Die Göttliche Komödie im MMK Frankfurt (3)
HIMMEL
HÖLLE
FEGEFEUER
aus Sicht
afrikanischer Gegenwartskünstler
In drei Abschnitte gliedert sich bekanntlich Dantes “Divina Commedia”, die „Göttliche Komödie“: Inferno (Hölle), Purgatorio (Fegefeuer) und Paradiso (Paradies, Himmel). In den drei Ausstellungsebenen des Frankfurter MMK befindet sich, wie bereits berichtet, die „Hölle“ in der oberen Etage, die mittlere nimmt das „Fegefeuer“ ein, dem wir uns heute zuwenden.
Erneut betonen wir, dass mit der Ausstellung keine wie auch immer geartete Illustrierung der Danteschen “Divina Commedia” beabsichtigt ist. Und „aus Sicht afrikanischer Gegenwartskünstler“ bedeutet nicht, wie bereits aus der vorangegangenen Folge „Hölle“ ersichtlich, dass alle diese Künstlerinnen und Künstler ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in einem afrikanischen Land haben. Viele unter ihnen haben europäische oder amerikanische Universitäten und Akademien besucht. Manche sind anschliessend in ihr Heimatland in Afrika zurückgekehrt, andere nicht.
Nun geht es in die mittlere Ausstellungsebene zum
FEGEFEUER
Yinka Shonibare, How To Blow Up Two Heads At Once (Gentlemen), 2006, zwei Schaufensterpuppen, zwei Pistolen, Baumwollstoff mit Batikdruck, lederne Reitstiefel, Installationsansicht; Courtesy Colecção Sindika Dokolo, Luanda
Zwei Herren duellieren sich dort, den Kopf haben sie sich schon weggeschossen. Nun, wer sich in solcher Weise um Mannesehre oder Satisfaktion bemüht, hat mit dem Verlust der obersten Extremität womöglich nicht allzu viel verloren. Nun hat das Werk des 1962 in London geborenen Künstlers aber eher mit Kolonialismus, seiner Überwindung oder – vielleicht – dessen möglichem Wiederaufleben im Zeichen der sogenannten Globalisierung zu tun. Yinka Shonibare wuchs in Lagos auf, kehrte nach London zurück, wo er seinen Master of Fine Arts erwarb und auch heute lebt und arbeitet. Er gehört der Gruppe der Young British Artist an. Unter anderem beschäftigt er sich mit den bunten, unter der Bezeichnung Dutch Wax bekannt gewordenen und in Afrika beliebten Stoffen, mit denen er auch die Kleidung der Duellanten im Stil des 19. Jahrhunderts versieht.
Nandipha Mntambo, 1982 in Mbabane, Swasiland geboren, schloss 2007 ihr Studium der Kunst an der Michaelis School of Fine Art in Kapstadt mit dem Magister Artium ab. Ihre jetzt in Frankfurt ausgestellte Arbeit „Cardinal IV“ komponiert vier getrocknete und verformte Kuhhäute zu einem Ensemble, das die vier Kardinaltugenden, ursprünglich Verständigkeit, Gerechtigkeit, Frömmigkeit und Tapferkeit, später Gerechtigkeit, Mässigung, Tapferkeit und Weisheit verkörpern soll. „Eine konstante und klare Erinnerung an das, was uns allen sicher ist – Leben und Tod verbindet uns alle miteinander. Dantes Reise durch die drei Reiche des Jenseits findet ihren Höhepunkt in seiner Einsicht und in seinem Verständnis der göttlichen wie menschlichen Natur Christi“, so die Künstlerin.
Nandipha Mntambo, Cardinal IV, 2014, Kuhhaut, Harz, Polyester, Installationsansicht; Courtesy die Künstlerin und Stevenson, Kapstadt und Johannesburg
Dimitri Fagbohoun wurde 1972 in Cotonou, Benin geboren. Er befasst sich mit Fotografie, Video und Installation und lebt und arbeitet in Cotonou sowie in Paris. In seiner für das MMK entwickelten Arbeit, einem dreiteiligen Beichtstuhl in Originalgrösse, steht ein Video mit der Lebensgeschichte seiner Eltern im Mittelpunkt. Über der rechten Kniebank leuchtet am Sprechgitter ein lumineszierendes Christus-Bild; die linke Kniebank und die Armauflage sind mit aufrecht stehenden Schrauben bestückt, am Sprechgitter hängt eine Tafel mit zwei farbig dargestellten Schwertern, deren Bedeutung wir noch nicht haben enträtseln können.
↑↓ Dimitri Fagbohoun, Réfrigerium, 2014, Beichtstuhl, 2 Keramiken, Schrauben, Buch, Elektroluminezenz-Papier, Besen, Video-Ton 5’38“ (Loop); Installationsansicht und Details; Courtesy der Künstler
Hassan Musa, 1951 im sudanesischen El Nuhud geboren, Maler und Performancekünstler, studierte an der École des Beaux-Arts in Khartoum und promovierte anschliessend in Montpellier. Er lebt und arbeitet in Nîmes. Im MMK ist er mit einer dreiteiligen Textilarbeit vertreten, die den Betrachter alsbald die entsprechenden Vorbilder erkennen lässt: „Désirer“ liegen Jean-François Millets „Ährenleserinnen“ zu Grunde, „Combattre“ Eugène Delacroix‘ „Kampf Jakobs mit dem Engel“ und „Jouir“ die Skulptur „The Supermarket Lady“ von Duane Hanson. Musa befasst sich mit den Vorstellungen vom Himmel und Märtyrertum: „Als die globale Amerikanisierung auf neo-islamische Überzeugungen traf, machte die Idee des Himmels eine Wandlung durch – die ‚heiligen‘ Fantasien und Wünsche der Konsumenten wurden sofort greifbar“, so Hassan Musa. „Die drei Arbeiten sind eine Hommage an diese historischen Entwicklungen.“
Joël Andrianomearisoa wurde 1977 in Antananarivo / Madagaskar geboren, wo er – neben Paris – auch heute lebt und arbeitet. Hunderte und Aberhunderte von mehr oder weniger aufgeklappten rechteckigen Taschenspiegeln zerkleinern und zerstückeln Konterfei und Körperansicht des auf sie Hinschauenden. Das zerlegte Spiegelbild verändert sich auf so noch nicht wahrgenommene Weise mit den Bewegungen und Schritten des Betrachters. Es ist evident, dass man eher von einem Verbergen des sich Spiegelnden sprechen kann, wobei aus diesem Verbergen und Verweigern auch eine (Selbst-)Erkenntnis des Betrachters erwachsen kann. Denn was will ein sich Spiegelnder in seinem Abbild sehen als letztlich die Bestätigung dessen, wie er selbst sich sehen möchte?
Joël Andrianomearisoa, Sentimental Negotiations Act V, 2013, Mixed Media, Taschenspiegel, Holz, Installationsansicht; Courtesy der Künstler
“Die Göttliche Komödie”, MMK Museum für Moderne Kunst, bis 27. Juli 2014
Zitate einzelner Künstler sind dem “Kurzführer zur Ausstellung” (Hrg. MMK Museum für Moderne Kunst) entnommen; Fotos: FeuilletonFrankfurt
→ Die Göttliche Komödie im MMK Frankfurt
→ Die Göttliche Komödie im MMK Frankfurt (4)