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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Museum Wiesbaden renoviert und erweitert (1)

Ästhetik von Kunst und Natur unter einem Dach vereint

Von Hans-Bernd Heier

Seit dem 8. Mai präsentiert sich das Museum Wiesbaden nach einer knapp vierjährigen Sanierung der beiden Gebäudeflügel als ein Haus für Kunst und Natur mit über 7.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche – rund 4.200 Quadratmeter mehr als bisher. „Damit sind wir“, wie Museumsdirektor Alexander Klar es augenzwinkernd formuliert, „quasi das ‚Metropolitan Museum‘ Wiesbaden“. Die Sammlung Alte Meister und die Naturhistorischen Sammlungen haben ihre renovierten Räume bezogen und beeindrucken die Besucher mit einem klaren Ausstellungskonzept und einer überzeugenden Präsentation der Exponate.

Das Museum Wiesbaden ist damit ein runderneuerter, sinnlicher und das Wissen fördernder Kulturraum. Es ist ein ganz besonderer Ort der Schule des Sehens – des Sehens von Objekten, des Lernens von den Alten, der Vermittlung von Werten“, schwärmte Ingmar Jung, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, bei der Pressekonferenz.

Mit Staatssekretär Ingmar Jung (Mitte) freuen sich über die gelungene Renovierung und Erweiterung des Museums (v.l.): Kuratorin Silke Kriklo, Museumsdirektor Alexander Klar, Thomas Platte, Direktor Hessisches Baumanagement, Fritz Geller-Grimm, Leiter der Naturhistorischen Sammlungen, und Peter Forster, Kustos der Sammlung Alter Meister; Foto: Hans-Bernd Heier

Mit den Museumsprojekten in Wiesbaden – ebenso wie in Kassel und Darmstadt – zeige die Hessische Landesregierung, welche herausragende Bedeutung sie Kunst und Kultur als wichtigem Standortfaktor beimesse, fügte Jung hinzu. An allen drei Orten liefen Arbeiten, die dem Erhalt, der Erneuerung und der Erweiterung der Häuser dienten. In allen drei Museen gehe es aber auch um eine konzeptionelle Erneuerung und Profilschärfung der Sammlungen und um deren Neupräsentation.

Im Gegensatz zu den Landesmuseen in Kassel und Darmstadt wurde das Museum Wiesbaden bei laufendem Betrieb schrittweise saniert – eine besondere Leistung. Dies unterstrich auch Museumsleiter Klar, der seinem Team für das grosse Engagement dankte: „Wir sind alle recht stolz auf das, was wir geleistet haben“.

Insgesamt hat die hessische Landesregierung für die Renovierung des Landesmuseums Wiesbaden in den vergangenen 20 Jahren bisher rund 37,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Davon entfallen allein gut zehn Millionen Euro auf die jetzt fertiggestellte Sanierung der beiden Gebäudeflügel und zirka 2,4 Millionen auf die Überbauung des Südhofs. Mit der Neugestaltung von Kopfbauten, Kolonnaden, Eingang und Vorplatz – die Arbeiten sind für 2014/15 geplant – soll die Sanierung des Museums vollends abgeschlossen werden. Dafür sind im Landeshaushalt weitere rund 4,7 Millionen Euro vorgesehen.

Raumansicht mit niederländischer Malerei; © Museum Wiesbaden

Alte Meister und naturwissenschaftliche Objekte gehörten schon von Anbeginn zum Kollektionsbestand des Museums – doch zu sehen waren diese in den letzten Jahren nur sehr selten. Mit der Neupräsentation der Naturhistorischen Sammlungen und der Sammlung Alte Meister knüpft das Haus wieder an die alte Tradition und an das Konzept des Mehrspartenmuseums. Denn der historische Grundstock der Sammlungen geht auf die bis in das 18. Jahrhundert zurückreichende Sammlertätigkeit des Privatsammlers Johann Isaac Freiherr von Gerning zurück. Als der Frankfurter Schöngeist einen bleibenden Ort für seine Sammlungen suchte, entschied er sich auf Anraten von Johann Wolfgang von Goethe, mit dem von Gerning in ständigem Kontakt stand, für die nassauische Residenz Wiesbaden. Die Kunstwerke, Altertümer und Naturalien des Frankfurter Sammlers wurden vom Staat Nassau erworben und zunächst im Palais des Nassauischen Erbprinzen, dem heutigen Sitz der IHK Wiesbaden, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zwischen 1912 und 1920 entstand nach Plänen des Architekten Theodor Fischer der Neubau des heutigen Museumsgebäudes, in den die Ausstellungsstücke umzogen.

