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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für Juli, 2012

Alltägliche und seltsame Geschichten und Begebenheiten (2)

2012, Juli 16.

Das Vermehlungsverfahren beim niederfränkischen Erbspüree im Für und Wider des internationalen Meinungsstreits

von Diplom-Erbstheoretiker Rüdiger von Pausa

Die Erbswurst ist eine der edelsten Wurstsorten Europas. Ihre Verbreitung hat sie zu einem der beliebtesten Zahlungs- und Tauschmittel des Kontinents gemacht, ja, auch in Amerika und Asien wird sie häufig und gern in Zahlung genommen.

Weniger schön sieht die Situation beim Erbspüree aus, das sich bis heute eigentlich nie so richtig aus seiner niederfränkischen Heimat befreien und einen Siegeszug um die Welt antreten konnte, der doch dem gemeinen Kartoffelbrei schon vor mehr als 42 Jahren gelungen ist. Die Ursachen für diese bislang enttäuschende Entwicklung will die folgende Analyse aufzeigen. Weiterlesen

documenta 13 in Kassel (15)

2012, Juli 15.

Attila Csörgö: Quadratur des Kreises

Eines jener schlichten documenta-Häuschen in der Karlsaue, unspektakulär stehen sie am Wegesrand oder mitten im Grün, sauber gezimmert, der Eingang rollstuhlgerecht, davor eine kleine Tafel in jenem documenta-typischen, schwer definierbaren spezifischen Gelb, vielleicht auch Ocker, wir möchten es am liebsten Grünlich-Gelb-Ocker nennen, falls es so etwas geben sollte, wenn nicht, bleiben wir halt bei Gelb-Ocker. Die Beschriftung in Weiss, mitunter schwer lesbar, je nach Sonnenstand und Lichteinfall. Man soll sich ja auch mit dem Text intensiver befassen, anstatt ihn im Vorübergehen eher beiläufig aufzunehmen. Hinwendung, Zuwendung ist gefragt und angesagt.


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Skandal um Meldegesetz im Bundestag (2)

2012, Juli 14.

Richtig so!
Der Staat braucht Geld!!

Eine Anmerkung von Hans-Burkhardt Steck

Gerade hat sich eine reichlich resignative Stimmung im Volk breitgemacht. Diese blöde Regierung! Jetzt verplempern die unser schönes Geld an die Banken, die den Hals nicht voll kriegen können. Denn die Wirtschaft, allen voran die Finanzwirtschaft, hat schlagartig begriffen, was andere Bereiche schon lange wissen: Es gibt nix Schöneres als Staatsknete. Wozu brauchen wir den Kapitalismus mit all seinen Risiken, wenn die Staatskasse so nahe liegt? Statt „Sesam, öffne dich!“ reichen ein paar Drohungen und Weltuntergangsszenarien, und schon öffnen sich die staatlichen Schatztruhen wie von Zauberhand. Einfach wunderbar! Jedenfalls, wenn man eine Bank ist.

Der einfache Bürger ist nicht sooo begeistert. Aber den kennt man ja mit seiner ewigen Nörgelei, seinem Gemecker und seiner Unzufriedenheit. Soll er sich doch freuen, wenn unsere wackere Regierung ein supertolles Institut nach dem anderen aus den Fängen hinterhältiger und gemeiner Gläubiger, die unverschämterweise ihre Anlagen wiederhaben wollen, rettet! Aber nein, da wird gemosert und herumkritisiert, als wolle man allen Ernstes die Weisheit der Regierung in Zweifel ziehen.

Wie ungerecht, wie vorschnell, wie unüberlegt war das! Jetzt wissen wir, wie das alles finanziert wird! Der ganz grosse Topf wird aufgemacht. Für ein paar läppische persönliche Daten wie Namen, Anschriften, Konten usw. zahlt sich die Wirtschaft dumm und dämlich. Und warum, zum Teufel, soll unsere clevere Regierung dieses Geschäft nicht selbst machen? Der Handel mit Daten und Anschriften ist doch ein durch und durch seriöses und alteingesessenes Gewerbe! Der wird jetzt einfach verstaatlicht.


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Skandal um Meldegesetz im Bundestag (1)

2012, Juli 13.

Ein Kommentar

620 Abgeordnete zählt der aktuelle Deutsche Bundestag, gerade mal 27 von ihnen sassen am 28. Juni dieses Jahres abends noch im Plenarsaal, knapp 4,4 Prozent also, wenn wir richtig gerechnet haben; an jenem schicksalhaften Abend, als die cleveren Azzurri die Löw-Jungens ins Europa-Aus kickten. Das zu betrachten war den 593 zu jener Stunde im Parlament Fehlenden wohl wichtiger als der dröge Tagesordnungspunkt 21 der Plenar(haha!)-Sitzung „Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) – Drucksache 17/7746 – Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) – Drucksache 17/10158 – “ Weiterlesen

Semesterausstellung der Kunstpädagogik in Frankfurt am Main

2012, Juli 12.

