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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne” im Frankfurter Kunstverein / 5

Simon Rübesamen: Handschmeichler im XXL-Format

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o. T., 2010, GFK, Lack

Man möchte es gern und darf es nicht: mit den Händen, Lustgewinn suchend, über die wunderbar geschwungenen, sorgsam geglätteten Oberflächen fahren – der Himmel ist hoch und der Zar ist weit, wie es die altrussische Weisheit lehrt (wobei der scheidende Kunstvereinsdirektor Holger Kube Ventura in diesem Spielvergleich den Zaren geben müsste)

, aber eine hierarchisch nachgeordnete Aufsichtsperson könnte das von der Kamera erfasste Geschehen verfolgen und uns des Kunstwerkfrevels überführen – das wollen wir nun auch wieder nicht. Also: Hände weg, auch wenn es schwerfällt.

Es sind liebenswerte, „putzige Gesellen“, die uns der Künstler modelliert, sie sind einfach sympathisch, wären sie aus Steifftier-Material und nicht aus GFK – glasfaserverstärktem Kunststoff also, ein, wie wir lesen, kostengünstiger und dennoch sehr hochwertiger Faser-Kunststoff-Verbund – , wir würden sie knuddeln wollen statt nur streicheln, aber das hatten wir schon, siehe oben.

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Als liebenswert, sympathisch empfinden wir diese Arbeiten, wir schrieben es bereits, denen wir ein gewisses Eigenleben, gar Charaktereigenschaften zuschreiben möchten – doch sehen wir gleich den erhobenen Zeigefinger der Kunst-Wissenden: nein, um Material, Form und Farbe gehe es im künstlerischen Prozess – aber man wird sich als Betrachter doch noch in das Reich der Assoziationen entführen lassen dürfen?

Eine sehr schöne Arbeit, dem Anschein nach und auf den ersten Blick ein „Sockelwerk“, aber natürlich ist es keins, denn „Unter- und Oberbau“, wenn man es denn so nennen dürfte, bilden eine Einheit. Die eine Seite des Sockels/Unterbaus ist furniert, die andere bemalt. Ja, man könnte das Werk „vom Fleck weg“ kaufen, solange die Objekte des Meisterschülers der renommierten Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst noch für Normalsterbliche „bezahlbar“ sind.

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CP4G, 2008, Porzellan glasiert, Sockel: Holz, Furnier, Acryl, 40 x 50 x 80 cm

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o.T., 2013, GFK, Holz, Lack

Auch das obige Objekt – es erinnert an eine grössere Vase, aber deren Hals, wenn es denn eine wäre, ist verschlossen – erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, es handele sich um ein klassisches „Sockelwerk“, dann auf den zweiten scheint es über dem Sockel zu schweben, und endlich aus der Nähe erkennt man, dass der durchaus wuchtig erscheinende Skulpturenkörper über einen sehr dünnen Steg mit dem schlanken Piedestal verbunden ist und gleichsam auf ihm balanciert. Beide Elemente bilden wiederum eine Einheit.

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LR26, 2009, Zellan, Acrylfarbe, 28 x 28 x 500 cm

Keine überdimensionierten exotischen Musikinstrumente (ein tiefes Alphorn beispielsweise bringt es auch auf eine Länge von bald 5 Metern), auch nichts Rechtes, um etwas betriebs- oder volkswirtschaftlich Produktives oder Nutzbringendes damit betreiben zu können, aber dennoch schön: die beiden ausgestellten „LRs“ (steht das für „Langes Rohr“?). Die Nr. 26 – wieder handschmeichlerisch – geglättet und kunterbunt wie zugleich in strenger Form und mit Disziplin bemalt; die Nr. 25 erscheint auf eine eigenartige Weise unfertig, Gussgrate „stören“ an den Flanken, das Stück gehört, hören wir den Handwerker sagen, erst einmal auf der Bank ordentlich abgedreht. „Integraler Bestandteil jeder Skulptur von Rübesamen“, so lesen wir denn auch im Kunstverein, „sind die vom Künstler entweder zugelassenen oder eben strikt unterbundenen Spuren (wie z.B. Gusskanäle) und Hinweise auf formgebende Prozesse“.

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LR25, 2009, Zellan, 35 x 35 x 500 cm

In der Tat erinnern uns diese Arbeiten, auch wenn sie liegen (man könnte sie ja auch aufstellen?!) in gewisser Weise an Constantin Brancusis legendäre „Endlose Säule“, Teil einer Gedenkstätte im rumänischen Târgu Jiu für im Ersten Weltkrieg gefallene Soldaten.

Simon Rübesamen, 1976 in Halle/Saale geboren, studierte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Fotografie und Freie Kunst mit dem Abschluss Diplom und Meisterschüler bei Professorin Astrid Klein.

Abgebildete Werke © Simon Rübesamen; Fotos: FeuilletonFrankfurt

→ “Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne” im Frankfurter Kunstverein / 6 (Schluss)

→  “Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne” im Frankfurter Kunstverein / 1

 

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