Der meisterhaft präparierte Eisbär, Ursus maritimus, beeindruckt schon durch seine stattliche Grösse; © Museum Wiesbaden

Im Nordflügel des Fischer-Baus ist die neue Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“ der Naturhistorischen Sammlungen zu bewundern. Gezeigt werden in den vier Themenräumen „Form“, „Farbe“, „Bewegung“ und „Zeit“ eine Auswahl der ansprechendsten Exponate. Die Schau präsentiert auf 1.300 Quadratmeter annähernd 5.000 Schaustücke, ausgewählt aus dem über eine Million Objekte umfassenden Sammlungsbestand. Diese zeigen die „Natur in ihrer ganzen Schönheit“, so Klar, und gewähren einen faszinierenden Einblick in die weltweite, unermessliche Vielfalt der Tiere und Pflanzen und bis zu 400 Millionen Jahre alten Versteinerungen aus Wiesbaden und Umgebung. Im Mittelpunkt stehen die einzelnen, von den besten Präparatoren geschaffenen Naturobjekte, die qualitativ höchsten Ansprüchen genügen und der Verbindung von Natur und Kunst neue Impulse verleihen. Dazu tragen auch das Mitwirken von Künstlern wie Auke de Vries, Vollrad Kutscher und die filmische Dokumentation von Bewegung des Fotokünstlers Eadweard Muybridge bei.

Fritz Geller-Grimm, Leiter der Naturhistorischen Sammlungen, vor einem Murmeltier-Präparat; Foto: Hans-Bernd Heier

Die Schauvitrinen mit Hunderten Varianten von Schneckenhäusern, mit filigranen Vogelnestern oder mit Krebstieren aller Art – mittels moderner LED-Lichttechnik exzellent in Szene gesetzt – vermitteln dem Betrachter rasch einen Einblick in den gewaltigen Varianten-Reichtum der Natur. „Es geht uns in diesem Raum um die Entdeckung der Formenvielfalt der Natur und damit auch um funktionelle Strukturen. Damit einhergehend kann auch Biodiversität sichtbar gemacht werden“, erläutert Abteilungsleiter Fritz Geller-Grimm die Vermittlungsidee hinter dem Präsentationskonzept. „Andererseits wollen wir mit ansprechenden Präparaten für einen respektvollen Umgang mit der Natur werben“.

Formen der Natur: Seesterne; © Museum Wiesbaden

Formen der Natur: Samen und Früchte; © Museum Wiesbaden

Ob Prachtkäfer oder Wüstenfuchs, Hammerhai oder Schwan, Eisbär oder Pfau, Seychellennuss oder Teufelskralle, jedes Objekt ist reizvoll anzuschauen. Dass Betrachter hier ins Staunen geraten, sei Absicht, meint Geller-Grimm. „Ohne wirklich gute Präparate kann das nicht gelingen“, betont er und verweist auf die Arbeit der Präparatoren im Haus und die Aufträge, die mit den vom Ministerium bereitgestellten Mitteln und Dank der Unterstützung der Flughafen-Stiftung an die aktuell besten Präparatoren Europas vergeben werden konnten.

Farben der Natur: Schmetterlinge; © Museum Wiesbaden

Auch der Themenraum Farben dürfte die Besucher begeistern. Die Farben der Natur fordern nicht nur die Wissenschaft heraus. Menschen suchen seit tausenden von Jahren nach geeigneten Mitteln, Farben in allen Nuancen ins Bild zu setzen. Mineralische Pigmente, Pflanzenfarbstoffe und kulturgeschichtlich bedeutende synthetische Farbmittel vervollständigen die Schau über die Farben der Natur und die Natur der Farbe.

