit einem Vortrag des Botschafters von Peru und peruanischen Generalkonsuls für Hessen, Alfredo Arecco Sablich, beendet, der über die deutsch-peruanischen Beziehungen seit der Gründung der Republik Peru im Jahr 1821 bis heute berichten wird. Zu den Veranstaltungen sind nicht nur Mitglieder, sondern auch Gäste stets willkommen.
Fotos (soweit nicht anders bezeichnet): Renate Feyerbacher
(Anmerkung des Herausgebers: Die Autorin bereiste Peru und Bolivien in Eigenorganisation – mit VW-Käfer, Bergarbeiter-Zug und Flugzeug – ; sie erlebte die seinerzeit von Touristen noch unberührte Ruinenstadt Macchu Picchu und begleitete Bergarbeiter hinunter in die bolivianische Silbermine Potosi. In jüngerer Zeit erkundet sie Spanien.)
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