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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

10 Jahre „EULENGASSE“

Der kleine feine Kunstverein in Bornheim feiert sein Jubiläum – wir gratulieren herzlich!

Deckengemälde von Jörg Eibelshäuser, Städel-Meisterschüler von Professor Thomas Bayrle, im neuen Ausstellungsraum und Atelierhaus des EULENGASSE e. V.

Bernem (Übersetzungshilfe für Nord- wie Südlichter: es handelt sich um den Frankfurter Stadtteil Bornheim) ist „in“! Längst schon hat sich die gehobene Apfelweinszene nach der Wandlung von Alt-Sachsenhausen zum Frankfurter „Ballermann“ (wieso eigentlich hat die Frankfurter Stadtregierung diesem Niedergang seit Jahrzehnten tatenlos zugesehen?) in diesen Stadtteil verlagert, und der dort heimische FSV hat es in die Zweite Bundesliga geschafft! Aber in Bornheim gibt es noch sehr viel mehr als Apfelweinseligkeit und guten Fussball, und zwar: Kunst! Seit einem Jahrzehnt massgeblich geprägt vom Kunstverein EULENGASSE e. V. – er nennt sich lieber „ausstellungsraum und atelierhaus EULENGASSE“.

Der Name rührt von der Bornheimer Eulengasse, in der der Verein eine erste Bleibe fand – in einem winzig kleinen Ausstellungsraum, liebevoll „Schuhschachtel“ genannt, hatte dort zuvor ein Schuster seinen Handwerksbetrieb eingerichtet.

Kulturausschuss-Vorsitzende Heike Hambrock

Heike Hambrock, die Vorsitzende des Kultur- und Freizeitausschusses der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, selbst promovierte Kunsthistorikerin wie auch bekennende „Bernemerin“, überbrachte zum Festabend am 2. Oktober temperamentvoll die Glückwünsche der Stadt.

Der dreiköpfige Vorstand der EULENGASSE – Helga Marx, Harald Etzemüller und Martina Templin -; in der Mitte Laudatorin Brigitta Amalia Gonser; ganz rechts im Hintergrund Vládmir Combre de Sena, zuständig für die Koordination künstlerischer Konzeptionen und Kuratierungen

Die Laudatio hielt die Frankfurter Kunstwissenschaftlerin Brigitta Amalia Gonser.

Brigitta Amalia Gonser: Was unsere Künstler so machen. Eine Querschnittsanalyse (Auszug)

Der Kunstverein Eulengasse betreibt seit seiner Gründung, Ende 2003, in Frankfurt am Main einen Ausstellungsraum mit Projektraumcharakter. Was als Off-Space begann, etablierte sich seit dem Umzug in die neuen Räume mit Atelierhaus in der Seckbacher Landstraße 16 zu einer professionellen und offenen Plattform für zeitgenössische Künstler und Kunstinteressierte, die aus der Kulturlandschaft Frankfurts nicht mehr wegzudenken, dennoch mit kommerziellen Galerien oder dem Frankfurter Kunstverein nicht zu vergleichen ist.

Bestimmend dafür sind die von einer Projektversammlung entwickelten, für unterschiedlichste persönliche Sichtweisen auf zeitgenössische Kunst und Kultur offenen jährlichen Ausstellungsprogramme, wie „Krise“, „zu Hause“, „zu Gast“, aber vor allem „Perspektivwechsel“, „Omnibus“ oder „Polyversum“ – und die dazu jeweils eingeladenen Künstler.

Zum 10-jährigen Jubiläum des Kunstvereins und Ausstellungsraumes Eulengasse wollten wir gerne wissen, was die rund 110 Künstlerinnen und Künstler charakterisiert – 30 davon Vereinsmitglieder, die während der Jahre hier gezeigten wurden.

Dazu entwickelten wir einen speziellen Fragebogen mit aussagekräftigen Variablen und setzten den Fragebogen als kunstwissenschaftliches Instrument in Verbindung mit einer qualitativen Querschnittsanalyse ein.

Die Mehrheit der befragten Künstler der Eulengasse ist dabei politisch interessiert und nimmt kritisch Stellung zur Zeitgeschichte, wobei aber nur einige diese Motivation in ihrem Werk als kritisches Zeitdokument oder gesellschaftliche Psychogramme bildkünstlerisch umsetzen.

Das wird bedingt durch die äusserst unterschiedlichen künstlerischen Anliegen und Kommunikationsabsichten und die sehr differenzierten Thematiken der Künstler.