Blaue Pigmente und Farbstoffe. Die Natur liefert nicht viele Ausgangsmaterialien für Blau. Farbmittel wie Lapislazuli und Indigo sind nur mit grossem Aufwand zu gewinnen. Blaue synthetische Pigmente wie Ägyptisch Blau und Smalte gehören zu den ältesten künstlichen Farbmitteln; © Museum Wiesbaden

Ein blaues Exemplar des Amerikanischen Hummers, Homarus americanus; © Museum Wiesbaden

Raggi-Paradiesvogel, Paradisaea raggiana; erstmals zeigt das Museum Exemplare aus seiner historischen Sammlung von Paradiesvögeln; © Museum Wiesbaden

Was lebt, bewegt sich, sei es im Wasser, auf dem Land oder in der Luft. Im Themenraum Bewegung können die Betrachter Kraft und Eleganz der Tiere beim Schwimmen, Laufen und Fliegen erleben. Eine Gruppe von Hammerhaien durchschwimmt den Saal auf Patrouille. Springböcke flüchten in rasendem Lauf vor einem Geparden und sieben Schwäne fliegen in typischer, weil energiesparender V-Form dicht über die Köpfe der Besucher hinweg.

Auch Hammerhaie bewegen sich in den für viele Fische charakteristischen wellenförmigen Schwimmbewegungen; © Museum Wiesbaden

Bonito-Thunfisch und Qualle leben beide im offenen Meer, bewegen sich aber sehr unterschiedlich. Im Hintergrund zwei Dorsche; © Museum Wiesbaden

Springböcke ergreifen beim leisesten Anzeichen von Gefahr die Flucht. Erreicht der Gepard nicht nach wenigen hundert Metern ein Beutetier, geht dem sprintstarken Raubtier die Puste aus. Springböcke haben die grössere Ausdauer; © Museum Wiesbaden

Mit Versteinerungen aus der unmittelbaren Nachbarschaft blickt die Ausstellung auf die Entstehungsgeschichte der heutigen Tiere und Pflanzen zurück. Vor 400 Millionen Jahren, als Hessen noch ein großes Meer war, lebten hier Schwämme, Korallen, Seelilien, Muscheln, Schnecken und Tintenfische. Auch die heute nicht mehr existierenden Trilobiten und Panzerfische zeugen vom Leben im Erdaltertum.

Zeit in der Natur: Ein Mammutzahn aus den eiszeitlichen Ablagerungen des Ur-Mains; © Museum Wiesbaden

Im Tertiär sah die Welt wieder ganz anders aus. Im flachen Meer jagten Riesenhaie Seekühe. Sumpflandschaften boten Lebensraum für Krokodile, Schildkröten, Fische und Frösche. Die Überreste dieser Pflanzen- und Tierwelt stammen aus 38 bis 12 Millionen Jahre alten Ablagerungen einer Meeresbucht auf der Fläche von Rheinhessen, dem Mainzer Becken.

In jüngeren Ablagerungen des Ur-Mains und der Lahnmulde wurden Mammuts, Waldelefanten, Flusspferde, Hyänen, Hirsche und Bären gefunden. Die ältesten dieser Versteinerungen sind 890.000 Jahre alt, die jüngsten 20.000 Jahre. In dieser Zeit gab es mehrere starke Klimaveränderungen, die die Lebensgemeinschaften prägten. Der wärmeliebende Waldelefant lebte nicht zeitgleich mit dem Mammut der Kältesteppen. Die frühen Menschen der Eiszeit hielten ihre Eindrücke der Lebenswelten mit grosser Kunstfertigkeit in Höhlenmalereien fest.

Mit der neu gestalteten Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“ knüpft das Landesmuseum Wiesbaden an das Gesamtkonzept des Hauses und bietet den Besuchern eine Wanderung zwischen Kunst und Natur an. Sie schlägt eine Brücke zwischen den beiden Sparten des Hauses, der Kunst und der Natur. Mehrere Übergänge zwischen den Räumen der Kunst und der Natur ermöglichen den Besuchern, immer wieder Vergleiche herzustellen und neue Perspektiven zu entwickeln. „Wir wollen die Besucher einladen, sich mit ihrem Verhältnis sowohl zur Kunst als auch zur Natur auseinanderzusetzen“, sagt Museumsdirektor Klar.

Museum Wiesbaden, Neupräsentation der Naturhistorischen Sammlungen und der Sammlung Alte Meister

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): Museum Wiesbaden

→ Museum Wiesbaden renoviert und erweitert (2)

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