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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Genie und das Geld (2)

Wie Goethe ein Vermögen anhäufte (2)

Von Hans-Bernd Heier

In Weimar erwarteten den Geheimen Rat riesige Herausforderungen

Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach bestellte Goethe im Juni 1782 als Geheimen Rat, zu dessen amtlichen Aufgaben auch die Leitung der herzoglichen Kammer gehörte – ein Amt, das man im heutigen Sprachgebrauch als Finanzministerium bezeichnen würde. Der junge Goethe stand vor einer riesigen Herausforderung, denn die Finanzen des Herzogtums waren äusserst klamm und nur durch eine einschneidende Steuerreform war der Pleitestaat zu sanieren. Denn Sachsen-Weimar-Eisenachs Neuverschuldung war in den letzten Jahren rasant in die Höhe geschossen: Die Staatsschulden waren von 9.736 in 1775/1776 auf 59.895 Reichstaler in 1781/1782 gestiegen – hatten sich in dieser Zeit also nahezu versechsfacht. Die Sanierung der Finanzen gelang Goethe nur durch eine „Austerity-Politik“ (strenge Sparpolitik), wie Professor Felix Semmelroth, Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main, bei der Eröffnung der Goethe-Festwoche 2012 betonte. (Parallelen zu den aktuellen Bemühungen zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen Griechenlands und Spaniens drängen sich geradezu auf).

Frühes Interesse an monetären Fragen

Porträt des Bankiers Friedrich Metzler (1749 bis 1825); © Bankhaus Metzler

Der Universalgelehrte beschäftigte sich zeit seines Lebens intensiv mit ökonomischen und monetären Fragen und dachte über das Geldwesen nach. Das ist nicht weiter überraschend, pflegte Goethes Familie doch enge Beziehungen zu einigen Frankfurter Bankiersfamilien. Besonders mit dem Bankierssohn Friedrich Metzler verband Goethe eine lange Freundschaft. Möglicherweise besprachen sie auch das Projekt einer Frankfurter „Zettelbank“, das Metzler 1790 zu initiieren versuchte, aber aufgrund zu grosser Vorbehalte gegenüber dem Papiergeld nicht durchsetzen konnte.

Das Interesse des Dichters am Geldwesen fand seinen Niederschlag in vielen seiner Werke, besonders im „Faust“. Im zweiten Teil des Dramas wird ein alter Traum der Alchemisten wahr: Zwar wird nicht Blei zu Gold, aber Papier zu Geld. Es schafft Werte, wenn es produktiv eingesetzt wird und seine Menge begrenzt bleibt. Speziell diese Erfindung des Papiergeldes ohne Golddeckung faszinierte ihn. Aber angesichts des Scheiterns der ersten Papiergeldschöpfungen, den Assignaten in Frankreich, sah er auch die enormen Gefahren der ungedeckten Papierzettel.

„Assignat de cinquante sols“, Frankreich, 1793 ; © Historisches Museum Frankfurt.
Die berühmten Szenen, in denen Mephisto und Faust Papiergeld schöpfen, speisen sich aus der Wirklichkeit: 1789 brachten die französischen Revolutionäre Papiergeld (die sog. Assignaten) in Umlauf. Diese verfielen bald im Wert, da die französische Regierung zu viele Scheine druckte, so dass sie 1796 ausser Kraft gesetzt wurden

Als Minister in Weimar engagierte sich der grosse Dichter und Denker auch bei der Förderung der regionalen Wirtschaft in Sachsen-Weimar-Eisenach. Er kümmerte sich um den Chausseebau und förderte das Handwerk – eine existenzielle Aufgabe in Zeiten der frühen Industrialisierung.

Aber nicht alles gelang: Ein besonderes Anliegen Goethes war der Wiederaufbau des Ilmenauer Silberbergbaus. Doch mit diesem ehrgeizigen Projekt scheiterte der Erfolgverwöhnte.

Der Herr Staatsminister pflegte einen aufwendigen Lebensstil

Der Geheime Rat verdiente anfangs 1.200 Taler und war damit einer der höchstbezahlten Staatsdiener am Hof von Herzog Carl August. Dennoch reichte dieses üppige Salär nicht aus, weil Goethe teilweise das Doppelte für seinen aufwendigen Lebensstil ausgab. Dieser war nur durch Zuschüsse des grosszügigen Herzogs und seines Elternhauses aufzufangen.

