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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Paradiesvögel“ im Museum Wiesbaden

Den buntgefiederten „Boten der Götter“ auf der Spur

Von Hans-Bernd Heier

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Historische Zeichnung eines Strahlenparadiesvogels aus der 1873 erschienen Monografie der Paradiesvögel von Daniel Giraud Elliot

Nach der ersten Weltumseglung läuft am 6. September 1522 die Karavelle „Victoria“ mit einem traurigen Häuflein von 18 Überlebenden in ihren Heimathafen von Sanlúcar im Südwesten Spaniens ein. Von dort aus waren drei Jahre zuvor unter dem Kommando des wagemutigen portugiesischen Seefahrers Fernão de Magalhães, bekannter unter dem Namen Magellan, fünf Schiffe mit 250 Mann Besatzung zu ihrer verwegenen Entdeckungsreise in See gestochen

. Nur die „Victoria“ kehrte von dieser tollkühnen Expedition mit gerade einmal 18 abgerissenen Seeleuten in den Heimathafen zurück – ohne den visionären Magellan, der auf den Philippinen im Kampf erschlagen worden war.

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Raggi-Paradiesvogel aus den Naturhistorischen Sammlungen des Museums Wiesbaden

Die Karavelle hatte neben wertvollen Gewürzen auch die ersten fünf Paradiesvogel-Präparate an Bord. Diese waren Geschenke der Völker Neuguineas für den spanischen König. Die präparierten Vögel bestachen durch ihr unglaublich farbenprächtiges Gefieder, allerdings fehlten ihnen die Beine. Auch in späteren Jahren brachten Handelsschiffe der Portugiesen und Niederländer Bälge nach Europa, die keine Füße und bisweilen auch keine Flügel hatten. Diese Tatsache inspirierte die Fantasie von Wissenschaftlern und Künstlern gleichermaßen. So entstand die Legende, dass die Tiere niemals die Erde berührten und Göttervögel seien.

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Kleiner Paradiesvogel; Foto: © Tim Laman

In frühen Berichten wurde auch gemutmaßt, „dass die Tiere aus dem Paradies stammen, was ihnen später den Namen Paradiesvögel einbrachte“, wie Michael Apel, Leiter des Museums Mensch und Natur in München, in dem exzellenten bebilderten Begleitbuch „Natur- und Kulturgeschichte der Paradiesvögel“ schreibt.

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Roter Paradiesvogel; Foto: © Tim Laman

Wo genau und wie diese prachtvollen „Boten aus dem Paradies“ lebten, blieb jedoch lange geheimnisumwittert. Denn die exotischen Vögel mit dem prachtvollen Federkleid leben verborgen in den tropischen Wäldern Neuguineas, Australiens und der Molukken. Alfred Russel Wallace, Mitentdecker der Evolutionstheorie, war der erste Europäer, der sie 1857 auf den Aru-Inseln in ihrem Lebensraum sorgfältig beobachtete. Was der berühmte Naturforscher von ihren Balztänzen und ihrem Lebensraum zu erzählen wusste, fand nicht nur Eingang in die Zoologie-Bücher. Auch das große Interesse der Öffentlichkeit war geweckt.

Kaum eine andere Tiergruppe hat die Fantasie mehr angeregt. Wissenschaftler, Künstler und auch interessierte Laien wollten mehr über diese legendären Vögel wissen. Zahlreiche Expeditionen wurden ausgesendet. Seit 400 Jahren werden die „gefiederten Topmodels“ des bedrohten Paradieses erforscht und sorgen bis heute mit immer neuen Details aus ihrem Leben für Überraschungen. Derzeit sind insgesamt 42 Arten aus Neuguinea, Australien und von den benachbarten Inseln bekannt.

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Schwanzfeder eines Königsparadiesvogels, eines der kleinsten, aber auch prächtigsten Exemplare dieser Spezies

Im Museum Wiesbaden stehen die in den tropischen Wäldern lebenden prachtvollen Vögel bis zum 16. November 2014 im Zentrum einer großen Sonderausstellung der Naturhistorischen Sammlungen. In der „Galerie der Schönheiten“ werden die besten Präparate von acht Paradiesvogel-Arten hervorragend präsentiert. Besucherinnen und Besucher können diese nicht nur aus nächster Nähe bewundern, sondern ergänzend dazu auch in Videoaufnahmen ihren Gesängen lauschen und ihre auffälligen Balztänze verfolgen.

