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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Städel Museum zeigt „Dürer. Kunst – Künstler – Kontext“ (1)

Der „ganze“ Dürer grandios inszeniert

Von Hans-Bernd Heier

Das Städel Museum präsentiert bis zum 2. Februar 2014 in einer umfassenden Sonderausstellung den wohl bedeutendsten deutschen Renaissancekünstler Albrecht Dürer (1471-1528). Unter dem Titel „Dürer. Kunst – Künstler – Kontext“ sind im Ausstellungshaus insgesamt über 280 Werke versammelt, darunter etwa 200 Arbeiten des genialen Malers selbst.

„Bildnis einer jungen Frau mit offenem Haar“, 1497, Leinwand, 56,3 x 43,2 cm; Städel Museum; Foto: U. Edelmann – Städel Museum – ARTOTHEK

Kunstkenner werden fragen: Warum schon wieder eine Dürer-Ausstellung und warum gerade in Frankfurt? Die vor zwei Jahren in seiner Geburtsstadt Nürnberg gezeigte Schau war den Arbeiten des jüngen Dürers gewidmet. Die Riesenschau in Frankfurts berühmtester Galerie bietet dagegen einen Überblick über sein Schaffen in der ganzen Breite und Vielfalt seiner künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. „Die umfassende Präsentation im Städel zeigt Dürers Kunst im Kontext ihrer Zeit und unterscheidet sich darin deutlich von vergleichbaren Ausstellungen der Vergangenheit. Seine künstlerischen Innovationen, seine theoretischen Forschungen und nicht zuletzt sein Geschick in der Vermarktung und Inszenierung seines Schaffens machten Dürer schon zu Lebzeiten zu einem der einflussreichsten europäischen Künstler. Diesen ‚ganzen‘ Dürer wollen wir in unserer Ausstellung zeigen“, erläutert Professor Jochen Sander, Kurator der Ausstellung und Sammlungsleiter „Alte Meister“ im Städel Museum.

Die Ausstellung will auch aufzeigen, was den deutschen Renaissancekünstler schlechthin mit Frankfurt verbindet. Das Städel besitzt, wie Direktor Max Hollein betont, mit der sogenannten „Fürlegerin“ und dem Flügel des Jabach-Altars mit dem von seiner Frau verspotteten Hiob „zwei kapitale Gemälde“ von Dürer. Es verfügt darüber hinaus über eine Reihe bedeutender Zeichnungen sowie über eine umfassende Suite an hochqualitativen Holzschnitten und Kupferstichen.

„Bildnis einer jungen Frau mit geflochtenem Haar“, 1497, Leinwand, 56,5 x 42,5 cm; Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie; Foto: bpk / Gemäldegalerie, SMB / Jörg P. Anders

Die Stadt am Main war aber auch wirtschaftlich für den Nürnberger Meister von grosser Bedeutung. Der wohlhabende Frankfurter Tuchhändler und Patrizier Jakob Heller war der Auftraggeber des nach ihm benannten Altars (um 1507–1509). Die erstmalige Wiedervereinigung der auf verschiedene Museen verstreuten Tafeln des Altars stellt einen der Höhepunkte der Präsentation dar. Ausserdem wusste Dürer die Oster- und Herbstmessen in Frankfurt zu schätzen. Die Messestadt war laut Sander auch ein bedeutender Umschlagplatz für Kunstwerke, den Dürer weniger für den Verkauf von Gemälden nutzte als vielmehr für den Vertrieb seiner Druckgrafik. Beim Verkauf seiner Werke unterstützten ihn in erster Linie seine Mutter Barbara und seine Ehefrau Agnes, wobei Agnes den Messevertrieb in der Mainmetropole organisierte.

„Adam und Eva (Der Sündenfall)“, 1504, Kupferstich, 24,9 x 19,2 cm; Städel Museum, Graphische Sammlung; © Städel Museum

Die Dürer-Präsentation knüpft an das erfolgreiche Ausstellungskonzept des Städel: „Einen besonderen Schwerpunkt in unserem Ausstellungsprogramm haben wir in den letzten Jahren auf Altmeisterausstellungen gelegt, darunter ‚Kultbild‘ (2006), ‚Hans Baldung Grien‘ (2007), ‚Cranach der Ältere‘ (2007/08), ‚Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden‚ (2008/09) oder ‚Botticelli‚ (2009/10). Ich freue mich, dass diese Serie nun eindrucksvoll mit einer umfassenden Sonderausstellung zu Albrecht Dürer fortgesetzt werden kann“, so Städel-Direktor Max Hollein.