Goethes Haushaltsbuch von 1791; © Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv.
Mit bürgerlicher Gründlichkeit notierte Goethe bzw. liess er seine privaten Ausgaben in Haushaltsbüchern notieren. Diese sind aus seiner gesamten Weimarer Zeit überliefert und umfassen rund 25.000 Einzelblatt

Doch wofür gab das Genie das viele Geld aus? Da auch Goethe seine Ausgaben akribisch aufschrieb bzw. notieren liess, wissen wir aus den Haushaltsbüchern, wohin die Mittel flossen: Den grössten Posten der durchschnittlichen Jahresausgaben in der Zeit von 1816 bis 1831, nämlich rund 37 Prozent, beanspruchte die Haushaltsführung – wie Löhne für Diener, Mägde, Köchin und Schreiber etc. Die zweitgrösste Position mit 15 Prozent ist unter der pauschalen Bezeichnung „Wein“ zusammengefasst – hierunter fallen wohl Aufwendungen für Bewirtung des gastfreundlichen und grosszügigen Hausherrn. Der Posten „Hr Staatsminister“ umfasst seine persönlichen Ausgaben für Käufe von Büchern, Sammlungsstücken und Genussmitteln sowie Reisen; diese machten rund 12 Prozent aus: Der hehre Geist war also durchaus irdischen Dingen zugeneigt, wie die FAZ schreibt. Erheblich zu Buche schlugen auch die Heizkosten: mit 7 Prozent für Holz.

Verglichen mit seinen Zeitgenossen reiste Goethe sehr viel: Mehr als 40.000 Kilometer hat er auf den verschiedenen Reisen innerhalb Deutschlands, nach Italien, Frankreich und in die Schweiz zurückgelegt – das kostete ihn mit Unterkunft insgesamt etwa 100.000 Taler, schätzt die Frankfurter Wirtschafts- und Sozialhistorikerin Vera Hierholzer.

Wie ehrlich war der Steuerbürger Goethe?

Goethes Ausgaben wuchsen in den letzten Weimarer Jahren rapide: von 4.000 Talern im Jahre 1817 auf über 12.000 Taler in 1832. Doch das konnte sich der Geheime Rat inzwischen durchaus – auch ohne jede weitere Unterstützung – leisten. Er gehörte, wie die sogenannten steuerlichen Abschätzungsrollen belegen, zu den reichsten Bürgern Weimars: Im Jahre 1820 vermerkte die Steuerkommission, die von den steuerpflichtigen Staatsbürgern selbst gewählt wurde, dem Begleitband zur Ausstellung „Goethe und das Geld“ zufolge, ein Gesamteinkommen von 28.768 Talern. Nicht angegeben waren darin Goethes Honorare – allein von Cotta erhielt er in diesem Jahr 1.000 Taler.

Steuer-Abschätzungs-Rolle für die Stadt Weimar mit Eintrag Johann Wolfgang Goethes, 22. September 1820; © Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Zur Ehrenrettung des Dichterfürstens sei jedoch angemerkt, dass er ein Jahr später sein Honorar mit insgesamt 4.855 Talern angab – was ziemlich genau dem Betrag entsprach, den er von Cotta erhalten hatte (4.900 Taler).

Insgesamt wird Goethes Gesamteinkommen von 1776 bis 1832 auf gut 340.000 Taler geschätzt. Dabei machen die Honorare mit 160.000 Talern den grössten Betrag (46,7 Prozent) aus, gefolgt von Diensteinkommen mit 120.000 Talern, gleich 35,1 Prozent. Aber auch die Einahmen aus Zinsen 23.000 Taler (6,7 Prozent), Erbschaft 14.250 Taler (4,2 Prozent), Zuwendungen des Herzogs 12.000 (3,5 Prozent) sowie Zuwendungen seiner Eltern in Höhe von 10.000 Talern (2,9 Prozent) schlugen auf der Habenseite wohltuend zu Buche.

Goethe könnte diese Stücke in seiner Geldbörse getragen haben: Taler der Grossherzöge Carl August und (seines Sohnes) Carl Friedrich zu Sachsen-Weimar-Eisenach, der beiden Dienstherren Johann Wolfgang Goethes; aus der Sammlung des Herausgebers, Fotos: FeuilletonFrankfurt

Die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Löffler bezifferte in ihrem Festvortrag zur Eröffnung der Goethe-Festwoche sein Vermögen auf umgerechnet sieben bis 17 Millionen Euro: viel für damalige Verhältnisse – „Peanuts“ im Vergleich zu den Milliardenvermögen, die junge Unternehmer der IT-Branche heute anhäufen.

Auf den Sockel gehoben, auf Münzen und Banknoten geehrt

Das grösste Genie der deutschen Kultur- und Geistesgeschichte, heute würde man salopp formuliert vom „totalen Megastar“ sprechen, nahm schon zu Lebzeiten eine einzigartige Stellung in der Öffentlichkeit ein. „Die Verehrung von Person und Werk ging nach seinem Tod 1832 nahtlos in ein Goethe-Gedenken über, das im Laufe der Zeit immer vielfältigere Formen annahm“, schreibt Ulrich Rosseaux, Mitarbeiter in der geldgeschichtlichen Sammlung der Deutschen Bundesbank, im Begleitkatalog zur Ausstellung „Goethe.Auf.Geld.“ im Geldmuseum der Bundesbank.

