Weise und leise: die Karikaturistin Marie Marcks
Bildnachweis: caricatura museum frankfurt © Marie Marcks
Wahrlich weise und leise ist sie, die Grande Dame der Karikatur Marie Marcks. Diesen Ehrentitel nehme sie nicht gerne in Anspruch, so erfahren wir, und doch ist er ihr angemessen. Polternder Humor, gar ätzende Schärfe oder Zotigkeit sind nicht ihr Ding. Ihr Witz liegt im feinen Spiel der Worte wie in den gekonnten Strichen ihrer Feder.
Marie Marcks bedankt sich am 8. August 2012 bei den Gästen der Ausstellungseröffnung (Foto: FeuilletonFrankfurt)
1994; Bildnachweis: caricatura museum frankfurt © Marie Marcks
Ihr 90. Geburtstag steht noch einige Tage aus; deshalb galt es am vergangenen Mittwoch, zunächst die Eröffnung ihrer grossen Jubiläumsausstellung „Marie Marcks“ im caricatura museum frankfurt zu feiern, dem „schönsten Museum der Welt“, wie dessen Leiter Achim Frenz niemals müde wird zu betonen und auch heuer erwartungsgemäss wieder hervorhob. Gefeiert wurde im, aber erst einmal vor dem Museum, und wir sind geneigt, in Analogie zu Achim Frenz‘ „ceterum censeo“ zu formulieren „auf dem schönsten Platz Frankfurts“, wo sich Bendergasse, Weckmarkt und Zum Pfarrturm treffen, zwischen dem das Museum beherbergenden Leinwandhaus, der Südwestecke des Kaiserdoms nebst Dombauhütte und der Schirn Kunsthalle. Der Wettergott hatte ein Einsehen mit der grossen Schar der zur Ehrung von Marie Marcks Herbeigeeilten und bescherte einen herrlichen lauen Sommerabend, in den sich die Klänge keines anderen als des Saxophon-Altmeisters Emil Mangelsdorff einwoben, begleitet von seinem Pianisten Thilo Wagner, bekannt als „schwäbischer Oscar Peterson“.
Marie Marcks applaudiert Emil Mangelsdorff und Thilo Wagner (Fotos: Renate Feyerbacher und FeuilletonFrankfurt)
Der Atomforscher (1963) und Entwarnung (1986); Bildnachweis: caricatura museum frankfurt © Marie Marcks
Über die wundervollen Zeichnungen der Karikaturistin zu sprechen und zu schreiben erscheint am Ende eher müssig: Vielmehr kommt es darauf an – und es wird deren Arbeiten am ehesten gerecht, denn dazu sind sie da – , sie zu betrachten, zu reflektieren und – zu geniessen, denn Kunst und Karikatur dürfen auch sozusagen kulinarisch sein.
Marie Marcks‘ Arbeiten handeln von Familien und Frauen, von gesellschaftlichen und politischen Zuständen und Gegebenheiten. Ja, sie sind politisch, und wir erwarten von Karikatur, dass sie politisch ist. Mit „Der Atomforscher“ aus dem Jahr 1963 formuliert und hinterfragt sie schon früh die mit der expandierenden Atomwirtschaft drohenden Gefahren und Risiken, mit der ihr eigenen subtilen Bild- und Wortprache leiser, feiner Komik und Ironie und doch vor einem bitter-ernsten Hintergrund. In „Entwarnung“ (1986) entlarvt sie mit wenigen Strichen die verlogene, männlich-präpotente Attitüde von Politik und mit ihr verbandelter Atomlobby.
Meisterlich skizziert sie Situationen im Alltag von Familien und, vor eigenem biografischen Hintergrund, von Kinder womöglich allein erziehenden Frauen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Welt der Kinder, deren unbefangen-logische Äusserungen die Erwartungshaltung und die Worthülsen der – fast möchte man formulieren sozusagen – Erwachsenen durchaus konterkarieren und ins Lächerliche wenden. Ihre humorvolle wie skeptische Kritik macht weder vor besorgten Vätern und Müttern noch vor um Rat angegangenen Psychoanalytikern halt.
Marie Marcks‘ Karikaturenkunst vollzieht sich in einer ruhigen und feinsinnigen Art und Weise, was, so könnte man sagen, fast ein Fehler dieser Arbeiten sein könnte: Den bekannten grobschlächtigen, „brutalstmöglichen“ ehemaligen und gegenwärtigen Politikern werden sie, wie man sprichwörtlich sagt, ins Horn gepetzt sein.
1976; Bildnachweis: caricatura museum frankfurt © Marie Marcks
Marie Marcks, im August 1922 in Berlin in einer künstlerisch tätigen Familie geboren, studierte zunächst an der Kunstschule ihrer Mutter und anschliessend Architektur in Berlin und Stuttgart. Nach Kriegsende liess sie sich in Heidelberg nieder, wo sie auch heute lebt und noch arbeitet. Über Jahrzehnte hinweg zeichnete sie für die Süddeutsche Zeitung, mehr oder weniger häufig für „Die Zeit“, den „Spiegel“, für den „Vorwärts“, die „Titanic“ und „Brigitte“. Ihre Karikaturen wurden in zahlreichen Büchern veröffentlicht.
Emil Mangelsdorff und Thilo Wagner in Aktion: neben dem „schönsten Museum der Welt“ auf dem „schönsten Platz Frankfurts“ (Foto: FeuilletonFrankfurt)
„Marie Marcks“ im caricatura museum frankfurt, ein wirkliches „must see“, bis 21. Oktober 2012