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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sommerliche Reisegrüsse aus der Türkei / 8


Erzählung in Briefen

© von Robert Straßheim

Achtes Kapitel

10.6.

Lieber Markus,

Grauenhafte Nacht: penetrant laute Türk-Pop-Musik dröhnte selbst durch geschlossene Fenster ins Schlafzimmer.

Beschwerden bei der zuständigen Hotelgästebeauftragten, die weder Deutsch noch Englisch spricht, nutzten nichts. Und ein Zimmertausch? Auf der gegenüberliegenden Hotelseite branden die Lautsprecher des Nachbarhotels an, machen sogar tagsüber Krach von unsäglich geisttötenden Animationen. Ich neige schon dazu, Animateuren jede Vernunft abzusprechen, und ihrem Publikum erst recht – ja, ich verliere den Glauben an Volksentscheide und Demokratie, wenn ich solches Gekreische in die Ohren kriege, da geht meine Welt zu Ende.

Jaja, ich weiss, ich bin selber schuld: Warum sind wir in so einem Hotel?

Nun, wir haben uns ausdrücklich erkundigt, ob es ruhig sei; zudem war es keins der billigen, es warb mit Ruhe und Familienfreundlichkeit. Lüge!

Doch Zara hält dagegen: dass Türken mit „Ruhe“ eine andere Vorstellung verbinden als ich. Wir dürften also in gar kein türkisches Hotel mehr gehen.

Nun, die Hotelbeauftragte verspricht, bis auf weiteres gebe es keinen „Gala-Abend“ mehr. Mal sehen, wie lange dieses Versprechen hält?

Im Übrigen bin ich anscheinend der Einzige, den der Krach stört. Weder die Kinder noch die Frauen hätten sich beschwert. Stattdessen klagen sie übers „schlechte“ Wetter: nur um die 30 Grad, „wolkig“ (ich würde sagen: heiter) und so ein „kalter“ (frischer) Wind – für mich ideal, gerade der lauwarme Wind erfreut und umschmeichelt mich. Hochzufrieden stürze ich mich ins Meer. Die Frauen benetzten mal ihre Füsse, um sie entsetzt zurückzuziehen: Soguk! Soguk (gesprochen: sook) ist das türkische Wort, das ich hier am häufigsten höre: alles, was nicht pipiwarm ist, sei „Soguk“, also nicht zum Aushalten kalt.

Das Hotelpersonal ist sehr freundlich, auch kinderliebend, aber hier hält man angemessenen Abstand. Etwas bedrückend ist nur der ständige Personalüberhang: zu viele Kellner lungern um die Tische herum, auf eine Gelegenheit lauernd, etwas zu erhaschen – wenn ich meinen Teller in die Mitte des Tisches schiebe, damit das Baby nicht darauf grapschen kann, oder wenn ich das Besteck mal aus der Hand lege, kommt schon einer angehechtet und versucht, sich meines Tellers zu bemächtigen; ich muss ihn verteidigen, wofür Worte allein nicht hinreichen, denn man versteht kein Deutsch. Angeblich sollen hier alle Kellner und Portiers Englisch sprechen, doch meist verstehen sie nichts, und so muss ich mir meinen Teller wieder entreissen.

(Fotos: © Robert Straßheim)

→  Sommerliche Reisegrüsse aus der Türkei / Ein „Zwischenwort“

→  Sommerliche Reisegrüsse aus der Türkei /1

→  s. a. “Urlaubsbrief aus der Türkei”

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