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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

55. Biennale Arte Venedig 2013 (8)

Goldene Löwen für ihr Lebenswerk:
Maria Lassnig und Marisa Merz

Von Erhard Metz

Der diesjährige Biennale Arte-Kurator Massimiliano Gioni hatte die beiden grossen Künstlerinnen zur Auszeichnung mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk vorgeschlagen, und das Board der Biennale unter Vorsitz seines langjährigen Präsidenten Paolo Baratta entschied entsprechend. Zur Eröffnungs- und Verleihungszeremonie am 1. Juni 2013 nahm Marisa Merz ihre Trophäe persönlich in Empfang; die hochbetagte Maria Lassnig musste aus gesundheitlichen Gründen auf die Reise in die Lagunenstadt verzichten.

Wir geben die Begründungen im englischen Originaltext wieder:

„For more than sixty years Maria Lassnig has investigated representation, both of the body and of the individual, in paintings that often depict the artist in a state of restlessness, excitement, or despair. Through her self-portraits, Lassnig has composed a personal encyclopedia of self-representation and, through what she calls ‘body-awareness paintings,’ has used painting as an instrument of self-analysis. Lassnig, at ninety-three years old, represents a unique example of obstinacy and independence that deserves to be celebrated with the Golden Lion for Lifetime Achievement.“

„Since the 1960s, Marisa Merz has been a singular voice in contemporary art. Beginning with her early work, which she carried out alongside the protagonists of Arte Povera, Marisa Merz has distinguished herself by her reflection on the domestic realm and handicraft techniques stereotypically associated with female labor. The artist has developed a personal language in which painting, sculpture, and drawing give shape to apparently archaic and primordial images. These contemporary icons and stylized faces rise to the surface as divine apparitions. Her epiphanic paintings, as if cultivated through years in solitude, invite us to look at the world with closed eyes – as the artist suggested with the title of her 1975 exhibition, With Closed Eyes, The Eyes Are Extraordinarily Open.“

Abbildungen Courtesy Hauser & Wirth; Fotos: FeuilletonFrankfurt

Maria Lassnig, 1919 im österreichischen Kappel am Krappfeld geboren, studierte an der Wiener Akademie der bildenden Künste in der Meisterklasse von Professor Wilhelm Dachauer. In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurde sie als „entartet“ verfemt, und sie musste ihr Studium abbrechen. Erst 1954 kehrte sie an die Akademie in Wien zurück, wo sie ihre Ausbildung bei Professor Albert Paris Gütersloh abschloss. Von 1968 bis 1980 lebte Lassnig in New York, wo sie sich auch mit Filmemachen beschäftigte. Anschliessend übernahm sie an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst eine Professur für Malerei.

Bekannt wurde sie unter anderem durch ihre ersten „Körperbewusstseinsaquarelle“ und ihr umfangreiches Werk – auch in zahlreichen Selbstporträts – mit „Körpergefühlsbildern“. Sie ist vermutlich die erste Künstlerin, die in Kunstwelt und Gesellschaft weibliche Positionen offen reflektierte und den Einfluss des weiblichen Körpers auf Lebensentwurf und Biographie einer Künstlerin, oft in drastischer Weise und in radikaler Selbstbefragung, darstellte.

Maria Lassnig wurde mit zahlreichen Ausstellungen auch in Deutschland bekannt: So waren ihre Arbeiten beispielsweise auf der documenta 7 (1982) und X (1997) zu sehen. 2003 wurde eine Auswahl in der Frankfurter SCHIRN Kunsthalle „130 Jahre Kunst der Frechheit“ gezeigt, und 2004 widmete ihr das Städel Museum unter dem Titel „Verschiedene Arten zu sein“ eine Ausstellung. Im gleichen Jahr erhielt sie den hoch renommierten Max Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt am Main.

Im Jahr 1980 schliesslich vertrat sie zusammen mit Valie Export Österreich auf der Biennale Venedig.

Marisa Merz, Bildhauerin, Malerin, Zeichnerin und Installationskünstlerin, wurde 1931 in Turin geboren. Verheiratet mit Mario Merz (1925 bis 2003), einem Autodidakten und späteren Hauptvertreter der Arte Povera, kam Marisa, ebenfalls Autodidaktin, frühzeitig – und zunächst als einzige Frau – mit dieser Kunstrichtung in Berührung. Die Materialien für ihre skulpturalen Arbeiten sind häufig entsprechend „arme“, industrielle Stoffe wie Wachs, Ton oder Hanf, aber auch Metalle wie Aluminium, Stanniol oder Kupfer. Als Malerin und Zeichnerin arbeitet sie zumeist in Mischtechnik auf Holz oder Faserplatte, Leinwand und Papier. Köpfe und weibliche Gesichter bilden häufig wiederkehrende Motive in ihrem von Verinnerlichung geprägten Werk.

Marisa Merz‘ Arbeiten waren weltweit Gegenstand zahlreicher Ausstellungen in bedeutenden Museen. Die Künstlerin nahm an der documenta 7 (1982) und IX (1992) teil, ferner an der 43. Biennale 1989 in Venedig. Zur 49. Biennale 2001 erhielt sie für ihr Lebenswerk bereits den Spezialpreis der Jury.

Abbildungen Courtesy Fondazione Merz, Turin; Fotos: Erhard Metz

(Die diesjährige Biennale Arte di Venezia
dauert noch bis zum 24. November 2013)

→ 55. Biennale Arte Venedig 2013 (9)

→ 55. Biennale Arte Venedig 2013 (1)

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