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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Verona – die schöne Römerin in Norditalien (1)

Im Gespräch mit der Contessa Guarientina Guarienti di Canossa

Von Juliane Adameit

Kennen Sie die Stadt, in der seit über 100 Jahren die Melodien in einer Arena erklingen ? Klang und Kulisse sind weit über alle Grenzen ein unvergessliches Erlebnis. Weltweit sind die Aufführungen für ihre Inszenierungen, Regien und Stars bekannt – und die nächste Saison kündigt sich bereits an. Es gibt deshalb mehr als 100 Gründe, die Koffer für eine Reise nach Verona zu packen.

Mit etwa 300.000 Einwohnern ist Verona eine mittelgrosse Stadt im norditalienischen Veneto (Venetien). Bei der Anreise von Norden, aus Frankfurt oder München, liegt Verona gleich hinter den Alpen – auf halbem Weg zwischen Mailand und Venedig. Und per Bahn kommt man von Frankfurt mit einmal Umsteigen in München nach Verona – immer der Sonne entgegen. Vorbei geht es auf dieser Strecke an Innsbruck und Brenner, an Brixen, Bozen und Trento und den Ausläufern der Südtiroler Berge. Klar, dafür braucht man ein wenig mehr Zeit und Musse. Aber in der Bahn ist meist ein Platz mit Fensteraussicht garantiert. Und ist das nicht viel spannender? Schliesslich sagte ja schon einst der deutsche Italien-Reisende und -Kenner und grösste Sohn der Stadt Frankfurt, Johann Wolfgang Goethe: „Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen“. Ist man erst einmal über die Alpen gefahren, erreicht man das Ziel: Verona, die römische Stadt an der Etsch (Adige), liegt malerisch und romantisch zwischen grünen „Weinhügeln“.

Panorama mit Dom

In Italien ist nach Rom nur noch Verona für seine so zahlreichen kulturhistorisch wertvollen Denkmäler aus der römischen Zeit berühmt. Seit dem Jahr 2000 steht das Altstadtzentrum von Verona auf der UNESCO-Weltkulturliste. Schon in der Frühzeit war Verona für Siedler ein interessantes Ziel. Es waren die Römer, die aus der Stadt ihren wichtigsten Standort in Norditalien machten. Später erhielt Verona das Stadtrecht. Mit der wirtschaftlichen Blüte kamen einflussreiche italienische Adelsfamilien nach Verona. Kulturell geprägt ist die Stadt durch Römer, Mailänder, Venezianer, Franzosen und Österreicher. Verona und das Veneto schliessen sich Mitte des 19. Jahrhunderts dem Königreich Italien an.

↑↓ Centro Storico / Altstadt

Monumente, Museen, Kirchen und Paläste bieten spannende Einblicke in die lange und bewegte Historie von Verona, der schönen Römerin in Norditalien. Die Jahrhunderte sind hier aber auch eng mit der weltweit bekannten Arena verbunden – die zunächst für Gladiatorenkämpfe gebaut wurde, dann aber lange Zeit ungenutzt blieb. Aber schon seit 1913 bietet die Arena über 22.000 Sitzplätze und dazu ein international renommiertes Festival der Weltklasse. 2013 ist das 100. Jubiläumsjahr der „Arena di Verona“, so wie wir sie heute kennen. Im September 2012 wurde anlässlich dieses Jubiläums bereits das ArenaMuseOpera eröffnet – ein Opernmuseum. Kulisse für das Museum ist ein historischer Palast in der Altstadt. Der Besucher entdeckt hier Bühnenbilder, Kostüme und Dokumente aus der Festivalgeschichte. Im Hintergrund erklingen sanft Arien vom Grammophon durch den Palast.

Römische Arena

Eine Attraktion in Verona ist auch die Biblioteca Capitolare. Schon im Jahr 517 wurde das Institut zunächst als eine Art Schreibwerkstatt gegründet, ist heute Bibliothek und befindet sich in umittelbarer Nähe zum Dom – ein unschätzbares Kleinod. Auf Vereinbarung öffnet man die Bibliothek auch den Besuchern. Hier befinden sich vielerlei wertvolle Drucke und Publikationen. Aus dem Staunen kommt man nicht mehr heraus. Auch die handschriftlichen Dokumente des römischen Philosophen und Politikers Cicero sind hier archiviert. Mit seinem Archiv und über 75.000 Büchern gehört die Institution heute zu den weltältesten Bibliotheken.

Stadtmauer

Auf dem Weg durch die Stadt kommt man früher oder später an der Stadtmauer vorbei, die noch vollständig erhalten ist und ebenso auf die Römerzeit zurückgeht. In der Stadt kommt man dann zu einem 83 m hohen Turm, dem Torre dei Lamberti, aus dem 12. Jahrhundert. Von hier aus hat man einen wunderschönen Rundblick über Verona. Das Turmplateau erreicht man heute entweder über 368 Stufen zu Fuss oder per Lift.

Piazza dei Signori mit dem Torre dei Lamberti

Im 12. Jahrhundert wurde das Rathaus von Verona, der Palazzo della Ragione oder auch Palazzo del Commune, fertiggestellt. Die Skaliger-Dynastie machte damals in Verona von sich Reden und baute den Backsteinpalast, das Castelvecchio. Dazu gehören eine herrschaftliche Grabstätte der Skaliger, die Scavi Scaligeri, mit der Familienkirche, der Chiesa Santa Maria Antica, mitten in der Stadt. Sehenswert ist auch die gegen Ende des 15. Jahrhunderts erbaute Sant’Anastasia (Chiesa di S. Anastasia), die grösste Kirche in Verona.

