55. Biennale Arte Venedig 2013: deutsch-französischer Pavillontausch
Von Erhard Metz
Das Jahr 2013 ist ein besonderes, und das Ereignis, das es zu würdigen gilt, ein herausgehobenes. In wenigen Tagen wird es gefeiert: das Jubiläum 50 Jahre Élysée-Vertrag.
Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag, genauer gesagt der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit“, „geschehen zu Paris am 22. Januar 1963 in zwei Urschriften, jede in deutscher und französischer Sprache“, zählt neben den Vertragswerken zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft(en) und der späteren Europäischen Union zu den bedeutendsten zivilisatorischen und kulturellen Leistungen auf europäischem Boden im vergangenen Jahrtausend und noch darüber hinaus. So jedenfalls wagen wir es zu behaupten.
Unterzeichnet hatten den Vertrag der legendäre erste Bundeskanzler Deutschlands, Konrad Adenauer, und der nicht minder legendäre Général Charles de Gaulle, seinerzeit Präsident der Französischen Republik.
Flughafen Köln-Wahn, Staatsbesuch des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle, Begrüssung durch Bundeskanzler Konrad Adenauer vor Air France-Maschine, Hände schüttelnd, 18. Juli 1961; Bildnachweis: wikimedia commons cc / Bundesarchiv, B 145 Bild-F011021-0002 / Steiner, Egon / CC-BY-SA
Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle unterzeichnen am 22. Januar 1963 im Pariser Élysée-Palast den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit; Bildnachweis: wikimedia commons cc / Bundesarchiv, B 145 Bild-P106816 / CC-BY-SA
Was hat das nun, so mögen manche fragen, mit der bevorstehenden 55. Kunst-Biennale 2013 in Venedig zu tun?
Recht viel: Die deutsche und die französische Seite nämlich haben für das Jubiläumsjahr des Élysée-Vertrags eine bereits seit langem erwogene Zusammenarbeit der besonderen Art vereinbart: sie tauschen zur Biennale Arte in Venedig ihre beiden benachbarten nationalen Pavillons in den Giardini Pubblici zur gegenseitigen Nutzung aus! Hier die Pressemeldung:
„Christine Macel, die Kuratorin des Französischen Pavillons und Chefkuratorin am Musée National d’Art Moderne – Centre Pompidou, Paris und Anri Sala, der Künstler, der Frankreich vertritt, und Susanne Gaensheimer, die Kuratorin des Deutschen Pavillons und Direktorin des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, sowie die Künstler, die sie für den Deutschen Pavillon eingeladen hat, Ai Weiwei, Romuald Karmakar, Santu Mofokeng und Dayanita Singh, haben sich entschlossen, die Räume des Deutschen und des Französischen Pavillons bei der 55. Kunstbiennale von Venedig 2013 zu tauschen.“
Deutscher Pavillon (Foto: Erhard Metz)
Französischer Pavillon (Bildnachweis: MMK)
Eine gute, erfreuliche Entscheidung: zunächst ein für ein breites Publikum sichtbares Zeichen der deutsch-französischen Kulturkooperation im Jubiläumsjahr des Vertrags.
Die kuratorische Intention von Christine Macel und Susanne Gaensheimer greift jedoch weit darüber hinaus: Das bereits seit langen Jahren kritisch hinterfragte Konzept einer rein nationalen Präsentation bei der Biennale hat sich nach Überzeugung beider Kuratorinnen wie auch einer grossen Zahl angesehener Protagonisten des Kunstbetriebs überlebt. Die heutige Kunstwelt werde vom „Dialog kultureller Sphären“ und von internationaler Kommunikation und Kooperation bestimmt, so Gaensheimer. „Die Kuratoren und die Künstler fühlen sich der Idee einer gemeinsamen europäischen Kultur innerhalb eines grösseren Bezugssystems einer globalen kulturellen Gemeinschaft verpflichtet.“ Befürworter dieser Position verweisen zudem darauf, dass sich Künstlerinnen und Künstler heute ohnehin auf den zahlreichen Kunstmessen auf nationaler wie internationaler Ebene der Öffentlichkeit präsentieren könnten, so dass es einer Vorstellung auf Biennalen und vergleichbarer Veranstaltungen nicht mehr bedürfe.
Unter diesem kuratorischen Ansatz hatte Gaensheimer bereits vier ausländische Künstlerinnen und Künstler eingeladen, Deutschland auf der Biennale 2013 zu vertreten. Schon diese Entscheidung wurde (und wird) durchaus kontrovers diskutiert. So beklagte Niklas Maak in der FAZ vom 19. September 2012 einen „Kritikalitätsradau“ mancher Biennale-Kuratoren, mit dem die „Institution des Nationalpavillons“ auch heute noch in „Verweigerungshaltung“ infrage gestellt werde, was allenfalls in früheren Zeiten einmal berechtigt gewesen sei. Es sei bedauerlich, dass viele in Deutschland – oft „unter immer prekäreren Bedingungen“ – arbeitende Künstler insofern das Nachsehen hätten. Der Deutsche Künstlerbund kritisierte, „Weltoffenheit zeige man nicht dadurch, dass man die Künstlerinnen und Künstler des eigenen Landes ausschliesst“. Und auch der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) äusserte – wie nicht anders zu erwarten – Befremden über diese Entscheidung.
Wie so oft wird es gelten, letztlich beide Positionen zu respektieren und konstruktiv zu erörtern. Aktuell ergibt sich zudem – wenn auch als recht formaler Aspekt – durch den Tausch der Pavillons die Situation, dass mit Anri Sala doch ein zumindest zur Zeit der letztjährigen Kasseler documenta und wohl auch jetzt noch in Deutschland (Berlin) lebender und arbeitender Künstler in den Deutschen Pavillon einzieht.
Zwei weitere Arbeiten aus dem Kreis der von Susanne Gaensheimer zur kommenden Biennale eingeladenen vier Künstlerinnen und Künstler Ai Weiwei, Romuald Karmakar, Santu Mofokeng und Dayanita Singh:
Dayanata Singh, Continuous Cities/House of Love, 2010, Bildnachweis: MMK, © Dayanita Singh, Frith Street Gallery
Santu Mofokeng, Crown Mountain Forest, Haenertsburg, Magoebaskloof, 2011, Bildnachweis: MMK, © Santu Mofokeng, MAKER/Lunetta Bartz, Johannesburg