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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Monika Müller-Löwenberg: „Gesichter, die Geschichten erzählen“

Dritte Fotografieausstellung in der Frankfurter Stadtteilbibliothek Seckbach

Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon (Psalm 90, Vers 10, Lutherbibel 1912)

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Am Südhang des Frankfurter Lohrbergs, im Stadtteil Seckbach, unterhält die 1920 gegründete Henry und Emma Budge-Stiftung eine Seniorenwohnanlage mit Pflegeheim. Die Frankfurter Malerin, Grafikerin, Illustratorin und Fotografin Monika Müller-Löwenberg, der Stiftung seit langen Jahren verbunden, fertigte fotografische Porträts von Bewohnerinnen und Bewohnern dieser Anlage. Im Juni 2012 wurden die Fotografien ein ersten Mal in der Zentralbibliothek der Stadt Frankfurt am Main ausgestellt, ein weiteres Mal ein Jahr später im Haus der Budge-Stiftung selbst – auf ausdrücklichen Wunsch der Bewohnerinnen und Bewohner. Eine Reihe dieser Arbeiten ist derzeit – und jetzt zum dritten Mal – in einer Ausstellung „Gesichter, die Geschichten erzählen“ bis zum 31. Juli 2014 in der Stadtteilbibliothek Seckbach zu sehen.

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Was gefällt Monika Müller-Löwenberg besonders an den Bewohnerinnen und Bewohnern und dem Leben der alten Menschen in der Budge-Stiftung? Es ist eine jüdische Stiftung, sagt sie, mit dem ausdrücklichen Stiftungszweck, dass Juden und Christen unter einem Dach leben. „Das besondere an diesem Haus ist die Mischung der Bewohner, jüdisch/christlich. Alle jüdischen Feste und Feiertage, ebenso Gedenktage finden mit allen Bewohnern statt. Oftmals beginnen diese Tage in der hauseigenen Synagoge mit dem Rabbiner. Ich bin öfter in der Synagoge, ich habe viel über das Judentum gelernt und lerne immer wieder dazu.“

„Die Menschen hier lassen sich nicht gehen, zumindest die Mehrheit, sie nehmen teil an den Angeboten, Ausflügen, Lesungen, Theater, Konzerten usw.“, erzählt die Fotokünstlerin. „Immerhin sind diese Bewohner, um die es hier geht, um die 80 bzw. 90 Jahre alt. Sie sind neugierig, liebenswert, hören zu, fragen nach meinem Enkel!“

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Es hatte sich ganz ungezwungen ergeben, als Müller-Löwenberg wieder einmal die alten Menschen besuchte: Sie sind doch Fotografin, machen Sie doch mal ein Foto von mir, wurde sie gebeten. Und sie erklärten sich gern damit einverstanden, dass die Fotos auch im öffentlichen Raum ausgestellt werden können.

Es sind ruhige, fast könnte man sagen unspektakuläre Bilder, die der Künstlerin gelungen sind, keines von ihnen ist „gestellt“, auch wenn mancher Blick Richtung Kameralinse geht. Die Porträts spiegeln die einzelnen Persönlichkeiten in der verinnerlichten Würde ihres Lebensalters wider. Fotografiert mit künstlerischer Intuition wie Sensibilität, mit Respekt vor dem Gegenüber, mit viel Zugewandtheit – ja Liebe, Nächstenliebe im besten Sinn jüdisch-christlicher Tradition.

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„Alt möcht ich werden wie ein alter Baum,
mit Jahresringen, längst nicht mehr zu zählen …“
Louis Fürnberg (1909 bis 1957), die zwei ersten Zeilen seines wunderbaren Gedichts „Alt möcht ich werden“

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Manche ihrer Fotografien hat Monika Müller-Löwenberg mit Aquarellfarben ebenso sparsam wie feinfühlig handkoloriert. Man muss mitunter schon sehr genau hinschauen, um die Farbgebung zu erkennen. Ein Paar im Budge-Wohnheim – ein Glas Rotwein bedeutete ihm viel.

Die Kolorierung – wir verstehen sie als Ausdruck persönlicher Empathie, als eine besondere Art von Zuwendung der Künstlerin zu „ihren“ Alten, die sie mittels der fotografischen und malerischen Erfassung künstlerisch erhöhte. „Bei einigen Fotos hat sich dies einfach angeboten“, erklärt sie. Und: „Ich wollte auch zeigen, wie hübsch die Damen und Herren sich machen.“

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Ein anderes Paar – die gelbfarbene Blume und beider erfrischendes, wie Maibowle ausschauendes Getränk unterstreichen die liebevolle Umarmung. Ein Lippen-Rouge betont die gepflegte Erscheinung der Seniorin, eine in leichtem Violett getönte Halskette offenbart deren ästhetischen Anspruch ihrer eigenen Person gegenüber.

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„Lerne alt zu werden mit einem jungen Herzen. Das ist die Kunst.“
Johann Wolfgang Goethe (zugeschrieben)*

Unsere zwei „Lieblingsarbeiten“ der Ausstellung:

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Rosa- und orangefarbige Schleifchen im Haar – ein wässriges, zugleich lebendiges Blau der Augen. Beide Arbeiten sprechen für sich.

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„Gesichter, die Geschichten erzählen“ – so der Titel der Ausstellung. Wahrlich erzählen sie ihre Geschichten – die fotografierten Seniorinnen und Senioren. „Ich brauche sie deshalb hier nicht zu erzählen“, so die Künstlerin. „Es ist die Aufgabe des Betrachters, diese Geschichten zu entdecken und zu verstehen … und zu jeder Fotografie eine eigene Geschichte zu entwickeln – im besten Fall seine eigene“.

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Die Künstlerin in der Vernissage vor einer ihrer Arbeiten; Foto: FeuilletonFrankfurt

Monika Müller-Löwenberg, „Gesichter, die Geschichten erzählen, Stadtteilbibliothek Seckbach, bis 31. Juli 2014

Fotografien © Monika Müller-Löwenberg

(* Der im Internet zigfach zitierte Aphorismus kann derzeit nicht mit einer eindeutigen Quelle belegt werden)

 

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