Von Erhard Metz

Wieder einmal lädt das Institut für Kunstpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu einer Semesterausstellung ein, und am Eröffnungsabend hatte man das Gefühl, in sommerfestlicher Atmosphäre hätten sich nahezu alle Studierenden eingefunden.

Bekanntlich gliedert sich das Institut in die Bereiche Didaktik, Grafik, Malerei, Neue Medien, Plastik und Visuelle Kultur für Studierende mit dem Ziel des Lehramts oder des Abschlusses Magister Artium. Bereiche der Fachpraxis sind Grafik, Malerei, Plastik und Neue Medien.

Nun ist zwar, wie das Sprichwort sagt, noch kein Meister vom Himmel gefallen (sonst bedürfte es ja auch keiner Kunsthochschulen), aber es ist schon recht ansehenswert, was die jungen Studierenden, auch bereits in den Anfangssemestern, an Ideen und handwerklichen Techniken aufweisen können. Den Schwerpunkt bildet dieses Mal die Malerei. Wir geben einen kleinen, wie stets  begrenzten Einblick in dieses Schaffen, der zu einem Besuch der Ausstellung anregen soll.

↑↓ Felix Becker, 4. Semester, o. T. (bleibende entfernungen), zweiteilig, 180 x 150 cm Weiterlesen

documenta 13 in Kassel (14)

2012, Juli 10.

Thomas Bayrle: Sex-Zylinder und Autobahnen ins Nichts

Die documenta 13 räumt dem emeritierten Städelschul-Professor Thomas Bayrle mit der „Hohen Halle“ den grössten und höchsten Saal der Documenta-Halle  und die grösste Einzelpräsentation der diesjährigen 100 Tage-Weltkunstschau ein, und niemand wird bestreiten, dass Bayrles Auftritt zu deren Höhepunkten zählt. Nach unserem Verständnis ist es die bedeutendste Arbeit dieser documenta überhaupt.

Diese aufgeschnittenen Motoren: Sie hätten etwas Monotones, Repetitives, aber auch etwas Sexuelles, sagte Frankfurts Museums-Übervater Max Hollein im Interview mit dem Hessischen Rundfunk. Besonders gilt dies natürlich für den lärmenden Sex-(Sechs-) Zylinder-Motor des Porsche 911, seit jeher Lebenstraum von Playboys, Schicki-Mickis und Adabeis.

Bayrle hat die Motorblöcke in der Werkstatt seines Bruders mittig aufschneiden lassen, ein Elektromotor treibt Zylinder, Ventile und Steuerketten an, die Zylinder bewegen sich in den Boxer- und Sternmotoren langsam und geschmeidig aufeinander zu und wieder voneinander weg, ja, das ist schon sexy.

Dazu aufbrüllender Motorensound und – darin verschmelzend – gesprochene und gesungene Gebete. Beim 911 ist es das Rosenkranzgebet. Jeder der Zylinderhube eine Perle?

„Porsche 911: Rosenkranz“, 2010, Porschemotor, aufgesägt, Soundinstallation, 100 x 71 x 93 cm, Courtesy der Künstler, Galerie Barbara Weiss, Berlin Weiterlesen

Hochschule für Gestaltung Offenbach: Rundgang 2012

2012, Juli 8.

Wie stets leider nur zwei, mit dem Freitagabend allenfalls zweieinhalb Tage währt der jährliche Rundgang durch die beiden Kunsthochschulen in Frankfurt und Offenbach, jetzt am Wochenende war der Weg zur von Präsident Bernd Kracke geleiteten Hochschule für Gestaltung Offenbach (HfG) angesagt.

Beginnen wir mit einer Installation, die zu früheren Zeiten, als die Damen, um Ohnmachtsanfällen vorzubeugen, noch Riechtüchlein mit sich führten, Schock und Empörung ausgelöst hätte. Eine Installation der schon weit bekannten Künstlerin Laura Baginski, Trägerin des Hauptpreises der Darmstädter Sezession 2010, es ist ihre Diplomarbeit bei Professor Wolfgang Luy (Bildhauerei) mit dem verheissungsvollen Titel „Vulviva“. Ein Bronzeguss in der Turmruine der ehemaligen Offenbacher Schlosskirche direkt neben dem Campus. Man wünschte, die Arbeit könnte an diesem eindrucksvollen Ort der Öffentlichkeit zugänglich verbleiben.

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Alltägliche und seltsame Geschichten und Begebenheiten (1)

2012, Juli 6.