In vielen deutschen Städten wurden Denkmäler zu seinen Ehren errichtet. Aber auch ausserhalb Deutschlands wurde er für denkmalwürdig gehalten, so wurden zu seinem Gedenken Monumente in Karlsbad, Marienbad, Wien und Rom geschaffen. Strassen, Plätze und Schulen sowie die Universität in Frankfurt wurde nach dem grossen Deutschen benannt. Kaum bezifferbar ist zudem die Zahl der Gedenktafeln, die auf die jeweiligen Aufenthalte des reisefreudigen Dichters an der Fassade eines Hauses hinweisen. „Ganz zu schweigen von Erinnerungsdevotionalien, die von der Postkarte über den Goethe-Schlüsselanhänger, das Goethe-T-Shirt und die Goethe-Kaffeetasse bis hin zur Goethe-Fussmatte mit „SALVE“-Aufdruck die ganze kulturindustrielle Bandbreite abdecken“, so Rosseaux weiter.

Gedenkmünzen zu Goethes 150. Todestag 1982 der BRD (links) und der DDR (rechts); © Deutsche Bundesbank

Die runden Jahrestage seines Geburts- und Sterbetags waren Kulminationspunkte des Goethe-Gedenkens. Seit der Feier des 100. Geburtstags 1849 erschienen zu jedem dieser Jahrestage Gedenkmünzen und -medaillen, ab 1932 auch Sonderbriefmarken.

Nicht einer gewissen Pikanterie entbehrt dabei die deutsch-deutsche Goethe-Konkurrenz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, die zwischen 1949 und 1989 jeweils „ihren“ Goethe für sich beanspruchten.

Ostdeutschland bildete den Dichterfürsten aber nicht nur auf Münzen, sondern auch auf Banknoten ab.

20 Mark-Schein der Deutschen Notenbank DDR (1964), rückseitig das Gebäude des Nationaltheaters Weimar von 1908, dessen Vorgänger, das Weimarer Hoftheater, Goethe von 1791 bis 1817 als Theaterdirektor leitete; 20 Mark-Schein der Staatsbank der DDR (1975); aus der Sammlung des Herausgebers, Fotos: FeuilletonFrankfurt

Auf einen D-Mark-Schein schaffte es das Genie dagegen nie. Es hat allerdings in der Bundesrepublik schon sehr früh Bestrebungen gegeben, ihn auf einem Geldschein abzubilden. Der Bank Deutscher Länder, der Vorgängerbank der Deutschen Bundesbank, lagen bereits 1949 Entwürfe für DM-Scheine vor, die aber nie realisiert wurden.

Entwurf eines Hundert-DM-Scheins von Hermann Virl (1949); © Deutsche Bundesbank

Notgeld mit Goethe-Zitaten

Während des ersten Weltkriegs verschwanden in Deutschland die Münzen weitgehend aus dem Geldverkehr. Gold und Silber wurden zur Kriegsfinanzierung benötigt, andere Münzmetalle für die Rüstungsproduktion. Als Ersatz gaben Städte und Gemeinden, aber auch Firmen Notgeld aus – meist als Papiergeld. Auch während der Inflationszeit der frühen 1920er Jahre wurde Notgeld gedruckt.

Das 50 Pfennig-Notgeld der Harzquer- und Brockenbahn, ein Unternehmen der Nordhausen-Wernigeroder Eisenbahngesellschaft, schmückte im Jahr 1921 eine Szene der Walpurgisnacht sowie ein Faust-Zitat; © Deutsche Bundesbank

Vor allem Orte, in denen sich der Dichter aufgehalten hat oder die in seinen Werken eine Rolle spielten, griffen bei der Gestaltung ihres Notgelds auf Goethe-Motive zurück.

Das Papiernotgeld mit den schmucken Darstellungen erfreute sich bei Sammlern grosser Beliebtheit. Das veranlasste einige Emittenten, kleine Serien von sechs bis zehn thematisch und gestalterisch aufeinander abgestimmten Notgeldscheinen herauszugeben, die eigens für Sammlerzwecke hergestellt wurden.

Gleich drei sehenswerte Goethe-Ausstellungen sind derzeit in Frankfurt am Main zu sehen:

„Goethe und das Geld. Der Dichter und die moderne Wirtschaft“, Sonderausstellung im Frankfurter Goethe-Haus, bis 30. Dezember 2012

„Goethe.Auf.Geld.“, Ausstellung im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank, bis 9. Dezember 2012

„Die Konstellation war glücklich … Goethes Frankfurt 1749 – 1775“ im Institut für Stadtgeschichte (Karmeliterkloster), bis 27. Januar 2013

Alle Ausstellungen werden von einem umfangreichen Begleitprogramm ergänzt.

Zusätzliche Informationen unter: www.goetheunddasgeld.com

→ → →  Das Genie und das Geld (1)

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