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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Raffael und Werkstatt: Bildnis des Papstes Julius II. im Städel Museum, Frankfurt

Raffael (Raffaello Sanzio) und Werkstatt, Bildnis des Papstes Julius II. 1511/12, Pappelholz, 105,6 x 78,5 cm, Städel Museum, Frankfurt; Foto: FeuilletonFrankfurt

„Wir sind Papst“ titelte am 20. April 2005 die Bild-Zeitung aus bekanntem Anlass. Ähnlich könnte heuer auch das Städel Museum titeln: gemeint wäre allerdings Papst Julius II., Giuliano della Rovere, er lebte von 1443 bis 1513.

Sein Pontifikat begann Ende 1503. Julius II. war gewiss kein „Waisenknabe“ – er war als Territorialfürst zugleich kriegführender Feldherr, und ihm wird eine uneheliche Tochter (Felice della Rovere, 1483 bis 1536) zugeschrieben. Aber er bewies Kunstverstand und hinterliess uns grosse, ja grösste Kunstschätze:

So beauftragte er Bramante (Donato di Pascuccio d’Antonio, 1444 bis 1514) mit dem Bau des Petersdoms, Michelangelo (Michelangelo Buonarroti, 1475 bis 1564) mit der Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle und Raffael (Raffaello Sanzio, 1483 bis 1520) mit der Ausmalung der Stanzen, der damaligen päpstlichen Gemächer.

Raffael war es auch, den Julius mit der Anfertigung von Porträts beauftragte, und der Künstler begründete mit seinem Werk – der Papst lebensgross in Dreiviertelfigur, vom Blick des Betrachters aus leicht dem rechten Bildrand zugewandt – Vorbild und Mass für nachfolgende Papstporträts schlechthin – bis zu Benedikt XVI. Julius sitzt, in sich gekehrt und doch von imperialem Machtanspruch, auf einem Sessel; er trug, zurückgekehrt von einer militärischen Niederlage, einem Gelübte gemäss einen sogenannten Trauerbart (den er nach Vertreibung der französischen Truppen aus dem Kirchenstaat 1512 wieder abnehmen liess). Der Papst hatte reichliche Verwendung für vervielfältigte Bildnisse im Sinne „propagandistischer Zwecke“, und so kann angenommen werden, dass es von diesem Porträt mit den bekannten Versionen eine Anzahl von späteren Kopien gab.

Heute sind drei Porträts aus der Zeit zwischen 1510 und dem Todesjahr 1513 bekannt: Das Bild in der National Gallery London, das allgemein als Werk unmittelbar aus Meisterhand angesehen wird, das Exemplar in den Uffizien, Florenz, und das auf 1511/1512 datierte Bild, welches das Städel Museum im Jahr 2010 aus der Sammlung Ellermann erwarb. Von hoher Qualität ist schliesslich die Kopie von Tizian (vor/um 1490 bis 1576) aus dem Jahr 1545, die im Palazzo Pitti in Florenz beheimatet ist.

Seit wenigen Tagen nun sind in der Schau „Raffael und das Porträt Julius‘ II. Eine Kabinettausstellung zu Bildtypus, Genese und Zuschreibung des Bildnisses im Städel Museum“ drei der vier genannten Werke zu sehen. Die Londoner Version ist aus restauratorischen Gründen leider nicht reisefähig und nur durch eine fotografische Reproduktion vertreten.

Raffael (Raffaello Sanzio), Bildnis des Papstes Julius II. (fotografische Reproduktion des Originals), The National Gallery, London; Foto: FeuilletonFrankfurt

Raffael (Raffaello Sanzio) und Werkstatt, Bildnis des Papstes Julius II., Öl auf Pappelholz, 108,5 x 80 cm, um 1512, Florenz, Galleria degli Uffizi; Foto: FeuilletonFrankfurt

Tiziano Vecellio, gen. Tizian, Bildnis des Papstes Julius II., Öl auf Pappelholz, 1545, Hochrenaissance, Florenz, Palazzo Pitti, Palatine Gallery und Royal Apartment; Foto: FeuilletonFrankfurt