Sant’Anastasia

Der Palazzo di Canossa von 1527 ist in der Stadt ein legendäres wie prachtvolles Gebäude, denn zahlreiche historische Berühmtheiten wie der russische Zar Alexander I. oder der österreichische Kaiser Franz I. waren hier zu Gast. Maria Ludovika Beatrix von Österreich-Este, österreichische Kaiserin und dritte Gattin von Franz I. sei, wie es heisst, am 7. April 1816 bei einem Besuch in Verona im Palazzo di Canossa an Lungenschwindsucht verstorben. 14 Mal habe Napoleon Bonaparte im Palast verweilt. Der Palast gehört zu den schönsten veronesischen Bauwerken und steht für die Architektur von Michele Sanmicheli.

Palazzo Canossa

Residence Hotel Verona Palazzo Canossa (Foto: © Roy Brewington, Petrus Film Travel)

In einem persönlichen Gespräch mit Contessa Guarientina Guarienti di Canossa, gebürtige und charmante Veroneserin, bezeichnete die heute 84 Jahre alte Dame Verona als Stadt der Liebe. Verona, so die Gräfin, sei „das kleine Paris“. Verona und Venedig würden oft in Verbindung gesehen. Zwar habe Venedig stets eine grössere politische Rolle gespielt. Das ältere Verona habe jedoch als wichtiger Standort der Römer sowie aufgrund seiner geografischen Lage auf einer der Nord-Süd-Achsen in Europa grosse Bedeutung erlangt.

Für die Contessa Guarientina Guarienti di Canossa sind Venedig, Rom und Florenz die schönsten Städte Italiens. Jedoch sei Verona mit all seinen Palästen und Altstadtbauten in den Farbnuancen von terrakotta, gelb, orange bis rot bei Reisenden schon immer sehr beliebt gewesen. Auf der „Charta der Sehenswürdigkeiten“ in Verona stehen für die Gräfin die fünf Kirchen (San Zeno, San Lorenzo, der Dom, Sant’Anastasia und San Fermo) mit Gemälden von Tiziano, Veronese und Bellini. Auch die Piazza Dante (Piazza dei Signori), als Widmung an den italienischen Dichter Dante Alighieri und seine Zeit in Verona, zählt zu ihren Favoriten. Einzigartig sei zur Weihnachtszeit die Krippenausstellung in Verona. Zu den grossen Sehenswürdigkeiten zählt die Contessa weiter das Castello Scaligero (Castelvecchio), die Ponte Pietra, das Römische Theater und natürlich die Arena di Verona.

↑↓  Dom Santa Maria Matricolare zu Verona

So zählt auch das Arena-Festival natürlich zu den Top-Tipps der Gräfin. Auch heute noch besucht sie in jeder Spielzeit zwei- bis dreimal das Festival. Bereits im Alter von 8 bis 9 Jahren sei sie das erste Mal – bei einer Aufführung der Oper Rigoletto von Giuseppe Verdi – in der Arena gewesen. Sie erinnere sich noch heute sehr gut daran.

Sie habe, wie die Contessa Guarientina Guarienti di Canossa erzählt, in ihrer Kindheit auch viel Zeit auf dem Land bei Treviso verbracht. Verona sei damals eine gediegene und ruhige Stadt mit nur wenigen ausgebauten Strassen gewesen. Man fuhr damals mit der Kutsche. Im Jahr 1912 habe man, so weiss sie, lediglich 15 Autos in Verona gezählt.

Sie sei, so die Contessa, bei der Zwillingsschwester ihrer Mutter aufgewachsen, da ihre eigene Mutter im Jahr 1929 verstorben sei und sie als 11 Monate altes Kind hinterlassen habe. Heute leben mit der Contessa Guarientina Guarienti di Canossa noch vier Familien im Palazzo, alle sind di Canossa-Nachkommen. Sie selbst habe, erzählt die Gräfin weiter, im Laufe ihres Lebens aber auch die Welt kennengelernt. 1953/1954 habe sie ein Jahr in Südamerika gelebt, sei in den 1960er Jahren dann häufiger dort gewesen und habe 1974/1975 in Paris gewohnt. Und auch heute noch spricht die Gräfin perfekt die französische Sprache.

Auch die US-Amerikaner seien mit einem Stützpunkt in Verona bis zum Abzug im Jahr 2000 kontinuierlich in der Stadt präsent gewesen. Heute zeige sich Verona aber noch viel internationaler.

Fenster, Balkon in Verona

Das persönlichen Gespräch mit der Contessa Guarientina Guarienti di Canossa bot eine einzigartige und authentische Gelegenkeit, über die verschiedenen Epochen der Stadt aus erster Hand mehr zu erfahren. Voll Nostalgie und versehen mit zahlreichen Details gab sie spannende Einblicke in die Entwicklung der Stadt, ihrer Einwohner und des Palazzo di Canossa, und sie liess über ihre Erzählungen an ihrem damaligen wie heutigen aktiven Engagement für Verona teilhaben.

Fotos (soweit nicht anders bezeichnet): © Juliane Adameit

→ Verona – die schöne Römerin in Norditalien (2)

 

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