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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sommerliche Reisegrüsse aus der Türkei / Ein „Zwischenwort“


Erzählung in Briefen

© von Robert Straßheim

– Ein „Zwischenwort“ –

Statt eines Vor- oder Nachworts: zur Mitte ein „Zwischenwort“

Bei dieser jüngsten Erzählung des nicht nur unseren Leserinnen und Lesern bekannten Autors des „Urlaubsbriefs aus der Türkei“ scheint es sich nur auf den ersten Blick um einen Reisebericht zu handeln. Indes ist diese Erzählung sehr viel mehr: Eine urlaubsmässige Regression des der türkischen Sprache nur wenig mächtigen Autors in Betrachtungen politischen Geschehens in Gegenwart und Vergangenheit im Gast- wie im Heimatland. Jenem Gastland also, das sich seit langem in Verhandlungen über eine Vollmitgliedschaft in der EU befindet.

Eine „Urlaubslektüre“ bringt eine neuerliche Wende; doch lassen wir den Autor selbst zu Wort kommen:

„Der Ich-Erzähler schreibt Briefe an einen Freund, der Psychologe ist, von einer Reise in die Türkei vom 29. Mai bis 19. Juni 2013. Der deutsche Erzähler, seine türkischstämmige Frau Zara und ihre zwei Kleinkinder besuchen Zaras Schwester und deren zwei erwachsene Töchter in Izmir; anschliessend verbringen alle zusammen einen Badeurlaub in einem am Meer gelegenen All-inclusive-Hotel bei Cesme.

Die Briefe beinhalten zunächst Eindrücke von Kulturunterschieden, zudem werden immer wieder Anekdoten des Zusammenlebens der deutsch-türkischen Familie erzählt. Der öko-bewegte Deutsche übt hier öfter Kritik an umwelt- und klimaschädlichen Zuständen in der Umgebung, doch niemand will seine Ratschläge befolgen.

Die während dieser Zeit stattfindenden Proteste gegen Willkürakte der türkischen Regierung und die Brutalität der Polizeieinsätze werden bald in den Alltags-Berichten widergespiegelt. Je länger die Demonstrationen der Volksmassen auch in Izmir fortdauern, desto mehr erhalten sie Raum und Sympathie in den Briefen: Die Familie des Erzählers demonstriert, wie viele andere, vom Balkon aus. Der Erzähler reflektiert den Zustand der türkischen Demokratie und vergleicht sie mit der deutschen.

Im Bade-Hotel nutzen Zara und ihre Verwandten die Gesellschaft des Hotels zum Kennenlernen anderer Gäste; dagegen beschreibt sich der Erzähler selbst als zurückgezogener Leser eines Buches über die Geschichte Indochinas 1); Zitate daraus schiebt er in seine Erzählung der Gegenwart ein: So kontrastiert eine fröhliche Geburtstagsfeier in Cesme mit dem Grauen des Vietnamkrieges bzw. die Beschaulichkeit des Meeres mit dem Genozid des Pol-Pot-Regimes.

An der Strandbar des Hotels kommt der Erzähler zudem in Kontakt mit einem anderen Urlauber, dem „Deutschländer“: Dieser will ihn darüber aufklären, wie elend und rechtlos die hiesigen Hotelbediensteten ihr Leben fristen müssten, und warnt ihn vor dem Unwesen, das Zuhälter und Mafiaangehörige rund ums Hotel trieben, was eine Gefahr für die jungen Frauen bedeute. Zara und ihre Verwandten jedoch weisen die Warnung zurück, da die Geschichten des „Deutschländers“ blosse Fantasien eines Schizophrenen seien. Der Erzähler, der im frischen Eindruck der Geschichte des Vietnamkrieges auch das Ungeheuerlichste für möglich hält, versucht herauszufinden, wer Recht hat, doch seine Informationen reichen nicht aus.

Am Ende reflektiert der Erzähler die Chancen für Wahrheit und begnügt sich schliesslich damit, seinen Verwandten zu glauben, da sie Erfahrung darin haben, in einer Gesellschaft, in der auf Zeitungsberichte kein Verlass ist, aus einer Vielzahl von persönlichen Gesprächen sich ein eigenes Bild zu machen.

Der letzte Brief berichtet von der Ankunft in Deutschland, wo politische Verhältnisse vorgefunden werden, die ihrerseits Gründe zur Verdrossenheit geben. Der aufgebrachte Erzähler zitiert schliesslich Bertolt Brecht, um den Leser aufzufordern, sich selbst einen guten Schluss zu suchen.“

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¹) Günter Giesenfeld: Land der Reisfelder. Vietnam, Laos und Kambodscha. Geschichte und Gegenwart. 2013, Argument Verlag

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