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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Franz West im Frankfurter Museum für Moderne Kunst MMK

Franz West. Wo ist mein Achter?


Franz West, ohne Titel, 2012, Fertigstellung posthum, Installationsansicht MMK Frankfurt, Foto: Axel Schneider © Franz West Privatstiftung/mumok

An der Vorbereitung der grossen Überblicksausstellung im Frankfurter MMK – in Kooperation mit dem mumok Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien – wirkte Franz West noch mit, und auch deren Titel „Wo ist mein  Achter?“ wählte er selbst aus. Die Eröffnung im Juni dieses Jahres konnte er jedoch nicht mehr mit erleben: West, der zu den bedeutendsten Gegenwartskünstlern Österreichs gerechnet wird, starb am 25. Juli 2012 in Wien. Wiederum ein Jahr zuvor, zur Biennale 2011 in Venedig, hatte er für sein Lebenswerk den Goldenen Löwen erhalten, die weltweit höchste Auszeichnung für einen lebenden Künstler.

Biennale Venedig 2011: Franz West erhält für sein Lebenswerk den Goldenen Löwen (links Biennale Arte 2011-Direktorin Bice Curiger, rechts Biennale-Präsident Paolo Baratta; Foto: FeuilletonFrankfurt

Franz West,1947 in Wien geboren, war der Stadt Frankfurt am Main stets verbunden: Hier hatte er, nach seinem Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien, bereits 1979 seine erste Ausstellung ausserhalb Österreichs. Ende der 1980er Jahre folgte eine Ausstellung im Portikus. Von 1992 bis 1994 war er Professor an der Frankfurter Staatlichen Hochschule für bildende Künste, der Städelschule. Manche seiner Arbeiten sind in Kooperation mit Frankfurter Künstlern entstanden und gehören zu den Höhepunkten der Ausstellung. Mit Installationen wie den „Wegener Räumen“, die sich sowohl auf den Frankfurter Galeristen Jürgen Wegner als auch auf den Geowissenschaftler und Theoretiker der Kontinentalverschiebung Alfred Wegener beziehen, setzt die Ausstellung im MMK eigene Akzente.

Franz West, Wegener Räume 2/6 – 5/6, 1988, Installationsansicht MMK Frankfurt, Foto: Axel Schneider © Sammlung Grässlin, St. Georgen

Die Werke von Franz West verstehen sich zu einem erheblichen Teil partizipativ, gehen also von der unmittelbaren Kommunikation zwischen Künstler und Betrachter aus. Letzterer ist nicht auf die Rolle des Zuschauers beschränkt, sondern wird sozusagen Teil des Kunstwerks. Einige Arbeiten (wenn auch aus restauratorischen Gründen längst nicht mehr alle, die ursprünglich einmal dafür vorgesehen waren) können benutzt, angefasst oder, wie die grossen Skulpturen in der Zentralhalle des MMK, sogar als Sitzfläche verwendet werden. West bricht damit die traditionelle Unterscheidung zwischen Werk, Künstler und Betrachter auf.

Franz West, Epiphanie an Stühlen, 2011, Foto: Michaela Obermair, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Zürich © Franz West Privatstiftung

West beschäftigte sich früh mit den Werken Sigmund Freuds zur Psychoanalyse und der sprachkritischen Philosophie eines Ludwig Wittgenstein. „Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein“, zitierte er 1988 den von ihm geschätzten Philosophen. „Das permanente Hinterfragen der eigenen Rolle, eine ständige Neu-Kombination seiner eigenen Werke und Selbstironie gehören zu seinen unverkennbaren Markenzeichen“, sagt Ausstellungskurator Klaus Görner.

