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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne“ im Frankfurter Kunstverein / 3

Reisen und Bleiben, Verharren und Verändern: Sandra Havlicek

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Die Künstlerin und ihre Arbeit „Die grosse Freiheit, 4. Versuch“

Man kann dem allen nicht entrinnen: Sandra Havliceks wundervollen Arbeiten sowieso nicht, konkret nun erst recht nicht der „Grossen Freiheit, 4. Versuch“. Und nicht einmal seinem eigenen Spiegelbild, wenn man sich dem Objekt – sei es nun eine Skulptur, sei es eine Installation -, sei es in betrachterischer, sei es in fotografischer Absicht nähert. Stets ist man „drin“: im Koffer, im Schrank. Mit dem Koffer reist man, mit dem Schrank bleibt man. Sollte man zunächst annehmen. Aber Sandra Havlicek wäre nicht Sandra Havlicek, wenn sie nicht dem Schrank listig Rollen verpasst, ihn also mobil, als „Mobiliar“ im eigentlichen Sinne des Wortes erschaffen hätte. Auch als Schrank also kann die „Grosse Freiheit“ auf Reisen gehen.

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Die grosse Freiheit, 4. Versuch, 2012, mixed media, 103 x 96 x 225 cm; Courtesy the artist

Wie gewohnt liebevoll und entsprechend sorgfältig wie detailliert hat die Künstlerin den „Schrankkoffer“ ausgestaltet: jeden Eckbeschlag und jedes Scharnier, Riemen und Schnallen, Rollen, Knöpfe und Griffe, Kabel, Schalter und Lampe: wohin immer man schaut, alles ist präzise verarbeitet. Gleiches gilt selbstverständlich für den Kastenaufbau, die Spiegel und halbtransparenten Scheiben. Apropos Spiegel: Der Betrachter sieht sich nicht nur mittig geteilt und im unteren Spiegel auch kopfstehend, sondern gleichsam wie ein Röntgenbild durchleuchtet in grünlich-phosphoreszierendem Zwielicht.

Wir kennen Sandra Havlicek von den Frankfurter Ateliertagen 2012, vom Städelschul-Rundgang und der Absolventenausstellung im MMK-Zollamt im Jahr 2011. Stets oszillieren ihre Objekte zwischen statischem Dasein und potentieller Mobilität. So auch in einer weiteren, raumgreifenden Arbeit jetzt im Frankfurter Kunstverein.

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↑↓  Standard Orgien Haus, 2014, Holz, Lack, Karton, Glas, Glaskleber, Styropor; Grösse variabel; rechts: Calypso im Handtaschenformat, 2011, Digitaldruck auf Papier, Holz, Lack; Grösse variabel

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Verschiedene Behälter aus den genannten Materialien sind zu einem kompakten kubischen Objekt vereint und wiederum auf Rollen montiert, der Stapel wie auch die einzelnen Behältnisse selbst sind jederzeit in jedwede Richtung und zu jedwedem Zweck hin mobilisierbar. Die sechs an der Wand lehnenden, mit Scharnieren verbundenen Elemente lassen sich jederzeit zu einer Transpostkiste wie auch zu einer Art von Schrank verwandeln, der faltbare Paravent kann zu einem sich der Umgebung anpassenden Raumteiler geformt werden.

Vielleicht ist es ein wenig das alte Heraklitsche panta rhei, das Platonsche „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt“. Oder das Goethesche „Eins und Alles“, wie der Titel seines bekannten Gedichts lautet:

„Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar stehts Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allen:
Denn alles muss in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.“

Sein: im Dasein und Sosein.

Abgebildete Werke © Sandra Havlicek; Fotos: FeuilletonFrankfurt

→  “Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne” im Frankfurter Kunstverein / 4

→  “Vom Dasein & Sosein. Skulptur, Objekt & Bühne” im Frankfurter Kunstverein / 1

 

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