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Die Präsentation begeistert nicht nur ältere, sondern auch jüngere Besucher; Foto: Hans-Bernd Heier

Ein Highlight dieser grandiosen Schau mit der sehr aufwändigen Ausstellungsarchitektur ist eine begehbare Regenwaldinszenierung. Hier sind die exotischen Schönheiten zwischen Urwaldriesen und Lianen versteckt und müssen mit dem bereitgestellten Fernglas erst entdeckt werden.

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Der Blick durch das installierte Fernglas ermöglicht eine eigene Entdeckungstour durch die Regenwaldinszenierung

Ergänzend zu den Natureindrücken liefert die vielfältige Schau, die vom Museum „Mensch und Natur“ in München unter dem Titel „Gefiederte Top-Models und göttliche Verführer“ konzipiert und von vornherein als Wanderausstellung geplant wurde, Einblicke in die wechselvolle Kulturgeschichte der Tiere.

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Mit dem unbefiederten und intensiv blau gefärbten Kopf gehört der Nacktkopf-Paradiesvogel zu den auffälligsten Erscheinungen der Spezies; Foto: © Tim Laman

Präparate der farbprächtigen Vogelfamilie wurden rasch begehrte Sammelobjekte, mit denen viel Geld verdient wurde. Besonders als in Europa der Federschmuck zu beliebten Modeaccessoires der Damenhüte avancierte, setzte ein regelrechter Run auf die Vögel mit dem prachtvollen Federkleid ein. So wurden im Jahr 1913 alleine aus dem wilhelminischen Teil Neuguineas offiziell über 16.000 Paradiesvögel im Wert von einer Million Mark ausgeführt. Weltweite Proteste führten um 1914 zu den ersten Naturschutzgesetzen überhaupt und verhinderten die Ausrottung der sagenbehafteten Tiere.

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Bei der Gesichtsbemalung, bei Kopfschmuck und Stammestänzen lassen sich noch heute die indigenen Völker ganz erheblich von den gefiederten Boten des Paradieses inspirieren, wie beispielsweise der Stamm der Huli, die im südlichen Hochland Neuguineas leben; Foto: Hans-Bernd Heier

Paradiesvögel gehören zu einer Vogelfamilie, die nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihres ungewöhnlichen Gebarens die Menschen fasziniert“, sagt Fritz Geller-Grimm, Leiter der Naturhistorischen Sammlungen des Museums Wiesbaden. Deshalb waren und sind sie auch heute noch ein reizvolles Thema voller Überraschungen für die Forschung. Allerdings nähern sich die Forscher auf friedlichere Weise den scheuen Tieren als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unter der Regie des britischen Tierfilmers David Attenborough entstanden Ende des vorigen Jahrhunderts die ersten Filmaufnahmen. Erst 2012 gelang es dem Ornithologen Edwin Scholes von der Cornell-Universität und dem Biologen und Fotografen Tim Laman, alle Arten in Freiheit zu fotografieren. In der Ausstellung dürften auch die Aufnahmen dieser Naturforscher für Begeisterung sorgen.

Ergänzend zu der großartigen Wanderausstellung aus München zeigt das Wiesbadener Museum im zweiten Teil der Schau Exponate aus der reichhaltigen eigenen Sammlung zu diesem Kulturkreis. Ein großer Teil dieser Kollektion wurde von dem Nassauer Arzt Ernst Albert Fritze zusammengetragen. Der naturwissenschaftlich interessierte Fritze praktizierte vor knapp 200 Jahren auf Java. In seiner Sammlung finden sich 22 Paradiesvogelarten von Neuguinea und Australien und hunderte weitere fremdartig anmutende Tiere. Denn dort leben eierlegende Igel, Vögel mit giftigen Federn, Laufvögel mit Helm und Tauben mit Krone sowie auf Bäumen herumspringende Kängurus. In einem gesonderten Ausstellungsraum sind Präparate dieser Tiere zusammen mit Halsketten aus Schweinehauern und Orchideenfasern und Haarreifen aus Rosenkäfern zu sehen. Auch kunstvolle Hornvogel- oder Flughund-Ahnenfiguren oder ein mit Krokodilmotiv geschnitztes Kanu für Kinder sind als Beispiele der Handwerkskunst und Naturverbundenheit der Völker Neuguineas ausgestellt.

Paradiesvögel“, Museum Wiesbaden, bis 16. November 2014

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): © Museum Wiesbaden

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