↑ Franz West, Urinello, 2008, MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, Foto: Axel Schneider © Franz West Privatstiftung
↓ Franz West, Kasseler Rippchen, 1996, Installationsansicht MMK Frankfurt, Mit Arbeiten von Herbert Brandl, Werner Büttner, Mary Heilman, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Vittore, Pisano, Rudolf Polanszky, Kiki Smith, Janc Szenizcei, Heimo Zobernig; 3 Objekte von Jason Rhoades, Andreas Rohrbach, Wolfgang Winter, Hauser & Wirth Collection, Schweiz, Foto: Axel Schneider © Franz West Privatstiftung

West kombiniert und rekombiniert Gebilde beispielsweise aus Gips, Polyester, Papiermaché oder Metall zu seinen sogenannten Passstücken. „Das Prinzip der Kombination und Rekombination“, so das MMK, „entspricht Wests Überzeugung, dass die Bedeutung einer Äusserung oder eines bildsprachlichen Elements nie fix und eindeutig definiert sein kann, sondern sich dem jeweiligen Kontext und dem Gebrauch entsprechend ändert“. West schuf auf diese Weise ein eigenständiges, unverwechselbares und durchaus humorvolles künstlerisches Werk. Enthalten sind darin auch Arbeiten befreundeter Künstlerkollegen, darunter Heimo Zobernig, Herbert Brandl, Martin Kippenberger, Michelangelo Pistoletto oder Andreas Reiter Raabe.

↑ Franz West, Träumerei – Dreamy, 1997, Generali Foundation, Wien, Foto: Generali Foundation, Wien/Werner Kaligafsky © Franz West Privatstiftung
↓ Franz West, Chou-Chou, 1998/2001, Installationsansicht MMK Frankfurt, Foto: Axel Schneider © Archiv Franz West Privatstiftung

„Ab 1987 entstanden Sitzmöbel aller Art“, erläutert Görner, „verfremdet, ironisiert, aus Fertigteilen oder mit Stoff bespannt. Auch die Möbelstücke der letzten Jahre thematisieren die Frage der Grenze zwischen Kunstobjekt und Gebrauchsgegenstand, die seit dem frühen 20. Jahrhundert ein stets für Diskussionen sorgender Begleiter der Bildenden Kunst geworden ist. Wie die grossen Stehlampen oder die Sitz- und Liegemöbel in der Ausstellung, sind sie sowohl funktionaler Gebrauchsgegenstand als auch dessen Darstellung“.

Franz West, ohne Titel, 1990, Sammlung Mimi & Filiep Libeert, Belgien, Installationsansicht MMK Frankfurt, Foto: Axel Schneider © Franz West Privatstiftung

Wie bereits zu Beginn erwähnt, bestimmte der Künstler noch zu Lebzeiten den Ausstellungstitel „Wo ist mein Achter?“ – ein klassisches Beispiel für dessen „assoziative“ Arbeitsweise. Dem liegt eine Anekdote zu Grunde: „Ausgangspunkt ist eine Gouache aus dem Jahr 2004 mit dem Motiv einer Frau, die nach einer Abmagerungskur ihre viel zu grosse Hose zeigt. Der Künstler transformierte durch Auslassung des ‚W‘ den Titel ‚Lost Weight‘ in ‚Lost Eight‘, um schliesslich die titelgebende Frage abzuleiten: Wo ist mein Achter? Die Antwort darauf lässt West offen und eröffnet damit neuen Spielraum für verschiedene Anknüpfungspunkte“ (Zitat MMK).

Und noch etwas Anekdotisches: West, der keinen Führerschein besass, hatte durchaus ein Faible für besondere Autos. Als ihm sein Maserati zu eng wurde, kaufte er einen Rolls Royce Silver Shadow. Natürlich verpasste er auch ihm ein „Passstück“: die legendäre Kühlerfigur ersetzte er durch eine in sich verwundene rosa Penis-Skulptur.

Porträt Franz West: Franz West vor seinem Rolls Royce mit einem der 6 Passstücke für Rolls Royce Silver Shadow, Foto: Jens Preusse, 2009; Courtesy und © Franz West Privatstiftung

Franz West lebte und arbeitete in Wien. 1993 gestaltete er zur Biennale Venedig den österreichischen Pavillon. Mit seinen Arbeiten war er auf der Kasseler documenta IX (1992) und X (1997) vertreten. Zur Biennale Venedig 2011 gestaltete er in den Arsenale als eigenen Ausstellungsraum einen Para-Pavillon (übrigens unter anderem mit einem Werk der Künstlergruppe „Gelitin“). Neben dem Goldenen Löwen erhielt er weitere hohe Auszeichnungen, so das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Die Stadt Wien wandte ihm ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof zu.

„Franz West. Wo ist mein Achter?
“, Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, nur noch bis 13. Oktober 2013

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