„Hiob auf dem Misthaufen“, um 1503/05, Lindenholz, 96 x 51,5 cm; Städel Museum; Foto: Städel Museum – ARTOTHEK

Zu sehen sind in der grossartigen Schau Tafel- und Leinwandbilder, Altarretabeln, Handzeichnungen, Blätter in unterschiedlichen druckgrafischen Techniken sowie von Albrecht Dürer verfasste und illustrierte Bücher. Den Ausstellungsmachern ist es gelungen, dafür glanzvolle Leihgaben aus den bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt wie der National Gallery London, dem Museo Nacional del Prado in Madrid, der National Gallery of Art in Washington, dem Pariser Louvre, dem British Museum in London, den Staatlichen Museen zu Berlin, den Uffizien in Florenz, dem Amsterdamer Rijksmuseum oder dem J. Paul Getty Museum in Los Angeles zu erhalten.

„Portait eines Venezianers“, 1500, Holz, 27,6 x 18 cm; National Gallery of Art, Washington; © Washington, National Gallery of Art, Samuel H. Kress Collection

Albrecht Dürer, der berühmteste Renaissancekünstler diesseits der Alpen, nahm auf die Entwicklung der Kunst seiner Zeit nachhaltigen Einfluss. Dabei entstand sein eigenes Schaffen durch eine äusserst kreative Auseinandersetzung mit den Werken seiner Vorgänger und Zeitgenossen. Um dieses spannende Wechselspiel zu verdeutlichen, bindet die Ausstellung Dürers Werke in ihren historischen Kontext ein und konfrontiert sie gezielt mit Arbeiten seiner Zeitgenossen. Dafür ergänzen Werke von Martin Schongauer, Hans Baldung Grien, Hans von Kulmbach, Jacopo de Barbari, Giovanni Bellini, Joos van Cleve und Lucas van Leyden die sehenswerte Schau.

Martin Schongauer, „Päonien“, um 1472/73, Aquarell auf Papier, 25,7 x 33 cm; The J. Paul Getty Museum, Los Angeles; © The J. Paul Getty Museum, Los Angeles

Durch diese Kontextualisierung wird der Blick auf das zu Dürers Zeit künstlerisch, aber auch technisch Mögliche gerichtet und ein direkter Vergleich mit Konkurrenzarbeiten seiner deutschen, niederländischen und italienischen Künstlerkollegen ermöglicht. Erst diese unmittelbare visuelle Vergleichsmöglichkeit macht anschaulich, worin die Leistungen des genialen Nürnberger Malers zu sehen sind – ein zentrales Thema der Frankfurter Altmeisterausstellung .

Die Präsentation orientiert sich zwar grundsätzlich an der Chronologie der Werke und der Biografie des Künstlers. Die einzelnen Ausstellungssektionen sind aber vor allem thematisch ausgerichtet. Auf diese Weise können sie der Vielfalt der Themen besser gerecht werden, die Dürer in seinem künstlerischen Schaffen lebenslang beschäftigt haben.

„Bildnis der Elsbeth Tucher“,1499, Lindenholz, 29,2 x 23,3 cm; Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel

