„Film noir“ im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main
Text und Fotos: Renate Feyerbacher
Bis zum 14. Oktober 2012 ist die Sonderausstellung „Film noir“ (Schwarzer Film), verbunden mit einem Begleitprogramm, im Deutschen Filmmuseum zu sehen und zu erleben.
Hinter dem Begriff „Film noir“, den der französische Filmkritiker Nino Frank 1946 prägte, steckt im wahrsten Sinne des Wortes Düsternis. In den Filmen, die in den 1940er und 1950er Jahren in Hollywood produziert wurden, geht es um Schmuggel, Prostitution, Glücksspiel, Gangster, um zwielichtige Geschäfte, bei denen natürlich schöne Frauen nicht fehlen dürfen. Die engen, dunklen Strassen nächtlicher Grosstädte sind Schauplätze.
„Film noir war vor allem ein Stil. Er verband Realismus und Expressionismus, die Verwendung realer Schauplätze und kunstvolle Schattenspiele“, so interpretiert der amerikanische Regisseur Martin Scorsese 1995 diese Filmgattung (Pressetext Filmmuseum). Scorsese ist selbst ein Meister dieser Art. Mit Ausschnitten aus seinen Filmen „Taxi Driver“ (1976) und „Shutter Island“ (2010) ist er in der Ausstellung vertreten.
„Im Zeichen des Bösen“ (Touch of Evil), 1958 von Orson Welles gedreht und gespielt, gilt als Beispiel par Exellence für dieses Genre (Filmbeispiel in der Ausstellung).
Ebenso ist es „Der dritte Mann“ (The Third Man), den der britische Regisseur Carol Reed 1949 vor allem in Wien und dessem Kanalsystem realisierte, mit Orson Welles, Joseph Cotten und Alida Valli in den Hauptrollen und in den Nebenrollen die grossen österreichischen Schauspieler Paul Hörbiger, Annie Rosar, Ernst Deutsch, Hedwig Bleibtreu, Siegfried Breuer und dem Deutschen Erich Ponto (übrigens ein Onkel von Jürgen Ponto, dem früheren Vorstandschef der Deutschen Bank).
Unvergesslich ist eine Szene: Es ist Nacht. Holly Martins sieht, als er Annas Wohnung verlässt – sie ist Harry Limes Freundin, in die er sich verliebt hat – , einen Mann im Hauseingang gegenüber. Er fühlt sich verfolgt, aber dann fällt ein Licht auf das Gesicht. Es ist Harry Limes, der im Nu verschwunden ist. Vergebens jagt er ihm im nächtlichen Wien hinterher. Limes hatte seinen Freund Holly Martins gebeten, ins durch die Westmächte besetzte Wien zu kommen, um ihn zu unterstützen. Die beiden Amerikaner sind Jugendfreunde. Angeblich ist Limes kurz vor Martins Ankunft bei einem Verkehrsunfall, verursacht durch seinen eigenen Fahrer, tödlich verunglückt. Bei der Beerdigung erfährt Martins von einem englischen Major, dass sein Freund ein übler Schieber war. Er streckte gestohlenes Penicillin. Die Opfer erlitten durch die Gabe dieses gefälschten Medikaments grosse Schäden. Martins will es nicht glauben, verlässt Wien aber nicht und stellt eigene Recherchen an. Er erfährt, dass Limes noch lebt.
„Der dritte Mann“ erhielt viele Preise: die Goldene Palme in Cannes und den „Oscar“; er wurde zum besten englischen Film aller Zeiten ernannt.
Der Stummfilm „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922) des in Bielefeld geborenen Friedrich Wilhelm Murnau (1888 bis 1931) ist ein sehr frühes Dokument des Film noir, ebenso wie „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ des Wiener Filmemachers Fritz Lang (1890 bis 1976), 1931 mit Peter Lorre (1904 bis 1964) gedreht, der nach seiner Emigration 1933 in die USA öfters in Hollywoodfilmen auftauchte. Auch „The Big Heat“ (Heisses Eisen, mit Glenn Ford in der Hauptrolle) gehört diesem Genre an, Lang drehte den Film nach seiner Emigration ebenfalls in die USA.
Auch die Emigranten Billy Wilder (1906 bis 2002), unter anderem mit dem Werk „Frau ohne Gewissen“ (Double Indemnity, 1944), und der in Dresden geborene Robert Siodmak (1900 bis 1973), unter anderem mit „Zeuge gesucht“ (Phantom Lady, 1943) widmeten sich diesem Genre.
Es sind vor allem die Ausschnitte aus 53 Filmen, die diese Ausstellung so interessant machen. Die jungen Kuratorinnen Jule Murmann und Stefanie Plappert haben fantastische Arbeit geleistet. Die Gestaltung übernahm chezweitz & partner, Berlin.
Die Beispiele thematisieren die wichtigsten Elemente der Bildsprache und der Inszenierung. Auf mehreren Leinwänden werden die Stilelemente Lichtsetzung, Kameraführung, Bildaufbau, Erzählformen, Figuren und Schauplätze gezeigt.
In ihrer Eröffnungsrede sprach die Direktorin des Deutschen Filminstituts, Claudia Dillmann, zugleich Leiterin des Deutschen Filmmuseums, von der „ästhetischen Feinheit“, von „thematischer Aktualität“, von „Humor, grossartigen Dialogen und spannenden Geschichten“.
Die Elemente des Film noir haben Regisseure der Jetzt-Zeit übernommen wie der Finne Aki Kaurismäki (*1957), die US-Amerikaner Quentin Tarantino (*1963) und Martin Scorsese (*1942) sowie die Franzosen Jean-Luc Godard (*1930) und Henri-Georges Clouzot, der allerdings bereits 1977 siebzigjährig starb.
Ergänzt haben die Kuratorinnen die Filmausschnitte mit historischen Filmplakaten und Produktionsunterlagen, darunter Original-Drehbüchern.
Das Begleitprogramm hat auch einiges zu bieten: Es werden noch bis Ende Juli im Kino des Filmmuseums Spielfilme gezeigt, darunter am Samstag, 28. Juli „Die Wendeltreppe“ (The Spiral Staircase, 1948) von Robert Siodmak. Ein Film, der mich schon als Jugendliche faszinierte.
Vom 27. bis 29. Juli wird ein Fotoworkshop geboten. Für Kinder gibt es vom 24. bis 27. Juli ein Sommerferienprogramm, und beim LUCAS-Kinderfilmfestival im September eine Drehbuchwerkstatt.
„Film noir“, Deutsches Filmmuseum, bis 14. Oktober 2012