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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Rockhounds“: Eva Schwab in der Weissfrauen Diakoniekirche Frankfurt

Man kann sie an vielen Orten finden in Frankfurt am Main, eine dem allzu Lauten und Schrillen entsagende, stillere, introvertiertere Kunst, jenseits also der auch hier anzutreffenden „Kunsthandels-Kunst“: unter anderem in den beiden „Kunst-Kirchen“, der katholischen KunstKulturKirche Allerheiligen am Zoologischen Garten und der evangelischen Weissfrauen Diakoniekirche im Bahnhofsviertel.

In Letzterer empfehlen wir in diesen Tagen die sehr sehenswerte Ausstellung „Rockhounds“ der Künstlerin Eva Schwab, und dies wiederum mit der Anregung, zum Besuch der Ausstellung etwas an Zeit mitzubringen, jenem kostbaren, allzu flüchtigen Gut.

↑↓ Die Künstlerin und eine Auswahl ihrer Arbeiten in der Frankfurter Weissfrauen Diakoniekirche

Gebt Euren Arbeiten Titel, ermuntert Jean-Christophe Ammann die nachwachsenden Generationen Frankfurter Künstlerinnen und Künstler. „Rockhounds“ nun benennt Eva Schwab ihre Ausstellung. An die Band dieses Namens wird sie kaum anknüpfen, wohl auch nicht an Steve Buscemis Rolle des Rockhound im Kult-Film „Armageddon – Das jüngste Gericht“. Nun – „rockhounds“ nennt man die  (Edel-)Steine und Mineralien sammelnden Amateure, die – mit dem Geologenhammer ausgerüstet – nach begehrten Sammlungsobjekten graben und klopfen. „Rockhounds“ in der Weissfrauen-Diakoniekirche: im übertragenen Sinne eine Suche nach Wertvollem und Erinnernswertem, sei es Freud- oder Leidvolles, im Vergangenen und vielleicht bereits Verschütteten.

Da ist ein tapsiges Kleinkind, gefangen in einem Kreis; da ist der Suppenkaspar aus Heinrich Hoffmanns „Struwwelpeter“ von 1845, dem berühmten Buch für Generationen von Kindern und vor allem von Erwachsenen, mit dessen Drohungen und Schreckensdarstellungen die Grossen den Kleinen und Kleinsten Sittsamkeit und Wohlverhalten gegenüber Eltern und anderen Autoritäten ansozialisierten. Da sind sie – die Mit-Kinder und die Frau: Mutter oder Grossmutter, Tante oder Dienstmagd, mit Kittelschürze und Kopftuch, Eimer und Kehrbesen. Dazu immer wieder Textilien, Vorhänge, Decken, manches an Muster orientalischer Teppiche erinnernd.

Es sind meterlange Bahnen aus Nesseltuch, die Eva Schwab mit Wachs getränkt, anschliessend in Mischtechnik bemalt und dann an drei durch das Kirchenschiff gespannten Drahtseilen aufgehängt hat. Über und zwischen den Tüchern sind Leuchtkörper arrangiert. Das Wachs im Tuch bewirkt eine eigenartige Transparenz dieses Malgrunds, die Darstellungen lassen sich von der Vorderseite sowie – seitenverkehrt – vom Rückwärtigen her betrachten, es ergeben sich dabei Verfremdungen wie auch Effekte wie von Überblendungen. Die leichten Nesseltücher bewegen sich im Luftzug, den der Einhergehende erzeugt.

Menschen fliegen in Zeppelinen und im Kettenkarussell. Eine riesige Injektionsspritze verkrallt ihre vierfache Nadel in den Arm der jungen, zur Seite sinkenden Frau, ihr Körper scheint einem Baumstamm zu entwachsen. Die Krankenschwester im Hintergrund schaut zu. Und da ist er – der Geologenhammer: Zwei Frauen klopfen jeweils mit einem solchen Gerät auf Gegenstände ein. Rechts daneben eine überdimensionierte Kreuzhacke, aber was sehen wir: deren Holzstiel wächst sich hinter der Kulisse der beiden hämmernden Frauen zu jenem Stamm aus, dem sich die von den Injektionsnadeln gepeinigte Frau entwindet. Eine alptraumhafte Szene.

Es sind Zyklen von Erzählungen, in die die Künstlerin den Betrachter, wenn dieser es denn zulässt, verstrickt. Und wer Kunst betrachten will, sollte solches allemal zulassen. Es wird viel an Autobiographischem in diesen Arbeiten enthalten sein, der Weg vom Kind über das Mädchen zur Frau, vor dem Hintergrund von Traditionen, Heimat und Fremdartigkeit. Über das Wieviel sollten wir nicht forschen, sondern uns vielmehr dazu inspirieren lassen, gleichsam selbst den Geologenhammer zur Hand zu nehmen und vorsichtig grabend und klopfend zu beginnen, in unserem Erinnerten wie auch Verdrängten nach dem zu suchen, was unseren eigenen Weg zum Jetzt und Heute bestimmt hat.

Mit ihren aktuellen Arbeiten löst, ja befreit Eva Schwab ihre Malerei vom Keilrahmen, von der fest verspannten Leinwand, und führt sie in den weiten, sakralen Raum der Kirche, in welchem sie sich, über dem Boden schwebend, sanft im Luftzug bewegen und entfalten kann. Es ist, als wehe ein Hauch wie etwas Aufatmendes, Befreiendes durch den Raum.

Eva Schwabs Vita hatten wir in einem früheren Beitrag umrissen. Heute lebt und arbeitet die Künstlerin überwiegend in Berlin – und ist doch der Stadt Frankfurt am Main im Rahmen ihrer Beteiligung an einem Gemeinschaftsatelier weiter verbunden.

Eva Schwab, „Rockhounds“, Weissfrauen Diakoniekirche, bis 26. Juli 2013

Abgebildete Arbeiten © Eva Schwab; Fotos: FeuilletonFrankfurt

 

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