Am 21. Mai 1471 wurde Albrecht Dürer in Nürnberg in eine Goldschmiedefamilie hineingeboren. Sein aus Ungarn zugezogener Vater Albrecht Dürer d. Ä., selbst Sohn eines Goldschmieds, hatte Barbara, die Tochter seines Nürnberger Meisters Hieronymus Holper, geheiratet und führte eine angesehene und florierende Goldschmiedewerkstatt. Er nahm seinen Sohn Albrecht um 1481 als Lehrling in seine Werkstatt auf. Der junge Dürer brach aber seine Lehrzeit beim Vater ab, um Maler zu werden und eine zweite Lehre bei dem Nürnberger Maler Michael Wolgemut zu absolvieren. Seine Goldschmiedekenntnisse sollten ihm jedoch sein Leben lang zu Gute kommen: So lieferte er immer wieder Entwürfe für befreundete Meister, darunter auch für seinen jüngeren Bruder Endres. Vor allem aber wusste Dürer den Umgang mit dem Grabstichel zu perfektionieren, dessen Einsatz er als Goldschmiedelehrling für die schmückende Gravur von Metalloberflächen erlernt hatte. Nun setzte er ihn für die Herstellung von Kupferstichen ein, für deren künstlerische und technische Meisterschaft er bald in ganz Europa bewundert und nachgeahmt wurde.

„Entwurf zu einem Tischbrunnen“, um 1500, Feder in Braun, grün, rosa und braun aquarelliert, 30,1 x 19,3 cm; The Ashmolean Museum, University of Oxford; © The Ashmolean Museum, University of Oxford

Nach Abschluss seiner Lehre bei Michael Wolgemut ging Dürer im April 1490 auf die damals übliche Gesellenwanderung. Gesichert ist sein Aufenthalt in Colmar, Basel und Straßburg. In Colmar hatte er bei Schongauer als Geselle arbeiten wollen. Dürers Wertschätzung Schongauers, der auf seiner eigenen Gesellenreise vermutlich in Nürnberg Station gemacht hatte, beruhte auf dessen Kupferstichen, die Dürer schon während seiner Lehrzeit kennengelernt hatte. Da der junge Dürer aber erst nach dem Tod des Meisters eintraf, zog er nach Basel weiter. Ähnlich wie Straßburg bot auch Basel dem noch unbekannten Künstler wegen der zahlreichen dort ansässigen Verlage interessante Aufträge für Holzschnittentwürfe zur Illustration der im Druck befindlichen Bücher.

Der vielseitige Künstler bewies sein Können in den unterschiedlichsten Medien: Er war ein gut beschäftigter Tafelmaler, gefeierter Porträtist, Meister des Holzschnitts und als „Revolutionär des Kupferstichs“ realisierte er aufwendige Auftragsarbeiten für Kaufleute, Adlige und Kaiser. Dürer entwarf aber auch Werke für andere künstlerische Techniken und arbeitete gemeinsam mit Glas-, Buch- und Wandmalern, Bildhauern und Goldschmieden. Das Nürnberger Universalgenie bildete sich darüber hinaus auch in theoretischen Themengebieten weiter und ging wissenschaftlichen Fragestellungen nach. Er erforschte Mensch wie Natur, schrieb und veröffentlichte Lehrbücher zu seinen so gewonnenen Erkenntnissen.

„Trommler und Pfeiffer“, um 1503/05, Lindenholz, 94 x 51,2 cm; Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud; © Rheinisches Bildarchiv Köln

Aufenthalte in Oberitalien und in den Niederlanden weiteten Dürers künstlerische Perspektive und erschlossen ihm zugleich neue Absatzmärkte. Bald war Dürer so erfolgreich, dass er eine Werkstatt gründete, ein eigenes „Copyright“ einführte und Handlungsreisende damit beauftragte, seine Kunst über die Stadtgrenzen hinaus zu verkaufen. Der reisefreudige Renaissancekünstler starb 1528 im Alter von 57 Jahren in Nürnberg, wohl an den Folgen einer Malaria-Erkrankung.

Die grosse Dürer-Schau im Städel erstreckt sich über die beiden Stockwerke des Ausstellungshauses. Sie ist in insgesamt vierzehn thematisch orientierte Abschnitte unterteilt, die die zahlreichen Facetten im Werk Albrecht Dürers beleuchten. Über den Ausstellungsparcours werden wir an Hand ausgewählter Exponate in einer weiteren Folge berichten.

Dürer. Kunst – Künstler – Kontext“, Städel Museum, bis 2. Februar 2014

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): Städel Museum

→  Städel Museum zeigt “Dürer. Kunst – Künstler – Kontext (2)
→ Albrecht Dürer – der “moderne” Künstler der Renaissance

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