documenta 13 in Kassel (32)
Shinro Ohtake: „Uncle Shinro’s Cabin“?
Da hat wohl jemand aus allerlei passenden wie unpassenden Materialien eine bunte, skurril anmutende Hütte gezimmert, ihr einen nicht minder skurril bemalten Wohnwagen beigestellt; aber da sind auch – wiederum bunt angestrichene – Boote kreuz und quer verstreut, auf dem Waldboden liegen und in Astgabeln der Bäume hängen sie, als hätte sie eine gewaltige Tsunami-Flutwelle dort hingeworfen. Auch eine Reminiszenz an Fukushima?
Mit dem Sklavendrama „Uncle Tom’s Cabin“ hat die Hütte offensichtlich nichts zu tun. Also ein Fall von „Trash Art“? Beim Publikum erfreut sich die Bude grosser Beliebtheit, hoffentlich nicht nur deshalb, weil sie und das ganze Ensemble so schön bunt und schrill ausschauen. Über der Hütte grüsst das Reklameschild eines ehemaligen Schnellimbisses aus Uwajima, dem Wohnort des Künstlers. Blickt man durch die Fensterchen der Kate, aus deren Innerem merkwürdige Geräusche dringen und aus deren Dach ab und an Rauch aufsteigt, gewahrt man ein ebenso buntes und schrilles Sammelsurium, Unmengen von Papier, Plakaten, Fotografien, Bildern und allerlei Gegenständen. Ein konzeptloses Durcheinander oder ein sorgsam komponiertes Arrangement?
„Mon Cherie: A Self-Portrait as a Scrapped Shed“ – ein Selbstporträt als Hütte aus Schrott – nennt der japanische Künstler Shinro Ohtake seine Installation. Er hat in ihr alles versammelt, was er auf seinen Reisen – und übrigens auch seit seinem Aufenthalt in Kassel selbst – aufgegriffen und für mitnehmenswert befunden hat. Eine Art von Dokumentation seines künstlerischen Lebens ist auf diese Weise entstanden. Und um das Überleben geht es ihm, auch nach Erdbeben und Tsunamis: um Behausung, zu der dem Gestrandeten auch ein Boot dienen kann, um Wärme, der aufsteigende Rauch kündet von ihr, um Ernährung, als Symbol dafür mag das Reklameschild des Schnellimbisses stehen. Behausung und Selbstporträt, also die eigene Existenz, konvergieren in der Installation zu einem Ganzen.
Mon Cherie: A Self-Portrait as a Scrapped Shed, 2012, verschiedene Materialien, Holz, Elektronik, Ton, Dampf, Masse variabel; in Auftrag gegeben und produziert von der documenta 13; Courtesy der Künstler, Take Ninagawa, Tokio
Shinro Ohtake, 1955 in Tokio geboren, studierte dort an der Musashino Art University. Reisen führten ihn in die USA und nach Grossbritannien. Er arbeitete als Maler und Bildhauer. 1988 liess er sich in Uwajima nieder, wo er auch heute lebt und arbeitet.
Fotos: FeuilletonFrankfurt