Eine Ausstellung fotografischer Arbeiten im Deutschen Wetterdienst
Wenn der Deutsche Wetterdienst in Offenbach eine Kunstausstellung eröffnet, so wird sie sich, könnte man kalauern, in irgend einer Weise um das Wetter drehen. Nun – wer Kunst und Wetter in einem Zusammenhang erleben will, ist derzeit im Frankfurter Kunstverein gut aufgehoben: Der Titel der dortigen, bis zum 19. Mai 2013 laufenden Kunstschau lautet “Vereinzelt Schauer – Formen von Wetter”. Sogar einen Tornado kann man dort erleben – allerdings im niedlichen „Bastelformat“. Dass das alles jedoch gar nicht so spassig daherkommt, wie es auf den ersten Blick vielleicht ausschauen mag, wird der Betrachter alsbald feststellen, wenn er sich auf die Ausstellung näher einlässt.
Aber zurück zum Deutschen Wetterdienst und zu Patrick Raddatz: So spielt – so könnte man meinen – auch dort in der laufenden Fotografie-Ausstellung das Wetter eine Rolle – konkret in Gestalt von Nebel. Doch Vorsicht ist geboten, denn: Was ist Nebel? Und überhaupt geht es ja allenfalls um die Fotografie von Nebel, also um eine mediale Vermittlung eines solchen Naturphänomens. Und vielleicht noch um einiges oder sogar um sehr viel mehr. Denn was – so fragen wir als Skeptiker – kann Fotografie denn überhaupt noch vermitteln?
Vergessen wir zunächst einmal alles Liebgewonnene um den Nebel, in der Lyrik etwa eines Adelbert von Chamisso oder Ferdinand Freiligrath, eines Eduard Mörike oder Theodor Storm, eines Charles Baudelaire, Theodor Fontane oder Hermann Hesse („Seltsam, im Nebel zu wandern …“). Vergessen wir all die unzähligen, Nebelschwaden und Nebelwallen in allen Variationen darstellenden Werke der Landschaftsmalerei. Unsere nebel-herbstlichen Spaziergänge am Bodensee oder im Alpenvorland. Die naturwissenschaftlichen Definitionen und Erklärungen des Phänomens Nebel als eines sich unter bestimmten Bedingungen bildenden Teils der Atmosphäre.
Denken wir einmal an einen ganz anderen Nebel: an Nebel aus einer Nebelmaschine! An Nebel erzeugt aus Nebelfluid, einem Gemisch zumeist aus Propylenglycol und destilliertem Wasser. Ist zwar nicht so romantisch, dafür aber modisch, bewährt auf Bühnen, in Diskotheken wie auf heimischen Parties. Nebelmaschinen können Sie, liebe Leserinnen und Leser, fast überall kaufen, schon mit einem Hunderter sind Sie mit einem ordentlichen Kleingerät für die Heimanwendung dabei.
Und wo wir nun schon diesen Bewusstseinsschritt vollzogen haben, können wir noch einen weiter gehen: hin zum Nebel als Kriegsgerät, zu den Nebelbomben und -granaten, die die kämpfende Menschheit so gerne einsetzt, um den Feind der Orientierung zu berauben und sich selbst vor Attacken des Gegners zu schützen. Die sind nun etwas teurer, für deren Erwerb setzen die Kriegs- und Verteidigungsministerien deshalb Steuergelder ein. Übrigens gibt es Nebelgranaten auch im übertragenen Sinne: Manche Politiker oder Verhandlungs“partner“ werfen gerne verbal die sprichwörtlichen „Nebelkerzen“, um Wahlvolk oder Konkurrenten über ihre wahren Absichten oder geschäftspolitischen Ziele zu täuschen.
Eines ist den Nebeln der Natur wie denen aus Propylenglycol oder den metaphorischen Nebelkerzen gemeinsam: Sie kaschieren, verhüllen, machen unsichtbar, blind, orientierungs- und hilflos.
Schlimm auch, wenn der Nebel lediglich den Boden verhüllt, uns gleichsam den Boden unter den Füssen entzieht, auf dem man möglichst mit beiden Beinen stehen sollte. Das Bodenlose beängstigt: Was lauert hinter dem nächsten Schritt ins Unsichtbare? Real wie metaphorisch?

Atelier S. Weiterlesen