“Artists in Residence”-Programm 2012 Frankfurt am Main / 8
Kata Tranker aus Budapest
Von Erhard Metz
Den leckersten Happen soll man sich bis zum Schluss einer Mahlzeit aufheben, damit ihr Geschmack noch lange auf der Zunge und im Gedächtnis bleibe, so lautete eine Lebensweisheit unseres Grossvaters. Halten wir uns daran und kommen wir am Ende unseres achtteiligen Reports über die Ausstellung „Artists in Residence 2012“ im ATELIERFRANKFURT zu unserer Lieblingsarbeit: „Ein Monat“ der ungarischen Künstlerin Kata Tranker.
„Ein Monat“, 2012, 26 pieces of foldet paper trees, height ca. 12 cm (diverse Ausstellungsansichten)
Kata Tranker hielt sich im März 2012 als Artist in Residence in Frankfurt am Main auf, in einer Phase inneren Umbruchs und der Selbstvergewisserung, wie sie angibt. In Anlehnung an den HTP-Test (House-Tree-Person-Test, in welchem ein Probant zunächst ein Haus, einen Baum und eine Person zeichnet und anschliessend auf Befragen des Testabnehmers verbal beschreibt) wählte sie für ihre Arbeit die Beschäftigung mit der Figur des Baums. Denn in ihrer Befassung mit einem Baum, so die Künstlerin weiter, könne sie am meisten über ihr Unterbewusstsein erfahren.
Am Abend eines jeden Tages, in der Zeit vom 5. bis zum 30. März 2012, konzentrierte sie sich, nachdem sie sich überwiegend in der Stadt aufgehalten hatte, auf das Erlebte und dessen Auswirkungen auf sie selbst. Und so faltete sie, an einem jeden Abend, aus Papier einen kleinen Baum, jeweils in Gestalt einer Birke, insgesamt also 26 an der Zahl. Und jedem hängte sie ein kleines Elikett an mit dem Datum desTages.
Die allabendliche Gestaltung eines Bäumchens nahm mehr als eine Stunde Zeit in Anspruch, und Kata Tranker erlebte diese Zeit jeweils als eine Art von meditativem Zustand. In jedem dieser Bäumchen reflektierte sie das im Tagesablauf Geschehene und Gesehene, in jedem Bäumchen spiegelte sich ihre subjektive Befindlichkeit.
In der Aufreihung der 26 Bäumchen entstand ein einzigartiges künstlerisches Tagebuch, eine Dokumentation ihres Aufenthaltes in Frankfurt, eine subjektive Rechenschaft über diesen einen und unwiederbringlichen Monat ihres Lebens und Schaffens. Und, wie Kata Tranker ausführt, ein Ausblick auf die nächsten Schritte ihrer künstlerischen Arbeit.
Eine sehr sensible, poesievolle, intime und bewegende Arbeit. Allein bereits wegen ihr sollte man sich auf den Weg in die Hohenstaufenstrasse begeben.
Kata Tranker wurde 1989 in Székesfehérvár, Ungarn, geboren. Von 1998 bis 2004 besuchte sie die Academy of Fine Art in Budapest und von 2009 bis 2010 die Hochschule für angewandte Wissenschaften (Design Department) in Hamburg. Die Erasmus-Stipendiatin war Artist in Residence ausser in Frankfurt am Main in Nykarleby, Finnland, und im japanischen Mino.
“Artists in Residence 2012″, ATELIERFRANKFURT, nur noch bis 25. Januar 2013
Abgebildete Arbeiten © Kata Tranker; Fotos: Erhard Metz
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