Von dem subjektiven sehr eigenen Blick auf die Dinge dieser Welt mit multiplen Assoziationsmöglichkeiten zu individuellen Wahrnehmungsstrategien und -räumen, die unsere Sehgewohnheiten hinterfragen; vom Interesse an der Kommunikation selbst und an der Unbeständigkeit der Gedanken zum Wunsch, Emotionen zu erwecken; von Kunst um der Kunst willen und der Erkundung neuer medialer Möglichkeiten zu Fragen nach der Definition und dem Wesen menschlicher Existenz in einer sich immer umfassender und rasanter verändernden Welt, in der nicht das Heile, sondern das Bedrohliche fasziniert und bedrückt; von der Intention, einen vergessenen Ort und die dort erlebten Momente festzuhalten zu dem Ziel, dem Entfalten des Menschen einen Raum zu geben, der mehr als nur dessen Bedürfnisse befriedigt.

Sie alle möchten keine belanglose Kunst machen, sondern Kunst, die etwas sagt – aber auf eine eher subtile und nicht so vordergründige Art und Weise. Sie alle machen, wovon sie überzeugt sind, dass es jemand machen sollte, und stellen es zur Diskussion: entertain, inspire, educate. Und sie fänden es schön, wenn die Betrachtenden sich amüsieren, erfreuen, nachdenken, geniessen würden, oder angeregt, berührt, fasziniert, begeistert wären.

Nur wenige der Künstler folgen der Eigendynamik des Kunstwerks, die Mehrzahl reflektiert den künstlerischen Schaffensprozess und lässt ihn sich innerhalb eines Konzeptes frei entfalten, was die Ästhetik des Werkes: seine Farbe, Form und Struktur beeinflusst.

Einige von ihnen verstehen dabei die künstlerische Arbeit als experimentellen Weg, welcher der Perfektionierung entgegensteht.

Die vergleichende Auswertung der Variablen aus den multiple response sets zu eingesetzten künstlerischen Medien und Vorgehensweisen und deren grafische Umsetzung in Tortendiagramme finden Sie in „Rot. Magazin des Kunstvereins Eulengasse“, mit Beiträgen zur Kunstvermittlung, Kunstförderung und Kulturpolitik sowie zur Kunstverortung anlässlich des 10-jährigen Jubiläums.

Zwischendurch sorgte der Darmstädter Künstler Nikolaus Heyduck mit „situativen Interludien“, dargeboten auf einem selbstgebauten elektronischen Instrumentarium, für akustisch-musikalische Unterhaltung.

Nikolaus Heyduck in Aktion, auf dem Rücken trägt er die Lautsprecher

Und noch etwas gibt es zu vermelden: die bereits von Brigitta Amalia Gonser erwähnte Festschrift zum Jubiläum, in der Form einer 152-seitigen Erstausgabe von „Rot – Das Magazin des Kunstvereins EULENGASSE“ mit hochqualifizierten Beiträgen zu den drei Themenschwerpunkten „Kunstvermittlung“, „Kunstförderung & Kulturpolitik“ sowie „Kunstverortung“. Selten haben wir in letzter Zeit eine derart interessante wie informative Schrift in den Händen gehalten!

↑ Kein Emblem der EULENGASSE, sondern der vorgefundene Rest einer Lichtreklame, bewahrt im Ausstellungsraum
↓ Auch kein Emblem: Eule, Relikt aus der Schliessung des der „Schuhschachtel“ benachbarten Traditionslokals „Eulenburg“ in der Eulengasse, ebenso aufbewahrt im neuen Ausstellungs- und Atelierhaus

Derzeit gehören dem Verein 28 kunstschaffende Mitglieder an (über drei von ihnen konnten wir früher bereits monografisch berichten): Almut Aue, Costa Bernstein, Klaus Bittner, Bero Blumöhr, Denis Buckley, Vládmir Combre de Sena, Harald Etzemüller, Sybille Fuchs, Bärbel Geurts, Mrs. Velvet G.Oldmine, Dominic Gora, Dorothea Gräbner, Sabine Imhof, Detlef Kleinen, Brigitte Kottwitz, Carolyn Krüger, Rosemarie Lücking, Helga Marx, Stehn Raupach, Stephan F. Rinke, Claudia Riquelme, Zoya Sadri, Susanna Sitterding, Martina Templin, Christiaan Tonnis, Rahulla Torabi, Sabine Voigt und Helmut Werres.

