Das Frankfurter Nibelungen-Projekt – Vom Festhalten des Augenblicks (Folge 2)
Komplett: CD-Ausgabe des Frankfurter „Ring“ mit dem Finale „Götterdämmerung“
Intendant Bernd Loebe zum 60. Geburtstag
Text: Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus, Maik Scharfscheer/Oper Frankfurt, Renate Feyerbacher
Der Ansturm auf die Ring-Aufführungen der Oper Frankfurt war immens. Lange Kassen-Schlangen wurden gesichtet und viele Anstehende, die leer ausgingen.
Zum Trost für diese Enttäuschten, aber auch für diejenigen, die dieses einmalige Projekt „Der Ring des Nibelungen“ an vier Tagen miterleben konnten (und im kommenden Januar und Februar miterleben werden), gibt es die Chance, später noch einmal alles zu hören und anhand des Bildbandes „Zu schauen kam ich …“ der Fotografin Monika Rittershaus auch optisch zu erleben.
Die Produktionsfirma OehmsClassics in München präsentiert den Live-Mitschnitt der „Götterdämmerung„, die am 29. Januar 2012 Premiere in der Oper Frankfurt hatte. Nach der Vollendung der Tetralogie letzter Teil notierte Wagner: „Vollendet in Wahnfried am 21. November 1874. Ich sage nichts weiter!!“ Es gibt kein klärendes Ende. „Denn der Götter Ende dämmert nun auf. So – werf ich den Brand in Wallhalls prangende Burg“ (Brünnhilde).
Tod des Siegfried; Johannes Martin Kränzle (Gunther) und Lance Ryan (Siegfried), aus „Götterdämmerung“, Oper Frankfurt, Foto: © Monika Rittershaus
Wie die zuvor veröffentlichten Kassetten „Das Rheingold“, „Die Walküre“ und „Siegfried“ ist die Aufnahme von hervorragender Qualität. Auch ihr liegt ein Begleitbuch mit dem Libretto in Deutsch und Englisch und den Künstlerbiografien bei. Ausser Dramaturg Malte Krasting kommt der beteiligte Tonmeister Peter Tobiasch von der Oper Frankfurt zu Wort. Er lässt Momente der Tetralogie musikalisch Revue passieren. In der „Götterdämmerung“ hebt er die Trauer Gunthers über seinen getöteten Blutsbruder Siegfried hervor. Gunther – gesungen von Johannes Martin Kränzle, dem Sänger des Jahres, – weint, und das ist deutlich auf der CD zu hören: „Ein Stück menschlicher Trauer im zarten, getragenen Beginn des Trauermarschs“. Diese Szene ist einmalig auch auf der CD, und auch die Szene zwischen Hagen (Gregory Frank) und Gunther und dem später dazu kommenden Siegfried (Lance Ryan, der Siegfried vom Dienst auch in Bayreuth) zu Beginn des Bühnenfestspiels.
Dirigent Sebastian Weigle am 23. September 2012, Foto: Renate Feyerbacher
Tobiasch spricht von Sebastian Weigles musikalischem Fundament im Rhythmus: „Melodie und Rhythmus sind also im Klang verwoben, reiben sich, ja tanzen miteinander“. Die meisten, auch berühmte Ring-Produktionen gingen von den Leitmotiven und Melodiebögen aus. Tobiasch bringt den Jazz-Begriff Groove ins Spiel (englisch „to be in the groove“ – „gut drauf sein“). Dieses Gefühl wird im Finale der Tetralogie „Götterdämmerung“ wie in der Gesamtproduktion des Rings spürbar. Die Aufnahmen mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Generalmusikdirektor Sebastian Weigle und mit vorzüglichen Sängerinnen und Sängern der Oper Frankfurt sind eine gelungene Neuinterpretation.
Ring-Regisseurin Vera Nemirova am 22. Januar 2012, Foto: Renate Feyerbacher
Im Februar /März 2013 wird es den Frankfurter Ring auch auf DVD in Koproduktion mit OehmsClassics geben. Die Aufzeichnung erfolgte im Juni /Juli 2012. Auch das wird ein Erlebnis sein: Vera Nemirovas Regiekunst noch einmal in Ruhe zuhause nachzuvollziehen.
Zum Schluss: Gratulation an Bernd Loebe, der am 15. Dezember 60 Jahre wird!
Seit September 2002 ist er Intendant der Oper Frankfurt. Zuvor war er über ein Jahrzehnt Musikredakteur im Hessischen Rundfunk, dann ab 1990 künstlerischer Direktor am Théâtre Royale de la Monnaie in Brüssel. Die Autoren der Zeitschrift Opernwelt verliehen der Oper Frankfurt schon ein Jahr nach Loebes Amtsantritt (2003) den Titel „Opernhaus des Jahres“. Immer wieder belegt das Haus einen Spitzenplatz im europäischen Opernhaus-Ranking.
Intendant Bernd Loebe, Foto: © Maik Scharfscheer/Oper Frankfurt
Bernd Loebe sorgt für ein festes Ensemble, dessen Mitglieder Höchstleistungen gelingen. Er engagiert internationale Sängerinnen und Sänger, Dirigenten und Regisseure. Er reist in der Welt umher, um neue Talente zu finden, und er findet sie. So hat er den 27jährigen Bariton Björn Bürger, der an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt studiert und soeben den Bundeswettbewerb Gesang 2012 in Berlin gewann, als zukünftiges Ensemblemitglied ans Haus verpflichtet. Ebenso wird Kihwan Sim, Stipendiat des Opernstudios, der einen Preis nach dem andern einheimst, ab 2013 ins Ensemble geholt. Der in Seoul geborene, 29jährige Bassbariton begeisterte im November bei der konzertanten Aufführung von Gaetano Donizettis Maria Stuarda in der Alten Oper Frankfurt.
Bernd Loebe wird bis 2018 Opernintendant in seiner Heimatstadt Frankfurt bleiben, obwohl schwierige Zeiten anstehen. Von massiven Einsparungen ist die Rede, die durch weniger Gäste und weniger festangestellte Techniker realisiert werden sollen. Die Tariferhöhung für die Beschäftigten von 6,3 Prozent setzen die Bühnen, auch das Schauspiel, unter Druck. Dennoch ist Bernd Loebe guten Mutes. Er hofft, das Niveau halten zu können, dank eines starken Ensembles, und dass die Oper Frankfurt weiterhin zu den besten Häusern Europas gehört.
→ Das Frankfurter Nibelungen-Projekt – Vom Festhalten des Augenblicks
→ Das Frankfurter Nibelungen-Projekt: „Das Rheingold“; „Die Walküre“
→ „Siegfried“ von Richard Wagner an der Oper Frankfurt
→ „Götterdämmerung“ von Richard Wagner: der Tetralogie letzter Teil an der Oper Frankfurt