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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

55. Biennale Arte Venedig 2013

Le roi est mort, vive le roi!
Kaum ist die documenta 13 beendet, steht schon die 55. Biennale Venedig vor der Tür.

Susanne Gaensheimer, Direktorin des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main und Kuratorin (Kommissarin) für den Beitrag Deutschlands zur 55. Biennale di Venezia 2013, hat ihre Planungen bekannt gegeben: Auf ihre entsprechende Einladung sollen vier bereits in besonderer Weise mit der deutschen Kunstszene verbundene Künstlerinnen und Künstler im kommenden Jahr den Deutschen Pavillon bespielen: Ai Weiwei, Romuald Karmakar, Santu Mofokeng und Dayanita Singh. Deren Werke beschäftigten sich, so Gaensheimer, auf kritische Weise mit den Bedingungen ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit und gäben wesentliche Impulse zur Reflektion des aktuellen kulturellen und gesellschaftlichen Selbstverständnisses in einer global vernetzten Welt. Sie nutzten dabei eine Vielzahl von Medien, neben Bildhauerei und Installation auch Fotografie und Film.

Gaensheimer will somit auf der kommenden Biennale in Venedig, der nach der Kasseler documenta bedeutendsten weltweiten Kunstschau, den transnationalen Ansatz fortführen, den sie bereits mit ihrer Berufung von Christoph Schlingensief zur Biennale 2011 begonnen hatte.

„Die Alltagsrealität und die kulturelle Landschaft in Deutschland“, führt Susanne Gaensheimer aus, „sind von unterschiedlichen Religionen, Ökonomien und politischen Ansätzen geprägt, das ist heute die Normalität und führt sowohl zu einer grossen Bereicherung als auch zur Konfrontation. Dass unsere Gesellschaft nicht mehr ohne Dialog, Kooperation und einer Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Lebensentwürfen und -wirklichkeiten funktioniert, zeigt sich gerade heute in aller Deutlichkeit.

Für die Biennale in Venedig mit einer Gruppe von Künstlern aus unterschiedlichen Ländern zusammenzuarbeiten, ist daher für mich die logische Fortsetzung meiner Arbeit mit Christoph Schlingensief.

Die von mir eingeladenen Künstler und ihre Werke sind repräsentativ für verschiedene Themen, die sich aus dem Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Ideologien und Lebensentwürfe ergeben und uns heute besonders betreffen. Wichtig ist mir dabei, dass es ihnen gelingt, unsere Perspektive zu erweitern und uns einen Zugang zum Blick der ‚Anderen‘ zu schaffen, teilweise auch auf unbequeme Weise. Obwohl sie ihre Werke aus den spezifischen, lokalen Kontexten heraus entwickeln, realisieren sie durch die Integration ihrer eigenen Erfahrungen von Internationalität eine Art anthropologisch universelle Bildsprache.“

Darüber hinaus sondiert Gaensheimer mit Christine Macel, der Kuratorin des französischen Beitrags, sowie mit Anri Sala, dem von Frankreich eingeladenen Künstler, Möglichkeiten einer Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland zur kommenden Biennale.

Ai Weiwei, 2010, Bildnachweis: MMK, Foto: Gao Yuan

Über den 1957 in Peking geborenen Konzeptkünstler, Bildhauer und Kurator Ai Weiwei, den vermutlich derzeit weltweit bekanntesten Künstler überhaupt, Sohn eines Dichters und Malers, brauchen wir an dieser Stelle kaum mehr etwas auszuführen. Bereits sein Vater erlitt das Schicksal einer 20jährigen Verbannung. Ai Weiwei studierte an der Pekinger Filmakademie und lebte von 1981 bis 1993 in den USA, wo er an der Parsons School of Design studierte. Sein Œuvre umfasst Bilder, Bücher, Filme, Häuser, Installationen, Photographien und Skulpturen. Im Mai 2011 nahm ihn die Berliner Akademie der Künste als Mitglied auf und trug ihm eine Gastprofessur an. 1999 nahm er an der 48. Biennale Venedig teil. Unvergessen sind seine Beiträge „Template“ und „Fairytale“ für die Kasseler documenta 12 des Jahres 2007. Das Frankfurter MMK besitzt mit „Ghost Gu Coming Down The Mountain“ (2005/2006, gemeinsam mit Serge Spitzer) eines seiner bedeutenden Werke.

Portrait Romuald Karmakar, 2012, Bildnachweis: MMK, © Romuald Karmakar

Romuald Karmakar wurde 1965 in Wiesbaden als Sohn französischstämmiger und iranischer Eltern geboren. Der Regisseur und Drehbuchautor lebte als Jugendlicher in Athen und legte 1984 in München das Abitur ab. Im gleichen Jahr begann er, zumeist politische und zum Teil kontrovers diskutierte Filme zu drehen. 1995 erhielt er den Deutschen Filmpreis und 2001 den Adolf Grimme-Preis. Aufsehen erregte bei der diesjährigen Berlinale sein Dokumentarfilm „Angriff auf die Demokratie – Eine Intervention“ insbesondere zur Euro- und Finanzkrise und zur Gefährdung der Demokratie in Krisenzeiten.

Santu Mofokeng wurde 1956 in Johannesburg geboren, wo er auch heute lebt. Während des Apartheid-Regimes, das er bekämpfte, arbeitete er in Soweto als Strassenfotograf und später an der University of the Witwatersrand als Dokumentarfotograf. In seinen künstlerischen Arbeiten, die sich der Situation der Menschen in Unterdrückung und Elend wie der Zerstörung von Landschaften widmen, hinterfragt Mofokeng zugleich das Medium der Fotografie. Unter anderem wurden sie 2002 auf der Kasseler documenta 11 ausgestellt. Bereits zuvor war er in Deutschland 1998 Stipendiat des Künstlerhauses Worpswede und später des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.

Santu Mofokeng, Portraits of self, Taiwan, 2006, Bildnachweis: MMK, © Santu Mofokeng

Santu Mofokeng, Gold-Mining Area, Krugersdorp, 2012, Bildnachweis: MMK, © Santu Mofokeng

Dayanita Singh schliesslich wurde 1961 in Neu Delhi geboren, wo sie, neben Goa, auch heute lebt und arbeitet. Sie studierte in Ahmedabad und New York Visuelle Kommunikation, Fotojournalismus und Dokumentarfotografie und arbeitet unter anderem für internationale Magazine und Zeitungen. Sie stellte in Berlin und München aus und publizierte zahlreiche Arbeiten im Göttinger Steidl-Verlag.

Dayanita Singh Portrait, Bildnachweis: MMK, Foto: Vicky Roy, © Dayanita Singh, Frith Street Gallery

Dayanita Singh, Go Away Closer, 2007, Bildnachweis: MMK, © Dayanita Singh, Frith Street Gallery

→ 55. Biennale Arte Venedig 2013: deutsch-französischer Pavillontausch

 

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