home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Fassbinder – JETZT. Film und Videokunst“ – Ausstellung im Deutschen Filminstitut / Filmmuseum

Von Renate Feyerbacher

Plakat Fassbinder-430

Ausstellungsplakat; Foto: Renate Feyerbacher

Am 1. Juni 2014 endet die Ausstellung „Fassbinder – JETZT. Film und Videokunst“, die nicht zuletzt ergründen will, welche Rezeption und Resonanz das Werk von Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) heute vor allem im Bereich jüngerer Film- und Videokünstlerinnen und -künstler findet.

Fassbinder war einer der bedeutendsten deutschen Nachkriegsregisseure und der international anerkannteste Filmregisseur des Neuen Deutschen Films.

Ein wahnsinniges Arbeitstempo hat dieser Mann an den Tag gelegt: 44 Kino- und Fernsehfilme (davon 26 Eigen- und Koproduktionen), 21 „Nebentätigkeiten“ als Schauspieler, 14 originär geschriebene, 6 neubearbeitete und 25 inszenierte Theaterstücke, 50 Drehbücher (13 mit Ko-Autoren), 4 Hörspiele und 14 Liedtexte – und das innerhalb von nur 17 Jahren.

Früh nahm er Schauspielunterricht in München und bewarb sich zweimal an der neugegründeten Film- und Fernsehakademie Berlin – er wurde nicht aufgenommen.

Er realisierte daraufhin drei Kurzfilme, liess die Schauspieltruppe des Münchner Action-Theaters sein erstes Bühnenstück „Katzelmacher“ spielen, das er 1969 verfilmte – es war nach „Liebe ist kälter als der Tod“ sein zweiter Langspielfilm. Er bescherte ihm Auszeichnungen: unter anderem den Deutschen Filmpreis in fünf Kategorien. Der Film erzählt das Leben von mehreren jungen Paaren, die wechselnde Beziehungen haben, dann kommt der griechische Gastarbeiter Jorgos in die Gruppe. Das Feuilleton war begeistert und feierte ihn als „Wunderkind“.

Rainer-Werner-Fassbinder3-500

Rainer Werner Fassbinder im Jahr 1970. Quelle: DIF © Peter Gauhe

Fünf Jahre später erhalten der Film „Angst essen Seele auf“ beim Filmfestival in Cannes den Kritikerpreis und Brigitte Mira den Deutschen Filmpreis in Gold für ihre Rolle als Beste Hauptdarstellerin. Sie spielt die über 60 Jahre alte Emmi, die einen um zwanzig Jahre jüngeren Marrokaner heiratet – zwei brisante Themen Anfang der 1970er Jahre.

Im selben Jahr, 1974, übernahm Fassbinder die Ko-Direktion des Frankfurter TAT, des „Theaters am Turm“, jedoch nur für acht Monate. Es war eine äusserst angespannte Zeit, die der damalige Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, der den Regisseur und seine Stars engagiert hatte, erlebte. Fassbinder verwickelte Frankfurt in einige Turbulenzen. Noch einmal gab es viele Jahre später Furore in Frankfurt wegen seines Stücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“, das 1986 in den Kammerspielen aufgeführt werden sollte. Dies scheiterte aber an dem Widerstand der Frankfurter Jüdischen Gemeinde.

Zu sehen sind in der aktuellen Ausstellung Drehbücher, Filmlisten, Briefe, Notizen und Werkfotos von ihm und seinen Stars. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den Filmausschnitten.

kleinDIF-Fassbinder_130-600

↑↓ Ausstellungsansichten; © DIF / Fotograf: Uwe Dettmar

kleinDIF-Fassbinder_132-600

Die Filmsequenzen sind thematisch gegliedert, zum Beispiel: „Kamerafahrten“, „Beziehungen“, „Licht und Farbe“, „Gruppenverhalten“ oder „Gesellschaftskritik“. Die Vorführung in allen sieben Kojen dauert rund 70 Minuten, wenn man sich die Beispiele, die Privates und Gesellschaftliches mischen, komplett ansieht. Diese kompakte Bündelung ist wie eine Lehrstunde in Psychoanalyse. Für die älteren Filminteressierten, die sicher einige der Fassbinder-Filme kennen, ist es sehr interessant, das schon einmal Gesehene nachzuvollziehen. Für die jüngeren ist es schwieriger, sie müssen sich mittels kurzer Filmausschnitte in das Geschehen hineinversetzen, aber diese psychoanalytische Vorgehensweise in den Filmen wird auch sie fesseln.

An diesem Wochenende gibt es im Kino des Deutschen Filmmuseums die Möglichkeit, Fassbinders Mammutwerk „Berlin Alexanderplatz“ komplett zu sehen. Die dreizehn Folgen und ein Epilog der Fernsehproduktion im Auftrag des WDR von 1980 basieren auf Alfred Döblins (1878-1957) gleichnamigem Roman, der 1929 erschien. Die 15-stündige, restaurierte Fassung durch die Rainer Werner Fassbinder-Foundation gibt es auf DVD; sie wurde 2007 auf der Berlinale präsentiert.

Eine von Fassbinders Stars, Hanna Schygulla, spielte die Eva in „Berlin Alexanderplatz“. Sie war auch der Star beim Empfang des Deutschen Filmmuseums anlässlich der Berlinale 2014, wo sie auch mit dem Song an „Lili Marleen“ erinnerte. Sympathisch, aufgeschlossen, für alle ansprechbar mischte sie sich unter die Menschen.

Schygulla-430

Hanna Schygulla am 11. Februar 2014 in Berlin; Foto: Renate Feyerbacher

Noch einmal ein Blick auf die Ausstellung in Frankfurt. Gezeigt werden auch neue Videoarbeiten, unter anderem: „Angst Essen“ des in Singapur geborenen Filmemachers Ming Wong, der seit Jahren in Berlin lebt und arbeitet. Er begeisterte sich für Fassbinders Filme und stellte 2008 „Angst essen Seele auf“ nach. Wie würde sich Fassbindern heute dazu äussern?

Im März 1982, drei Monate vor seinem Tod, hatte er laut Ausstellungskatalog erklärt: „Ich glaube nicht an Video … Ich glaube nicht, dass man durch die Videotechnik den Film ersetzen kann“. Umgekehrt glaubten die damaligen Videokünstler nicht an das Kino, so Ausstellungskuratorin Anna Fricke in ihrem Beitrag in besagtem Katalog.

Wie würde Fassbinder heute darüber sprechen? So wie er einzuschätzen ist, würde er mit Video wohl zumindest experimentieren.

kleinDIF-Fassbinder_141-600

Ausstellungsansicht; © DIF / Fotograf: Uwe Dettmar

Alle Folgen von „Berlin Alexanderplatz“ werden ab heute (Freitag, 16. Mai), bis Sonntag, 18. Mai 2014, jeweils ab 18 Uhr im Filmmuseum gezeigt.

Die Ausstellung im Deutschen Filminstitut / Filmmuseum läuft noch bis zum 1.Juni 2014.

 

Comments are closed.