Sechs dieser Künstlerinnen und Künstler arbeiten im Atelierhaus EULENGASSE: Almut Aue, Sabine Imhof und Rahulla Torabi, sowie im Gemeinschaftsatelier Nr. 16 im Hinterhaus Dorothea Gräbner, Martina Templin und Sabine Voigt.

Tür zum Atelier von Almut Aue

Auch zahlreiche namhafte Nicht-Mitglieder des Vereins stellten in den zurückliegenden Jahren in der EULENGASSE aus, wir nennen hier nur einige wenige, die wir unseren Leserinnen und Lesern bereits vorstellen konnten: Mariola Brillowska und Hans Jürgen Diez, Natalie Goller und Kerstin Lichtblau, Max Pauer und Max Weinberg sowie Eva Weingärtner.

Die Vereinsarbeit wird massgeblich bestimmt durch gemeinschaftliche Entscheidungen auf den etwa monatlich stattfindenden Projektversammlungen aller interessierten Vereinsmitglieder – Maler, Bildhauer, Grafiker, Musiker, Schauspieler, Architekten und Designer -; sie bestimmen auf diesen Versammlungen die Vereinspolitik und leisten gemeinsam Projektarbeit zur Vorbereitung zukünftiger Veranstaltungen. Der Vorstand agiert demgegenüber eher funktional unterstützend.

Der Verein begreift sich als Plattform für Künstler und Interessierte an zeitgenössischer Kunst und Kultur. EULENGASSE bietet mit dem Ausstellungsraum mit Atelierhaus in der Seckbacher Landstrasse 16 in Frankfurt-Bornheim ein Schaufenster in die Öffentlichkeit. Seine Veranstaltungen und Ausstellungen zeitgenössischer Bildender und Darstellender Kunst finden dieses Jahr unter dem Motto „Polyversum“ statt. Sie werden vom Kulturamt der Stadt unterstützt. Daneben bietet der Verein Programme zur Kunstvermittlung bei Künstlern in deren Ateliers, in Galerien und anderen Räumen für zeitgenössische Kunst an.

EULENGASSE hat keine programmatische Ausrichtung wie eine kommerzielle Galerie, sondern ist offen für die unterschiedlichsten persönlichen Sichtweisen auf zeitgenössische Kunst und Kultur. EULENGASSE bietet auf diese Weise verschiedene Arten, Kunst zur Diskussion zu stellen, Kontakte zwischen unterschiedlichen Künstlern zu befördern und zwischen Künstlern und Öffentlichkeit herzustellen.

Aus Anlass des Jubiläums veranstaltet EULENGASSE Ausstellungen bei den zum Teil langjährigen Kooperationspartnern Klosterpresse e.V., Galerie Zement, basis e.V. und dem Bund Offenbacher Künstler (BOK), sowie nach dem Geburtstagsfest eine Ausstellung im eigenen Ausstellungsraum mit Bezug zum Gastland Brasilien der diesjährigen Frankfurter Buchmesse:

27. September bis 20. Oktober 2013
„arbeiten, von [arbait]“
Zeichnung & Malerei von Sabine Voigt und Helmut Werres
Galerie Zement, Adalbertstr. 36 A, Frankfurt am Main

5. bis 20. Oktober 2013
„GANZ / KAPUTT.“
Almut Aue, Klaus Bittner, Harald Etzemüller, Brigitte Kottwitz & Carolyn Krüger (CaBri), Claudia Riquelme, Susanna Sitterding zeigen Arbeiten zum Thema Verletzung und Heilung.
Salon 13 des Bundes Offenbacher Künstler (BOK), Kaiserstrasse 13, Offenbach (Mittwochs 17-20 Uhr, Sonntags 15-18 Uhr)

8. bis 14. Oktober 2013
„WHY SHOULD I GO TO BRAZIL?“ Sehnsucht – Alptraum – Wirklichkeit
basis Projektraum, Frankfurt am Main

11. Oktober bis 3. November 2013
„Architekten- und Künstlerportraits São Paulo, Brasilien“, Andrea Altemüller, Fotografie
ausstellungsraum EULENGASSE, Frankfurt-Bornheim

25. Oktober bis 3. November 2013
„KLIMAKONSUM im POLYVERSUM“
Klimawandel, Konsumterror, Verschwenden, Bewahren, im Gleichgewicht halten. Ausserdem zum Thema: das 3. Frankensteiner FilmFestival
Klosterpresse e.V., Paradiesgasse 10, Frankfurt-Sachsenhausen

Helga Marx, Brigitta Amalia Gonser und Harald Etzemüller am Jubiläumsabend

(Fotos: FeuilletonFrankfurt)


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