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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Alltägliche und seltsame Geschichten und Begebenheiten (3)

Professor Niebling und die Folgen

von -habust-

Letzten Mai hatte er endgültig die Schnauze gestrichen voll. Lange war er eigentlich noch nicht Professor, aber irgendwie kotzte es ihn derartig an, daß ihm eins schlagartig klar wurde: Noch zwei, drei Jahre dieser verfluchte Streß, und er würde als Wrack im Straßengraben enden.

Wollte Niebling das? Er wollte es nicht.

Niebling grübelte. Lag es am frühen Aufstehen? Daran, daß ihn der Wecker allmorgendlich brutal aus den süßesten Träumen riß? Machte ihn die Arbeit selbst fertig? Waren es die vermaledeiten Studenten, dieses Mistpack, das ihn mit jedem noch so idiotischen Dreck belästigte? Oder am Ende die ewigen Frauengeschichten? Gestern hatte wieder eine angerufen und mit sofortiger Entleibung gedroht, falls er sie nicht wenigstens eine Stunde in der Woche erhöre.

Niebling ächzte. Er war in den letzten Monaten abgemagert, nahezu durchscheinend geworden. Seine Finger hatten etwas glasartig Zerbrechliches, sein schütter gewordenes Haupthaar war früh ergraut. Früher, da wäre er solchen Problemen nicht ausgewichen. Früher hatte er Energie. Da galt er als Draufgänger, als vitales Mannsbild, immer aktiv, immer nach der Devise “Erst handeln!” lebend. Irgendwie hatte sich die Devise in letzter Zeit geändert. Lebte er derzeit nicht eher nach dem Motto “Erst handeln – dann doch den vollen Preis bezahlen”?

Und hatte er in der Affaire mit Ortrud nicht mehr als den vollen Preis bezahlt? War es nötig gewesen, sie mit einer Segelyacht abzufinden, nachdem sie nur zwei Wochen zusammengelebt hatten und auch das nur an den Wochenenden?

Niebling gab sich einen Ruck. Das mußte alles anders werden. Hatte er dazu qualvolle, nicht enden wollende Studienjahre abgeleistet? Mühte er sich dazu ab, junge Menschen in die Geheimnisse seiner Wissenschaft einzuführen??

Ab sofort wollte er härter auftreten. Warum soll eigentlich immer ich es sein, der die Weibsbilder zum Essen einlädt? Haben doch selbst die Taschen voll Geld! Keine Einladung mehr, entschied Niebling. Kommt überhaupt nicht mehr in Frage. Theater? Konzert?? Fußball??? Nicht mehr auf meine Kosten! Jedes Jahr ein neues Paar Schuhe? Woher denn!

Ja, so war es besser. Jetzt fühlte sich Niebling erleichtert. Man muß auch einmal zeigen, wo die Harke hängt, dachte er bei sich. Die Harke? Das sollte doch wohl der Hammer sein! dachte sich sein Schutzengel. Pfiff sich eins und stahl sich davon. Und ließ Nieblingen in seinem Elend einfach sitzen.

Niebling, im Gefühl neuerdachter Konsequenz, griff zum Telefon. “Dorette?” frug er voll gespannter, aber auch ängstlicher Erwartung. “Dorette ist nicht da, kann ich ihr etwas ausrichten?” kam es aus dem Hörer. Aber Niebling hatte schon aufgelegt …

Text © -habust-

→ Alltägliche und seltsame Geschichten und Begebenheiten (4)

 

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