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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Helmut Werres: Selbst-bewusste Emotionen

Von Brigitta Amalia Gonser
Kunstwissenschaftlerin

Wie gut finden Sie sich in der Welt zurecht, können Sie Situationen richtig einschätzen, fällt es Ihnen leicht, Beziehungen zu anderen Menschen zu knüpfen? Sind Sie in der Lage, sich selbst zu motivieren, die Gefühle und Stimmungen anderer zu erfassen? Und wie steht es um Ihre soziale Kompetenz?

All diese Fähigkeiten misst die Emotionale Intelligenz. Neben dem IQ gibt es somit auch den EQ.

Jede Handlung ist Ausdruck von Emotionen und symbolisiert unsere Motivationen.

Um selbst-bewusste, komplexe Emotionen zu spüren, muss man in der Lage sein, sowohl über sich selbst als auch über andere zu reflektieren und sich in die Sichtweise anderer hineinzuversetzen.

Wenn wir die Zusammenhänge zwischen Wahrnehmung, Denken, Emotionen und Verhalten klar erkennen, wird ein bewusstes Steuern von IQ und EQ möglich und kann zielführend in der Praxis umgesetzt werden.

So malt Helmut Werres in dreizehn expressiv realistischen Selbstportraits mit feinstem Pinselstrich selbstbewertende Emotionsausdrücke in typisierter frontaler Kopfansicht als Selbstbefragung und Selbstfindung in Beziehung zu seinem sozialen Umfeld.

Protest, 2006, Öl auf Malplatte, 40 x 30 cm

Dabei bedient er sich einer doppelten Parodie: Im ersten Schritt greift er auf die im Hand- und Lehrbuch der Anatomie für Künstler – „Die Gestalt des Menschen“ von Gottfried Bammes – von einem Schauspieler dargestellten zwölf Grundlagen der Mimik zurück, die er im zweiten Schritt vor dem Spiegel selbst nachstellt und sich dabei fotografiert. Nach den kleinen Fotos gestaltet er dann in Öl die emotionalen Selbstbildnisse als verzerrende, übertreibende Nachahmung, wobei er die individuellen Züge seines Gesichtes, seine charakteristische Mimik und Gestik aufmerksam verfolgt und notiert: Freude, Trauer; Entsetzen, Wut; Zufriedenheit, Ekel; Aufmerksamkeit, Enttäuschung; Nachdenklichkeit, Scharfes Beobachten; kritisches Zuhören, Verachtung, und als Zugabe den Protest.

FreudeTrauer

Entsetzen – Wut

Zufriedenheit – Ekel

Aufmerksamkeit – Enttäuschung

Nachdenklichkeit – Scharfes Beobachten

Kritisches Zuhören – Verachtung

jeweils 2006, Öl auf Malplatte, 40 x 30 cm

Stets wird in diesen Spiegelbildern der direkte Blickkontakt zu seinem Gegenüber gewahrt: sei es der Künstler selbst während des Malprozesses oder der Betrachter.

Eindeutig nachvollziehbar erscheinen aber nur die Paare der Elementaremotionen.

Museumsbesucher des Frankfurter Liebighauses assoziieren angesichts dieser Emotionsbilder sicher die Charakterköpfe von Franz Xaver Messerschmidt, dem deutsch-österreichischen Bildhauer zwischen Barock und Klassizismus: jene Serie von Selbstportraits, rund 52 Büsten, die alle Arten von physiognomischen Zuständen zeigten bis hin zu extremen Grimassen.

Ergänzt werden Helmut Werres‘ „Gemütszustände“ von acht malerischen „Selbstumkreisungen“ in Öl auf Malplatte aus Holz.

Outet sich Helmut Werres hier als Selbstdarsteller?

Sicher ist für ihn das Selbstportrait auch eine ideale Bühne der Selbstinszenierung, des Rollenspiels und des Tanzes um das eigene Ich, aber zugleich versucht er auch die Grenzen des Genres durch Ironie und Groteske zu sprengen. Hinzu kommt, dass er die Portraits nicht einzeln, sondern immer in Serie konzipiert und zeigt.

Seine „Selbstumkreisungen“ sind Brustbilder, in denen er ausser der Vorderansicht vor allem die seinen Blicken abgewandten Seiten, wie Profil und Rückenansichten, malt, indem er sie sukzessive mit zwei Spiegeln entdeckt und erkundet. Als rufe er: Just follow me!

Und dann kommen dazu die zarten und ephemeren zeichnerischen Vanitas-Studien eines Totenschädels. Sie umkreisen ihn in acht wechselnden Stellungen wie ein innerer Monolog: „To be or not to be“ …

1. Schädel aus „Totentanz“, 2003, Bleistift auf Papier, 57 x 77 cm

So erinnert Helmut Werres sowohl an die Flüchtigkeit des emotionalen Moments als auch an die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz.

Helmut Werres, geboren 1953 in Nettetal am Niederrhein, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er studierte freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Staatlichen Hochschule für Bildende Kunst in Braunschweig als Meisterschüler von Professor Malte Sartorius.

1979 erhielt er den Willke-Preis der Stadt Braunschweig, 1991 den Preis für Zeichnung der Darmstädter Sezession, deren Mitglied er seither ist, und 2010 den Preis der Galerie Viktoria B, Bonn. Seit 2011 hat er einen Lehrauftrag für Zeichnung an der Hochschule Darmstadt.

Seit 1990 stellt er aus in Galerien, Kunsthallen und Kunstvereinen in Nettetal, Viersen, Anrath, Kempen, Emmerich, Braunschweig, Lübeck, Kalkar, Bonn, Tübingen, Frankfurt am Main und beteiligt sich regelmässig an den Sezessionsausstellungen auf der Mathildenhöhe Darmstadt.

Die Ausstellung „Selbst-bewusste Emotionen“ mit Malerei und Zeichnung von Helmut Werres ist im Foyer des Gallus Theaters Frankfurt am Main bis zum 25. Mai 2013 zu sehen (Öffnungszeiten: Mo-Fr von 14.00 – 18.00 Uhr und zu den Theaterveranstaltungen)

(Werke © VG Bild-Kunst, Bonn, Fotografien Helmut Werres)

 

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