Sebastian
Eine Weihnachtsgeschichte zur Jahrtausendwende (1999)

von  -habust-

Heimkehr

„Da Wastl kimmt!!“

Der Freudenschrei der Zenzi vom Oberhof drang in alle Winkel der einfachen, aber blitzsauberen Bauernstube und schreckte den Großvater hoch, der nach dem Mittagsmahl, als sich der Bauer mit den Knechten wieder ans Heuen gemacht hatte, auf der Ofenbank eingeschlummert war. Ev, die alte Magd, die schon manchen Winter im Dienst des Oberhofbauern hatte kommen und gehen sehen, blickte auf: „Wos? Da Wastl? Ja bist jetzt du ganz und gar narrisch worn?“ Die Freude über des Bruders Heimkehr ließ bei Zenzi Ärger über die kleine Unbotmäßigkeit nicht aufkommen. „Jo, da Wastl kimmt! I hob ‘n selm gsehgn! Er hot grad noch an Hochwürden Herrn Pfarrer bsuacht; glei kimmt er her! Lauf gschwind, hol a Brotzeit für eahm, er hot a lange Reis‘ gmacht!“ Weiterlesen

Der Frankfurter Maler Wilhelm Steinhausen

2012, Juli 5.

Eingang zum Garten der Burg Schöneck, um 1912, Öl auf Karton, 48,5 x 34 cm, Steinhausen-Stiftung, Frankfurt am Main; Bildrechte: Museum Giersch

„Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ wusste schon Johann Wolfgang Goethe. Und wenn uns vor lauter Konzeptkunst wieder einmal, wie man so sagt, der Kopf schwirrt, sind wir recht froh, dass es am Frankfurter Museumsufer, will sagen am Schaumainkai 83, das Museum Giersch gibt, das es sich zur Aufgabe macht, regionale Kunst von überregionaler Bedeutung zu präsentieren, per definitionem „Kunst im Rhein-Main-Gebiet zwischen Mainz und Hanau, Aschaffenburg und Wiesbaden, Darmstadt und Friedberg mit Frankfurt am Main als Brennpunkt“. Weiterlesen

documenta 13 in Kassel (13)

2012, Juli 3.

Abwesenheiten

Guillermo Faivovich und Nicolás Goldberg: „El Chaco“ reist nicht nach Kassel
Ryan Gander: „Eine leichte Brise zieht den Zuschauer durch den Ausstellungsraum“
Und ein Schlüssel zur documenta 13 …

Von Erhard Metz

Sie zählt – auch – zu ihren kuratorischen Anliegen: die Abwesenheit.

Gleich zu Beginn ihrer „lecture“ in der Eröffnungspressekonferenz widmete documenta 13-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev der Nichtanwesenheit von „El Chaco“ zur 100 Tage-Ausstellung in Kassel ein ausführliches Statement.

El Chaco nicht auf der documenta 13? Wir erzählen zusammenfassend die Geschichte:

Die von Christov-Bakargiev eingeladenen Künstler Guillermo Faivovich und Nicolás Goldberg planten, „El Chaco“, den als zweitgrössten bekannten, 37 Tonnen schweren Meteoriten für die Dauer der documenta 13 vom nordargentinischen Gancedo auf den Kasseler Friedrichsplatz zu verbringen, in die Nähe von Walter de Marias „Vertical Earth Kilometer“, einem von der documenta 6 aus dem Jahr 1977 verbliebenen Kunstwerk.

Bereits im Herbst 2010 hatte das Künstlerduo den wesentlich kleineren, knapp 2000 Kilo wiegenden, ebenfalls im nordargentinischen Campo del Cielo eingeschlagenen Meteoriten „El Taco“ im Frankfurter Portikus ausgestellt, den Forscher des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie in zwei Teile zerschnitten hatten, von denen der eine in Washingston, der andere in Buenos Aires aufbewahrt worden waren. Faivovich und Goldberg fügten mit ihrer Aktion diese Hälften symbolisch wieder zusammen. In einem Interview mit dem damaligen Städelschul-Rektor und Portikus-Chef Daniel Birnbaum bezeugte Carolyn Christov-Bakargiev Mitleid mit dem Himmelskörper, der – älter als die Welt selbst – zunächst nicht und dann doch deren Teil gewesen beziehungsweise geworden sei, „transzendent und immanent zugleich“. Und der Meteorit habe „eine Art Trauma“ durchlebt, als er „in unsere Umlaufbahn gezogen wurde und zerbarst“.

Meteorit „El Taco“ im Frankfurter Portikus mit Daniel Birnbaum (seinerzeit Rektor der Städelschule), Nicolás Goldberg, Carolyn Christov-Bakargiev und Guillermo Faivovich; Foto: © Mark-Christian von Busse (Erstveröffentlichung in der HNA, Kassel) Weiterlesen