Ausstellungsansicht „Raffael und das Porträt Julius II.“, Städel Museum, Frankfurt am Main, 2013; Foto: Norbert Miguletz

Da die künstlerische Genese des Frankfurter Bildes mancherseits in Zweifel gezogen wurde, präsentiert das Museum jetzt eine gemäldetechnologische Dokumentation, als deren Ergebnis die Zuschreibung des Werkes „Raffael und Werkstatt“ als gesichert angenommen werden kann. Über die Provenienzforschung hinaus stehen heute dafür Instrumentarien wie Röntgentechnologie, Röntgen-Fluoreszenzanalyse, Infrarot-Reflektografie, UV-Fluoreszenz-Untersuchung wie auch Stereomikroskopie, Makrofotografie und holzbiologische Untersuchung zur Verfügung. Sie zeigen beim Frankfurter Werk – anders als bei den Versionen in London und Florenz – umfangreiche, im Verlauf der Ausführung vorgenommene schöpferische Veränderungen auf, eine mit einem Pinsel ausgeführte, überaus freie, die Komposition vorbereitende Unterzeichnung. Ähnlich frei entwickelte Unterzeichnungen sind auch in zwei Hauptwerken Raffaels anzutreffen: der „Sixtinischen Madonna“ in Dresden und der „Madonna di Foligno“ in den Vatikanischen Museen. All dies verweist auf einen ausgesprochen schöpferischen Herstellungsprozess, bei dem Raffael selbst eine wichtige Rolle gespielt hat, auch wenn an der malerischen Ausführung einiger Partien die Werkstatt beteiligt gewesen sein dürfte. Ein Kopist hingegen geht von einer fertigen Vorlage aus, bei der es weder Spielraum noch Anlass für Veränderungen gibt.

Raffael (Raffaello Sanzio) und Werkstatt, Bildnis des Papstes Julius II., um 1511/12, Städel Museum, Frankfurt, Infrarot-Reflektographie; Foto: Städel Museum

Raffael (Raffaello Sanzio) und Werkstatt, Bildnis des Papstes Julius II., 1511/12, Städel Museum, Frankfurt , Röntgenaufnahme; Foto: Städel Museum

Weiter zeigen die gemäldetechnologischen Untersuchungen, dass in der Frankfurter Version die Bildausführung im Bereich des weissen Gewandes durch einen früheren unsachgemässen Reinigungsversuch (Entfernung einer dunklen Firnisschicht) stark beeinträchtigt wurde. Über die Einzelheiten der Untersuchungsergebnisse informiert ein ausgezeichneter Katalog, der im Museum für ein nur schmales Geld erworben werden kann. Und er liest sich allemal spannender als mancher Kriminalroman!

Weitere, auf Forschungsbefunden und Ergebnissen von Analysen gründende Überlegungen lassen darüber hinaus den Schluss zu, dass es sich bei der Frankfurter Version um eine alternative Bildplanung Raffaels handelt, die zwar zugunsten der im Londoner Gemälde überlieferten, mehrfach wiederholten und kopierten Lösung zurücktrat, aber bekannt blieb, wie aus der rund eine Generation später gemalten Kopie von Tizian geschlossen werden kann, die sich augenscheinlich an dem Frankfurter Exemplar orientiert.

Geballter Sachverstand: Pressekonferenz mit (v. l.) Stephan Knobloch, Leiter Restaurierung Gemälde und moderne Skulpturen im Städel Museum, Professor Jochen Sander, Sammlungsleiter „Alte Meister“ und Kurator der Ausstellung, Professor Jürg Meyer zur Capellen (Universität Münster), Raffael-Experte und Verfasser des Werkverzeichnis der Raffael-Gemälde, und Städel-Direktor Max Hollein; Foto: FeuilletonFrankfurt

“Raffael und das Porträt Julius’ II. Eine Kabinettausstellung zu Bildtypus, Genese und Zuschreibung des Bildnisses im Städel Museum”, bis 2. Februar 2014

 

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