Frankfurter Ateliertage 2012: Sandra Havlicek
LV war gestern – seit heute ist S.H. angesagt. Steht folglich auch nicht für Louis Vuitton, sondern für die Frankfurter Künstlerin Sandra Havlicek. Mit ihrem Kofferset hat sie eine herrliche Persiflage geschaffen auf den berühmten Reisegepäckhersteller samt dessen zahlreichen Plagiatoren und Nachahmern. Tipptopp und schnieke, handwerklich sauber ausgeführt steht es da in ihrem Atelier. Und auch ein eigenes, kreisrundes Label für die durchnummerierten Koffergrössen fehlt nicht – Sandra Havlicek Gloss Up heisst es darauf, stolz mit Jahreszahl in römischen Ziffern MMXII versehen (für alle Nichtlateiner: 2012).
Wer mit Gepäck unterwegs ist, will vermutlich reisen. Er nimmt von zu Hause mit, von dem er meint, es unterwegs zu brauchen; er wird es wieder mit in seine Heimat zurückbringen wollen. Wenn er Vieles und Grosses an Gepäck mitnimmt, will der Reisende vielleicht nicht wiederkehren, wird aus ihm ein Emigrant. Nun nehmen Sandra Havliceks Behältnisse durchaus Schrankkofferformat an, Modell 1 / 5 als das grösste könnte durchaus mehrere Personen aufnehmen, wäre gar für Menschenschmuggel geeignet. Oder ist alles bei weitem nicht so dramatisch, sind die Designerkisten doch nicht für die Reise bestimmt, sondern fürs Aufbewahren von allerlei Diesem und Jenem zu Hause? Wer mag es wissen? Oder befindet sich am Ende in den schmucken Kästen bereits etwas, das die Künstlerin unseren neugierigen Blicken vorenthält?
Havlicek setzt sich auf intelligente wie ironische Weise mit dem Reisen oder Bleiben, mit dem Antagonismus von Mobilität und Ortsgebundenheit im Rahmen einer künstlerischen Existenz auseinander. Und auch mit den Fragen und Vorstellungen von Original und Plagiat. Eine Arbeit auch von grosser formaler Ästhetik, die man gerne länger betrachtet und umschreitet.
Noch bis zum Sommer 2013 ist die Künstlerin Stipendiatin des basis-Studio-Programms 2012/2013 mit einem Atelier im basis-Haus Gutleutstrasse.
Sandra Havlicek, 1984 in Frankfurt am Main geboren, studierte von 2004 bis 2008 an der Hochschule für Gestaltung, Offenbach bei Professor Heiner Blum. Anschliessend, von 2008 bis 2011, absolvierte sie ein Studium an der Frankfurter Städelschule bei Professor Tobias Rehberger. Ihre Arbeiten waren bereits mehrfach in Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden sowie in Ettlingen und Kopenhagen ausgestellt. Sie war Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes und erhielt 2011 den EXTRACT Kunst-Preis des Kunstverein GLStrand, Kopenhagen. In diesem Jahr ist sie zur Ausstellung im Museum Wiesbaden für das Vordemberge-Gildewart Stipendium 2012 eingeladen.
(abgebildete Werke © die Künstlerin; Fotos: FeuilletonFrankfurt)
→ Aus „Open Doors“ werden „Frankfurter Ateliertage“