Städelschule: Rundgang 2013 (6)
In den Raum hinein: Skulptur und Skulpturales
Es ist jedes Jahr das gleiche Dilemma: Wir haben die Qual der Wahl. Wobei die Wahl zu haben im Grunde ja ein komfortabler Zustand ist. Denn fast alles ist sehenswert bei den Rundgängen durch die temporär zu Schauräumen umgestalteten Ateliers der Städelschule, so vieles ist berichtens- und empfehlenswert, dass man ein gar nicht so dünnes Büchlein damit füllen könnte. Der reportierende Betrachter muss sich beschränken, muss seinen Wunsch nach redlicher Erfassung alles Gesehenen ad acta legen und, wenn er einzelnes herausgreift, nun nicht momentaner Laune verfallen, jedoch seinen individuellen Neigungen folgen dürfen.
↑↓ Hanna Maria Hammari
↑↓ Hanna Maria Hammari
Hanna Maria Hammaris gar nicht so spektakuläre, doch wohlkomponierte, sensible und subtile Arbeiten sprechen uns an, wir müssen sie hier ohne Bildlegenden und Materialbeschreibung wiedergeben. Die aus dem Holz geschnitzten, sich in den Raum hinein rollenden Späne gewinnen ein schwebend-leichtes Eigenleben und bleiben doch ihrem Ursprungsort und -materiel verbunden.
Bei den schemenhaften – oft die eine aus der anderen geschnittenen – Figuren von Christoph Esser und den ihnen zugewiesenen Dada-Rollen (Mother, Fother, Other, Bother …) denken wir schmunzelnd an die Fernseh-Sitcom „Eine schrecklich nette Familie“ (zu deren Stammsehern wir uns gewiss nicht zählen). Der 1982 in Essen geborene Künstler studierte zunächst an der Folkwang Universität der Künste mit Schwerpunkt Fotografie und experimentelle Gestaltung; 2009 nahm er das Studium der freien bildenden Kunst an der Städelschule bei den Professoren Willem de Rooij und Michael Krebber auf.
Christoph Esser, Mother, Fother, Other, Bother, Smother, Roberta & Hank, 2013 (Ausschnitt)
Daniel Stempfer (im Bild), duzen/siezen, 2013, Holz, Glas, Papier, Aluminium, 145 x 65 x 95 cm
im Hintergrund: Tobias Donat, !“§$%&/() – B [und – C], jeweils 2012, Lack und Baumwolle auf MDF, 200 x 150 cm
Daniel Stempfer erhebt die Ausstellungssituation, hier konkret die Vitrine zum Gegenstand seiner Betrachtung und Bearbeitung. Stäbe aus Aluminium, durch runde Bohrungen durch den gläsernen Kasten hindurch geführt, lassen an ein Tischfussball-Spiel denken, entsprechende Fussballerfiguren sind jedoch weit und breit nicht in Sicht. Nun kommt es darauf natürlich nicht an. Das zu kurz geratene Tischbein ruht auf einem hohen Papierstapel.
Tobias Donat drapiert handtuchähnliche baumwollene Tücher, das eine in farbenfrohem Missoni-Zickzack, das andere modisch gestreift, vor einer lackierten Fläche aus Faserplatten, die wie eine geflieste Badezimmerwand anmutet. Die Titel seiner Arbeiten entnimmt er der obersten Zeichenreihe der PC-Tastatur!
Zuzanna Czebatul schliesslich baut sieben, sich nach oben verjüngende Türme – wenn wir dabei an Hochhäuser denken, so folgten sie dem stalinistischen „Zuckerbäckerstil“. Oder wir erkennen das Matrjoschka-Prinzip: jedes next Kleinere passt in das nächst Grössere. Sie beklebt den Karton mit allerlei wunderschönen Bonbonschachtel-Motiven, natürlich denken wir an Geschenkkartons voller netter Geburtstags- und Weihnachtsgaben. Der Versuchung zu widerstehen, in die eine oder andere Schachtel in einem unbeobachteten Moment hineinzuschauen, fällt gar nicht so leicht.
Es sind allesamt „Hingucker“ in diesem Atelier, schöne, humorvolle wie hintersinnige Arbeiten, mit denen man sich lange beschäftigen und auseinandersetzen kann.
Zuzanna Czebatul, mint condition one, [two, three, four, five, six, seven], [jeweils mit diversen weiteren Bezeichnungen], 2013, graue Pappe, bedrucktes Papier
wiederum im Hintergrund: Tobias Donat, !“§$%&/() – B, 2012, Lack und Baumwolle auf MDF, 200 x 150 cm
Inga K. Danysz, Mirror Of Grid, 2012/2013, Spiegel, schwarze Klebefolie, 185 x 100 x 0,6 cm
Vielleicht könnten wir in diesem Spiegel von Inga Danysz so etwas wie die naturwissenschaftlich erwiesene, hier visualisierte Krümmung von Raum und Zeit erkennen. Jedenfalls können die im Gitternetz gespiegelten Gegenstände des Ateliers eine neue Dimension und Bedeutung gewinnen. Und dem sich über einen längeren Zeitraum in sein Spiegelbild versenkenden Betrachter können seltsame Anwandlungen widerfahren. Eine interessante wie zugleich vexierende Arbeit.
Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen und Künstler;
Fotos: FeuilletonFrankfurt